SGB IX § 178 Kommentare zu WfbM Beschäftigte.

Antworten
D.Giese
Beiträge: 1
Registriert: Dienstag 2. August 2022, 11:57

SGB IX § 178 Kommentare zu WfbM Beschäftigte.

Beitrag von D.Giese »

Hallo zusammen,

ich habe einen ähnlichen Artikel im der Suchfunktion gefunden, dieser ist aber stark veraltet.

Beim lesen in den Kommentaren von Kohlhammer bin ich im § 178 unter 26 und 26a auf die Erklärung zu Einrichtungen in der beruflichen Rehabilitation gekommen. Hier steht am Ende des Absatz 26 "Übertragen auf eine anerkannte Werkstatt für behinderte Menschen ... bedeutet dies, dass die Schwerbehindertenvertretung der WfbM nicht nur für die schwerbehinderten Arbeitnehmer (Fachkräfte), sondern auch die schwerbehinderten Menschen im Eingangsverfahren, Berufsbildungsverfahren und Arbeitsbereich der Werkstatt zuständig ist." Stand Mai 2021. (Kommentar von Kayser)

Ich habe dieses an unsere Rechtsabteilung weiter gegeben, dort liegt ein anderer Kommentar (von 1994) vor, der genau das Gegenteil besagt. :? :shock:

Sollte der obere Text zutreffen steigen meine zuständigen Mitarbeiter um ca 500 Menschen.

Hat jemand Erfahrungen? Oder eventuell Rechtsprechungen?
Vielleicht war das Thema bei Euch auch schon, dann wäre es nett wenn ihr mir mal Rückmeldung geben könntet. :!:

Herzlichen Dank
Heidi Stuffer
Beiträge: 129
Registriert: Dienstag 5. September 2017, 12:26

SBV-Wählbarkeit durch WfbM-Beschäftigte?

Beitrag von Heidi Stuffer »

Kayser hat geschrieben:"Übertragen auf eine anerkannte Werkstatt für behinderte Menschen ... bedeutet dies, dass die Schwerbehindertenvertretung der WfbM nicht nur für die schwerbehinderten Arbeitnehmer (Fach­kräfte), sondern auch die schwerbehinderten Menschen im Eingangsverfahren, Be­rufs­bil­dungs­verfahren und Arbeitsbereich der Werkstatt zuständig ist." (Kommentar von Kayser)
Hallo D. Giese,

auch die neueste Rspr. teilt die Ansicht von Kayser (ArbG Frankfurt/Main, 01.03.2023, 14 BV 1059/22).

Soweit die Rehawerkstätte insbesondere mit der WMVO argumentierte ist das unbeachtlich, da diese Verordnung nachrangig ist ggü. dem Gesetz, wie ArbG Frankfurt zu Recht sehr überzeugend verfassungsrechtlich klarstelle

Vermutlich werden sich damit weitere Instanzen befassen, weil grundsätzlich und bundesweit bedeutsam, da es wohl Hunderttausende schwerbehinderte Rehabilitanden in den WfbM gibt. BIH-Wahlbroschüre 2022 lehnt allerdings das SBV-Wahlrecht in WfbM für Rehabilitanden pauschal und kategorisch ab (Tabelle, Seite 44, sowie z.B. Seite 39).

BIH hat geschrieben:Durch die zeitweise Beschäftigung auf einem ausgelagerten Arbeitsplatz wird die Verant­wort­lich­keit der Werkstatt gegenüber dem Be­schäf­tig­ten nicht eingeschränkt; die Inter­ventions­mög­lich­keit der Werkstatt muss dort jederzeit rechtlich und tatsächlich gewährleistet sein.82) In der Fachliteratur findet sich hierzu zwischenzeitlich auch eine andere Rechtsauslegung. (Seite 39 und Seite 66 am Ende)
Außenarbeitsplätze
Zu der teils strittigen Rechtsfrage des Doppelwahlrechts bei Werkstattbeschäftigten auf sogenannten betriebsintegrierten ausgelagerten Arbeitsplätzen siehe aber die Diskussion vom 06.08.2022. Die viel zu pauschale Gegenansicht der BIH ist m.E. nicht nachvollziehbar laut Rspr. Daher besteht insoweit eindeutiger Korrekturbedarf in der BIH-Wahlbroschüre 2022 nach Prof. Düwell, Prof. Dr. Kohte, Adlhoch br 3/2017, LAG München 2014. Auch von Dr. Sachadae wurde lediglich das Wahlrecht ausgeschlossen, soweit Dienst- und Werkvertrag (jurisPR-ArbR 43/2014 Anm. 3). Dass bislang eine „Recht­spre­chung dazu bis Redaktionsschluss nicht ergangen“ sei, wie in BIH-Broschüre, Seite 39 und Seite 66 behauptet, ist offensichtlich falsch. Bisher leider keine Reaktion seit dem August 2022 zum Beitrag vom 06. August 2022 – obwohl tausendfach praxisrelevant.

Ebenso auch Dr. Wendt, in br 2007, 153 ff. sowie in Stähler, „Inklusion behinderter Arbeitnehmer“ 2013, Seite 52 ff. Die Argumente der BIH zum Status als WfbM-Beschäftigte und zur Verantwortlichkeit sind zwar richtig – wahlrechtlich aber offensichtlich belanglos laut § 177 Abs. 2 SGB IX – soweit eingegliedert in übliche „Betriebsabläufe“ im Einsatzbetrieb außerhalb der WfbM. Daher sachfremde Erwägungen zur Wahl, die niemand teilt.

Dienst- oder Werkvertrag?
Diese pauschale Einzelmeinung der BIH ist demnach klar abzulehnen. Auch die Begründung ist nicht stichhaltig: Es kommt vielmehr - allein - darauf an, ob Dienstvertrag bzw Werkvertrag oder eben nicht gemäß einhelliger Ansicht im Fachschrifttum, soweit ersichtlich.

Beste Grüße
Heidi Stuffer
magdalena.mayer
Beiträge: 88
Registriert: Dienstag 2. November 2010, 11:14

SBV wählbar durch WfbM-Beschäftigte?

Beitrag von magdalena.mayer »

Hallo Frau Stuffer,

stimme voll zu! Das Kirchengericht des Nordelbischen Diakonischen Werkes hat zwar anders entschieden in seinem Fehlbeschluss, 29.06.2005, 22-2004-HH

Aber das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung folgt dieser Entscheidung nicht mit Bezug auf § 36 SGB IX a. F. 2004 – wonach keine Eingliederung in „Betrieb der Einrichtungen“ kraft Gesetzes – wie folgt:

Aufgabenbereich der SBV in WfbM
Auf eine Anfrage der „BAG WfbM“ stellte das Bundes­ministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung klar:

„Das Bundesarbeitsgericht hat mit Beschluß vom 16. April 2003 entschieden, daß in Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation die jeweilige Schwerbehindertenvertretung auch für in den Einrichtungen beschäftigten Rehabilitanden zuständig ist. Da Werkstätten für behinderte Menschen hinsichtlich des Eingangs- und Berufsbildungsbereichs Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation sind, wäre die Entscheidung insoweit auf Werkstätten übertragbar.

Voraussetzung ist jedoch, daß eine Vertretung nach § 36 SGB IX die Interessen der im Eingangs- und Berufs­bil­dungs­bereich Beschäftigten wahrnimmt; dies ist in Werkstätten nicht der Fall. Das Urteil des Bundesarbeitsgerichtes betrifft daher nicht die Fälle, in denen der Werkstattrat in Er­man­ge­lung einer Vertretung auch die Interessen der im Eingangs- und Berufs­bil­dungs­bereich Beschäftigten wahrnimmt. Damit ist auch ausgeschlossen, daß Werkstattbeschäftigte an der Wahl zur Schwerbehindertenvertretung beteiligt sind.“


Eine SBV ist prinzipiell nicht legitimiert, sbM zu vertreten, welche nicht aktiv wahlberechtigt sind zur Wahl einer SBV.

Viele Grüße
Magdalena
annette.rosenberg
Beiträge: 97
Registriert: Montag 6. Februar 2012, 14:36

KGH.EKD zum SBV-Wahlrecht in WfbM

Beitrag von annette.rosenberg »

Mitarbeiter statt Beschäftigte wahlberechtigt

D.Giese hat geschrieben: Donnerstag 29. Juni 2023, 11:14 Hat jemand eventuell Rechtsprechung?
Hallo zusammen,

anders Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland vom 07.04.2008, KGH.EKD I-0124/N81-07 (Fehlbeschluss der Vorinstanz aufgehoben, welcher ca. fünfhundert Rehabilitanden SBV-Wahlrecht zuerkannte, obwohl keiner davon wahlberechtigt – weil nicht „Mit­ar­beitende“ im Sinne des Kirchenrechts, welches insoweit abweicht vom staatlichen SBV-Wahlrecht im Sinne des § 177 Abs. 1, Abs. 2 SGB IX (§ 50 Abs. 3 MVG-EKD in Verbindung mit § 2 MVG-EKD sowie § 15 Wahlordnung zum_MVG-EKD). Vgl. zum Begriff der Mitarbeiter BIH-Wahlbroschüre, Abschnitt 9.1, Seite 94 (am Ende), im Unterschied zu dem Begriff: „Vertrauenspersonen der schwerbehinderten Menschen“ nach § 179 SGB IX.

Leitsatz
„Im Bereich des MVG.EKD sind die in einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) beschäftigten Schwer­be­hin­der­ten zur Wahl der Schwerbehindertenvertrauensperson nicht wahlberechtigt.“

Aufgabenzuweisung
Andererseits stellte der Kirchengerichtshof klar, dass durch die „dynamische Verweisung“ im § 51 MVG.EKD auf das staatliche Recht „keine Unterschiede bei der Auf­ga­ben­zu­weisung“ bestehe:
KGH.EKD hat geschrieben:Denn die Vertrauensperson der Schwer­be­hin­der­ten nach § 50 MVG.EKD hat durch die dy­na­mi­sche Verweisung auf das "staatliche Recht" die identischen Aufgaben wie die Schwer­be­hin­der­ten­ver­tre­tung nach [§ 177 f. SGB IX n.F.]
(KGH, 07.04.2008, KGH.EKD I-0124/N81-07)
Im Gegensatz zur SBV laut staatlichem Wahlrecht in § 177 SGB IX und der SchwbVWO lautet in § 50 MVG-EKD und § 15 Wahlordnung zum MVG-EKD die Amtsbezeichnung: „Vertrauensperson der schwerbehinderten Mitarbeiter …“

Viele Grüße
Annette
annette.rosenberg
Beiträge: 97
Registriert: Montag 6. Februar 2012, 14:36

NEU: BAG vom 23.10.2024 – 7 ABR 36/23

Beitrag von annette.rosenberg »

D.Giese hat geschrieben: Donnerstag 29. Juni 2023, 11:14 Hat jemand eventuell Rechtsprechung?
Zu diesem SBV-Wahlrecht in WfbM von schwerbehinderten Rehabilitanden laut staatlichem Wahlrecht nach § 177 SGB IX siehe BAG, 23.10.2024 - 7 ABR 36/23 – wonach aktives SBV-Wahlrecht besteht entgegen bisheriger BMAS-Ansicht und entgegen BIH-Wahlbroschüren seit Jahrzehnten (vergl. ausführlich Prof. Düwell, jurisPR-ArbR 6/2024 Anm. 7, zum LAG Hessen, 13. 11. 2023 – 16 TaBV 72/23). Dies gilt aber nicht für den Bereich des MVG-EKD nach Kirchenrecht, da eigenständiges, abweichendes und eingeschränktes SBV-Wahlrecht geregelt im MVG-EKD vom 20.01.2024.

Viele Grüße
Annette
Antworten