Änderung Plan stufenweise Wiedereingliederung durch Krankenkasse?

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jaca
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Registriert: Mittwoch 10. April 2024, 13:26

Änderung Plan stufenweise Wiedereingliederung durch Krankenkasse?

Beitrag von jaca »

Hallo zusammen,

ich arbeite als BEM-Beauftragte in einem Krankenhaus. Eine Kollegin befindet sich nach Post Covid seit ca. 8 Monaten im BEM und nach Reha und weiteren stationären Therapien nun in der stufenweisen Wiedereingliederung. Leistungsträger ist die Techniker. Laut Plan, den die Kollegin mit ihrer Hausärztin aufgestellt hat, dauert die Wiedereingliederung vier Monate.

Die Techniker hat nun ein Schreiben an die Kollegin versendet, in dem ein völlig abgewandelter und massiv verkürzter Wiedereingliederungsplan (6 Wochen) als "Ihr neuer persönlicher Wiedereingliederungsplan" vorgestellt wird. Die Kollegin hat Widerspruch eingelegt und wir warten ab. Dies ist der dritte Fall in den letzten sechs Monaten, in dem die Techniker so vorgeht. Ist das rechtens? Darf die Techniker einfach so den Plan abändern? Ich meine nein, denn die stufenweise Wiedereingliederung ist doch eine Art Verordnung durch den Arzt, oder?! Alternativ müsste doch zumindest der MDK befragt werden??

Ich freue mich über Erfahrungen und/oder Antworten :).
Viele Grüße
jada.wasi
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Registriert: Freitag 30. März 2012, 16:30

Stufenweise Wiedereingliederung bei der Techniker Krankenkasse (TK)

Beitrag von jada.wasi »

jaca hat geschrieben: Mittwoch 10. April 2024, 13:35 Die Kollegin hat Widerspruch eingelegt und wir warten ab. Dies ist der dritte Fall in den letzten sechs Monaten, in dem die Techniker so vorgeht. Ist das rechtens? Darf die Techniker einfach so den Plan abändern?
Hallo,

eine sehr gute und berechtigte Frage: Unterm Strich wird da_offenbar letztlich u.a. die vom Hausarzt im Stufenplan bescheinigte Dauer der AU angezweifelt, die während der StW besteht:

Zum „kreativen“ Umgang dieser Techniker Krankenkasse (TK) mit „Widersprüchen“ Versicherter – was kürzlich der Rechtsaufsicht (BAS) übel aufgestoßen ist – siehe bspw. Diskussion von 2023.

:?: Frage: Hatte Schreiben der Techniker Krankenkasse eine_Rechtsbehelfsbelehrung? Und wurden die „weiteren stationären Therapien“ von dieser TK finanziert oder von einem anderen med. Reha-Träger? Mit welchen Gründen und welchen Paragrafen wurde diese Änderung denn von dieser TK genau begründet? Kam eine sog. „Anhörung“?

Es besteht keine Bindung an einem vom medizinischen Dienst der Krankenkasse vorgeschlagenen Plan. In AU-Richtlinie wird dem insoweit Rechnung getragen, als dort ausgeführt wird – wonach eine „standardisierte Betrach­tungsweise nicht möglich“ ist, so schon Gagel 2006 mit Verweis auf Nr. 2 der Anlage der AU-Richtlinie. Diese ist auch für TK verbindlich – und nicht nur unverbindliche Empfehlung ausweislich § 7 Abs. 1 AU-Richtlinie!

jaca hat geschrieben: Mittwoch 10. April 2024, 13:35 Denn die stufenweise Wiedereingliederung ist doch eine Art Verordnung durch den Arzt, oder?
Völlig richtig! Und ohne eine eigene ärztl. Untersuchung (MD?) ist eine „eigenmächtige“ Änderung durch TK m.E. regelhaft ohnehin unzulässig laut § 7 Abs. 1 Satz 2 AU-Richtlinie: Gut, dass es (fachkundige) BEM-Beauftragte gibt,_die solche „Kassenpraxis“ kritisch hinterfragen 👍 Post-Covid und Long-Covid sowie Wiedereingliederung. Womöglich orientiert sich TK an „Durchnittswerten“ statt individuell laut AU-Richtlinie? („Laut einer Mitteilung der Techniker Krankenkasse sind das im Schnitt 105 Tage“)
Drei Prozent sollen vom Post Covid Syndrom betroffen sein_laut ÄrzteZeitung.

Die Kasse ist grundsätzlich an den Plan des Hausarztes gebunden; der Versicherte kann demnach Unterstützung dieses Planes verlangen laut Gagel, Seite 5 unten. Gruß Jada Wasi
jaca
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Registriert: Mittwoch 10. April 2024, 13:26

Re: Änderung Plan stufenweise Wiedereingliederung durch Krankenkasse?

Beitrag von jaca »

Guten Morgen jada.wasi,

vielen Dank für die schnelle und hilfreiche Antwort! Diese Infos gebe ich so gerne weiter.
Ja, eine Rechtsbehelfsbelehrung ist im Schreiben und die anderen Therapien sind von allesamt von Ärztin und Patientin initiiert, aber von der TK finanziert.

Eine gute Zeit und
viele Grüße
Heidi Stuffer
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Registriert: Dienstag 5. September 2017, 12:26

Änderung Plan stufenweise Wiedereingliederung durch Krankenkasse?

Beitrag von Heidi Stuffer »

Dr. Gagel 2006 hat geschrieben:Der Versicherte ist nicht verpflichtet, Vor­schlä­gen der Krankenkasse zu folgen. Ferner besteht keine Bindung an einen von dem medizinischen Dienst der Krankenkasse vor­ge­schlagenen Plan. [III. Dispo­sitions­frei­heit des Versicherten]
Hallo zusammen,

zur Rolle der Krankenkassen sowie des Kassenarztes bei stufenweiser Wiedereingliederung (StW) vgl Dr. Alexander Gagel, Fachbeitrag B16-2006, in den Abschnitten III und V.
Zur „Prüfkompetenz“ der Krankenkasse sowie des MD bei StW vergl. SG Dresden, 12.01.2006 - S 18 KR 440/03, mit Anmerkung Daniela Pick, Fachbeitrag B06-2007. Vgl.dazu auch die oben zitierte Feststellung von Gagel, vormaliger Vorsitzender Richter am BSG a.D. und z.B. HKK: „Der Arzt überprüft dabei regelmäßig, wie belastbar Sie sind und legt die zu arbeitende Stundenzahl in Absprache mit Ihnen fest.“

jaca hat geschrieben: Mittwoch 10. April 2024, 13:35 müsste doch zumindest MDK befragt werden??
Ja – m.E. verpflichtend von Rechts wegen:

Wurde denn überhaupt der MD von dieser TK gutachtlich eingeschaltet nach § 6 der AU-Richtlinie bzw. lt. Nr. 2 der Anlage - und ggf. ein „Zweitgutachten“ beantragt gemäß § 6 Abs. 2 AU-Richtlinie – oder nichts dergleichen – und Entscheidung eines TK-Bediensteten nach „Bauchgefühl“ bzw. Schema F entgegen „zwingenden“ Vorgaben in AU-Richtlinie zu deren „Verbindlichkeit“ ?! Daher womöglich insoweit vorsätzliches Dienstvergehen?

Eine gesetzliche „Zeitbegrenzung“ von 6 Wochen gibt es nicht gemäß Betanet-Experten unter Nr. 4 zur „Dauer der stufenweisen Wiedereingliederung“. Manche Rehaträger machen (wie ich mal gelesen habe) das wohl gerne ganz schematisch mit zunächst i. d. R. vier Wochen (allenfalls sechs bis acht Wochen bei besond. medizin. Begründung) mit „bürokratischer“ Verlängerungsoption. Wichtig jedoch, ggf. unbedingt – vor – Ablauf der genehmigten StW einen Arzttermin zu haben zwecks rechtzeitigem Verlänge­rungs­antrag!! Wer hat Erfahrung mit solchen „Rehaträgern“ bei welchen Versicherungen, die offenbar meinen, die Aus­ge­staltung einer StW einfach per Bescheid – diktieren – zu können mit „völlig abgewandeltem“ Stufenplan. Zur DRV-Praxis vergl Diskussion aus 2014 zum „aussagefähigen Befund“ des behandelnden Arztes

Beste Grüße
Heidi Stuffer
jada.wasi
Beiträge: 394
Registriert: Freitag 30. März 2012, 16:30

NEU: Darf GKV Stufenplan ändern?

Beitrag von jada.wasi »

BSG, 16.05.2024, B 1 KR 4/23 R
BSG, 16.05.2024, B 1 KR 7/23 R

jaca hat geschrieben: Mittwoch 10. April 2024, 13:35 Die Techniker hat nun ein Schreiben an die Kollegin versendet, in dem ein völlig abgewandelter und massiv verkürzter Wiedereingliederungsplan (6 Wochen) als "Ihr neuer persönlicher Wiedereingliederungsplan" vorgestellt wird.
Hallo zusammen,

dem sehr fundierten obigen Beitrag vom 11.04.2024 von_Heidi Stuffer mit Quellen ist voll zuzustimmen - nach_neuester Rechtsprechung – wonach natürlich medizinische Reha-Träger die „Ausgestaltung“ einer stufenweisen Wiedereingliederug (StW) gerade nicht hoheitlich per Bescheid diktieren könne, da insoweit sozialrechtlich überhaupt „nicht beteiligt“ laut BSG.
BSG hat geschrieben:Eine Genehmigung der stufenweisen Wieder­ein­glie­de­rung durch die KK ist nicht vorgesehen.
[BSG, 16.05.2024, B 1 KR 7/23 R, Rn. 28]
Die Praxis der Techniker erscheint mir daher schlicht „übergriffig“. Diese TK soll zu den elf Krankenkassen gehören, die von Rechtsaufsicht abgemahnt wurden wg. teils „system.“ Rechtsbrüche ihren Versicherten gegenüber lt. „Auswertung der Arbeitsanweisungen“ ausweislich Prüfbericht des BAS 2022twitter und Presseberichten 2023. Gruß Jada Wasi
annette.rosenberg
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Registriert: Montag 6. Februar 2012, 14:36

Dauer Stufenweise Wiedereingliederung?

Beitrag von annette.rosenberg »

Zur Dauer einer StW vergl. zur aktuellen Praxis anderer Rehaträger auch dieses DRV-Forum.

Diese DRV geht offenbar davon aus, dass alle Änderungen des Stufenplans mit DRV stets „abzustimmen“ sei entgegen der BSG-Rechtsprechung, wonach eine Genehmigung der stufenweisen Wieder­ein­glie­de­rung durch den zuständigen Rehaträger nicht vorgesehen ist, „so dass der Reha-Träger auch nicht über Bedingungen und Auflagen Einfluss auf das Ob und Wie der stufenweisen Wiedereingliederung nehmen kann“ laut BSG, 16.05.2024, Rn. 28 und Rn. 42 am Ende.
BSG hat geschrieben:Leistungen an den Arbeitgeber, wie Zuschüsse oder Kostenerstattung, sind nicht vorgesehen, so dass der Reha-Träger auch nicht über Be­din­gun­gen oder Auf­la­gen Einfluss auf das Ob und Wie der StW nehmen kann.
Auch das Ministerium teilt die Ansicht der DRV nicht: Denn BMAS spricht von Information des Reha-Trägers und eben nicht von „Abstimmung“ mit dem medizinischen Rehaträger. Die Verlautbarungen der DRV widersprechen m.E. insoweit höchstrichterlicher Rspr. 2024 und Fachschrifttum 2006.

Viele Grüße
Annette
CharmingActor12
Beiträge: 4
Registriert: Dienstag 12. November 2024, 22:49

Re: Dauer Stufenweise Wiedereingliederung?

Beitrag von CharmingActor12 »

annette.rosenberg hat geschrieben: Mittwoch 25. September 2024, 17:15 Zur Dauer einer StW vergl. zur aktuellen Praxis anderer Rehaträger auch dieses DRV-Forum.

Diese DRV geht offenbar davon aus, dass alle Änderungen des Stufenplans mit DRV stets „abzustimmen“ sei entgegen der BSG-Rechtsprechung, wonach eine Genehmigung der stufenweisen Wieder­ein­glie­de­rung durch den zuständigen Rehaträger nicht vorgesehen ist, „so dass der Reha-Träger auch nicht über Bedingungen und Auflagen Einfluss auf das Ob und Wie der stufenweisen Wiedereingliederung nehmen kann“ laut BSG, 16.05.2024, Rn. 28 und Rn. 42 am Ende.
BSG hat geschrieben:Leistungen an den Arbeitgeber, wie Zuschüsse oder Kostenerstattung, sind nicht vorgesehen, so dass der Reha-Träger auch nicht über Be­din­gun­gen oder Auf­la­gen Einfluss auf das Ob und Wie der StW nehmen kann.
Auch das Ministerium teilt die Ansicht der DRV nicht: Denn BMAS spricht von Information des Reha-Trägers und eben nicht von „Abstimmung“ mit dem medizinischen Rehaträger. Die Verlautbarungen der DRV widersprechen m.E. insoweit höchstrichterlicher Rspr. 2024 und Fachschrifttum 2006.

Viele Grüße
Annette
Danke schön!
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