SBV Wahl 2014 - Gemeinsame Einrichtung

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Fransi

SBV Wahl 2014 - Gemeinsame Einrichtung

Beitrag von Fransi »

Hallo,

ich arbeite in einer Stadtverwaltung. Einige Mitarbeiter, darunter auch Schwerbehinderte, sind dem Jobcenter zugewiesen im Rahmen der gemeinsamen Einrichtung nach dem SGB II.

Bezüglich des Wahlrechts bin ich bisher davon ausgegangen, dass die Kollegen durch die Entsendung mangels Dienststellenzugehörigkeit (nicht mehr in der Dienststellenorganisation der Stadtverwaltung tätig) ausgeschieden und daher nicht mehr wahlberechtigt sind.

Nun lese ich in Ihrer Broschüre ZB Spezial -SBV Wahl 2014 auf Seite 14 zu "Bisherige Dienststelle":

Werden schwerbehinderte Beschäftigte von ihrer Dienststelle an eine mit der Agentur für Arbeit
gebildete gemeinsame Einrichtung (Jobcenter) zugewiesen, können sie auch weiterhin
bei ihrer bisherigen Dienststelle wahlberechtigt sein. So jetzt ausdrücklich etwa Artikel 13 AbsatzLSatz
2 und Artikel L4 Absatz2Satz2 BayPVC neuer Fassung, wonach in Bayern auch in
der zuweisenden Kommune aktives und passives Wahlrecht für den Personalrat der Kommune
besteht. lnsbesondere weil sie im Hinblick auf § 44g Absatz 5 SCB ll jederzeit mit einer Rückkehr
in die entsendende Dienststelle rechnen müssen, besteht ein fortbestehendes rechtliches
lnteresse an ihrer Repräsentation durch die Schwerbehindertenvertretung der entsendenden
Dienststelle. Außerdem findet formal-rechtlich kein Arbeitgeberwechsel statt.

Tatsächlich werden Personalangelegenheiten dieser Kollegen auch weiterhin durch die Kommune wahrgenommen.

Meine Frage daher: besitzen die der gemeinsamen Einrichtung zugewiesenen Kollegen weiterhin das Wahlrecht in der Stadtverwaltung?

Mit freundlichen Grüßen und im Voraus Dank für die Antworten

Fransi
Ulrich.Römer
Beiträge: 621
Registriert: Mittwoch 29. September 2010, 12:51

AW: SBV Wahl 2014 - Gemeinsame Einrichtung

Beitrag von Ulrich.Römer »

Hallo Fransi,
der Hinweis auf die Fundstelle in unserer Wahlbroschüre ist absolut richtig. Somit kann sich ein doppeltes Wahlrecht (im Jobcenter und bei der Stadtverwaltung) der zugewiesenen Mitarbeiter ergeben
Eine berechtigtes Interesse an der Mitgestaltung der SBV-Vertretung der entsendenden Dienststelle kann man in diesem Fall mit Sicherheit annehmen da die Rückkehr zur Stadtverwaltung jederzeit (zumindest theoretisch) möglich ist.

In der Privatwirtschaft verhält es sich ja ähnlich mit den Leiharbeitnehmern. Für die gilt das Gleiche beim Verleiher und Entleiher.
Ulrich Römer

Moderator der BIH-Foren
Fransi

Re: SBV Wahl 2014 - Gemeinsame Einrichtung

Beitrag von Fransi »

Hallo,

gelten die gleichen Ausführungen auch für die Wahl 2018, d.h. doppeltes Wahlrecht im Job-Center und in der Stadtverwaltung?
Ulrich.Römer
Beiträge: 621
Registriert: Mittwoch 29. September 2010, 12:51

Re: SBV Wahl 2014 - Gemeinsame Einrichtung

Beitrag von Ulrich.Römer »

Hallo Fransi,
auch in der neuen Wahlbroschüre wird dieses Thema unter "Sonderregelungen in den Ländern" auf Seite 39 beschrieben:
Die Personalvertretungsgesetze der Länder können Sonderregelungen für das Wahlrecht bei
Personalgestellung enthalten. So räumen Artikel 13 Absatz 1 Satz 2 BayPVG und Artikel 14 Absatz
1 Satz 2 BayPVG das aktive und passive Wahlrecht bei der gestellenden Dienststelle auch
Beschäftigten ein, die einer gemeinsamen Einrichtung mit der Bezeichnung Jobcenter nach
§§ 6d, 44b des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch oder die einem privaten Arbeitgeber zur Arbeitsleistung
überlassen werden.
Dabei aber unbedingt die Ausführungen auf Seite 38 beachten.
Ulrich Römer

Moderator der BIH-Foren
albin.göbel
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Registriert: Mittwoch 10. November 2010, 14:55

AW: SBV Wahl 2018 - Gemeinsame Einrichtung Bayern (Jobcenter)

Beitrag von albin.göbel »

  • »Gemeinsame Einrichtung«
Fransi hat geschrieben:doppeltes Wahlrecht im Job-Center und in der Stadtverwaltung?
Hallo, zumindest für bayerische Städte gilt weiterhin wie zuvor doppeltes Wahl­recht gemäß aktuellem Bayerischen Per­so­nal­ver­tre­tungs­ge­setz für Beschäftigte, welche dem Jobcenter überlassen werden nach folg. Lan­des­ge­setz – das „Dienststellenzugehörigkeit“ für abgebende Kom­mu­nen wahlrechtlich fingiert – allerdings allein für die Wahl zum Personalrat nach BayPVG:

Artikel 13 Absatz 1 Satz 2 BayPVG
(1) "Wahlberechtigt sind auch Be­schäf­tig­te, die einer ge­meinsamen Einrichtung mit der Bezeichnung Jobcenter nach §§ 6d, 44b des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch oder die einem privaten Arbeitgeber zur Arbeitsleistung überlassen werden; die Vor­schrif­ten des Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­set­zes bleiben unberührt."


Dieses umfasst auch die Wählbarkeit der Beschäftigten laut der folgenden Norm in den Städten Bayern­s, je­den­falls für den Personalrat. Daher sperrt auch nicht § 177 Abs. 3 Satz 2 SGB IX die SBV-Wählbarkeit in Bayern.

Artikel 14 Absatz 1 Satz 2 BayPVG
"Wählbar sind auch Beschäftigte, die nach Art. 13 Abs. 1 Satz 2 wahlberechtigt sind."


:idea: BayPVG übertragbar auf SBV-Wahl?
Fraglich erscheint mir allerdings, ob dieses Lan­des­per­so­nal­ver­tre­tungs­recht auch auf‘s aktive bzw. passive SBV-Wahlrecht einfach übertragbar ist. Dies deshalb, weil we­der § 177 Abs. 2 noch § 177 Abs. 3 Satz 1 SGB IX darauf verweisen – und weil folglich diese zwei Normen als Be­stand­teil des Bun­des­rechts dieses eben nicht vorsehen – sondern im Unterschied zu § 177 Abs. 3 Satz 2 SGB IX gerade nicht aufs Landespersonalvertretungsrecht ver­weisen. Zum Verhältnis Satz 1 und 2 siehe Diskussion von 2018. So auch Düwell, LPK-SGB IX, § 177 Rn. 14:
„Diese Son­der­re­ge­lungen haben nämlich nur Gel­tung
für die Wahlberechtigung zu den Per­so­nal­rats­wahlen“


:idea: Ei­ne nähere Be­grün­dung zu dieser strittigen Rechtsfrage ist der Gegenansicht in BIH-Wahl­bro­schü­re 2018, Seite 20, 39, 42, Stichwort: „Son­der­re­ge­lungen der Länder“ – nicht zu entnehmen, womit man sich auseinandersetzen könnte. Rechtsprechung zu dieser Rechts­frage von grds. Bedeutung, ist mir nicht bekannt.. Für SBV im Jobcenter („Gemeinsame Einrichtung“) gilt § 44i SGB II – alle sbM „erhalten von Beginn der Zuweisung an das aktive Wahl­recht“ (BR-Drs. 226/10 vom 23.04.2010, Seite 45) - egal ob von BA oder Kommune dem Jobcenter überlassen.

Einen Rechtssatz, wonach jeder, der zum Personalrat an einer Dienststelle wählbar ist, dort auch zur SBV wählbar sei, gibt es nicht wegen der Existenz des § 177 Absatz 3 Satz 1 SGB IX. Das zeigt sich bspw. sehr schön in Ham­burg: Dort sind auch „Minderjährige“ für den Personalrat wählbar (§ 13 i.V. mit § 12 HmbPersVG), jedoch nicht für SBV wählbar, we­gen der Sperrwirkung des § 177 Abs. 3 Satz 1 SGB IX - da die­ser Volljährigkeit voraussetzt. Vgl. dazu schon Diskussion 2015 (Nr. 5 am Ende). Zum Er­forder­nis der wahl­recht­li­chen Dienststellenzugehörigkeit bei PR-Wahlen nach dem BPersVG siehe rechts­ver­glei­chend BVerwG, 18.01.2013, 6 PB 17.12.
Ulrich Römer hat geschrieben:Eine berechtigtes Interesse an der Mitgestaltung der SBV der entsendenden Dienststelle kann man in diesem Fall mit Sicherheit annehmen, da Rück­kehr zur Stadtverwaltung jederzeit möglich ist.
Die Annahme eines solchen wahlrechtlichen „Interesses“ wegen zumindest „theoretischer“ Rückkehroption recht­fer­tigt m.E. alleine nicht die Annahme des SBV-Wahlrechts. Vergl. sinngemäß BVerwG, 18.01.2013, 6 PB 17.12, Rn. 8-10, zur Frage des „Doppelwahlrechts“ für PR-Wahlen bei Zuweisung von Bediensteten an Jobcenter, wo­nach Zuweisung das Wahlrecht zum Personalrat der Ar­beits­agen­tur kostet (B­IH-Wahlbroschüre, Abschnitt 3.1, Seite 39). Das ist höchst uneinheitlich für PR-Wahlen normiert beim Bund und in den Ländern – mal so und mal so.

:?: Kennt dazu jmd. Rspr. bzw. Literatur?

Viele Grüße
Albin Göbel
albin.göbel
Beiträge: 701
Registriert: Mittwoch 10. November 2010, 14:55

AW: SBV Wahl 2018 - Gemeinsame Einrichtung (Jobcenter)

Beitrag von albin.göbel »

  • »Gemeinsame Einrichtung«
Fransi hat geschrieben:doppeltes Wahlrecht im Job-Center und in der Stadtverwaltung?
• Rheinland-Pfalz:
Gilt z.B. auch für Rheinland-Pfalz
§ 10 Abs. 2 Satz 3 LPersVG und
§ 11 Abs. 1 Satz 3 LPersVG.

• Saarland:
Ferner wohl auch für das Saarland
§ 12 Abs. 2 Satz 5 SPersVG und
§ 13 Abs. 1 Satz 3 SPersVG

• Thüringen:
Ebenso wohl auch in Thüringen laut
§ 13 Abs. 2 Satz 3 Nr. 4 ThürPersVG

Viele Grüße
Albin Göbel
Fransi

Re: SBV Wahl 2014 - Gemeinsame Einrichtung

Beitrag von Fransi »

Hallo,

gibt es - wie Albin Göbel bereits anmerkte - Erkenntnisse über die Verfahrensweise in Niedersachsen?

Mit freundlichen Grüßen und im Voraus Dank für die Antworten

Fransi
rolf.gollnick
Beiträge: 11
Registriert: Dienstag 2. November 2010, 11:14

Re: SBV Wahl 2014 - Gemeinsame Einrichtung

Beitrag von rolf.gollnick »

Hallo Fransi,

nach § 11 Abs. 4 S. 3 NPersVG erlischt das Wahlrecht (hier bei der Stadt) nicht, wenn der Beschäftigte bei einer Einrichtung außerhalb des Geltungsbereichs des NPersVG (hier Jobcenter) im Wege der Personalgestellung Arbeitsleistung erbringt. Aktives Wahlrecht bei der Stadt bleibt also bestehen, damit doppeltes Wahlrecht.

Nach § 12 Abs. 2 S. 3 NPersVG sind sie allerdings in ihrer bisherigen Dienststelle (also bei der Stadt) nicht wählbar.

Herzlichen Gruß
Rolf Gollnick
Heidi Stuffer
Beiträge: 123
Registriert: Dienstag 5. September 2017, 12:26

SBV Wahl 2014 - Gemeinsame Einrichtung

Beitrag von Heidi Stuffer »

Kennt dazu jmd. Rspr. bzw. Literatur?
Hallo zusammen,

diese „Personalvertretungsgesetze“ der Länder sind wohl nicht 1:1 übertragbar auf SBV-Wahlen: Die an Jobcenter Zugewiesenen sind ggf. wählbar für Personalrat ihrer Kommune, dort nicht jedoch auch wählbar für die SBV wegen § 177 Absatz 3 Satz 1 SGB IX nach Ansicht des ArbG Berlin, 6. November 2019 - 60 BV 15435/18: "Bei Zuweisung an das Jobcenter keine Wahl in die SBV der zuweisenden Behörde"

Beste Grüße
Heidi Stuffer
Michael Karpf
Beiträge: 77
Registriert: Dienstag 1. November 2016, 18:50

Re: SBV Wahl 2014 - Gemeinsame Einrichtung

Beitrag von Michael Karpf »

Ich stimme Heidi Stuffer zu. Das SGB IX und seine wahlrechtlichen Bestimmungen sind Bundesrecht. Durch landesrechtliche Bestimmungen in den Personalvertretungsrechten der Länder können die bundesrechtlichen Auslegungen zu § 177 Abs. 1 und 2 SGB IX und zum aktiven Wahlrecht für die Schwerbehindertenvertretung nicht eingeschränkt oder erweitert werden. Daher erscheint es laut der zitierten Entscheidung des Arbeitsgerichts Berlin zu Recht höchst fraglich, dass ein aktives SBV-Wahlrecht auch in der zuweisenden Behörde besteht.

Viele Grüße
Dr. Michael Karpf
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