Bewerber gibt Schwerbehinderung an - ohne Nachweis

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Bodie
Beiträge: 9
Registriert: Montag 9. Januar 2023, 16:14

Bewerber gibt Schwerbehinderung an - ohne Nachweis

Beitrag von Bodie »

Hallo allerseits!

Erst einmal grüße ich die aktiven Forumsteilnehmer*innen als neu Registrierter, und wünsche alles Gute zum neuen Jahr.

Aktuell erhält das Unternehmen, in welchem ich Vertrauensperson bin, über ein Online-Formular zahlreiche Bewerbungen, bei denen über ein Menü vom Bewerber aktiv 'Schwerbehinderung: ja' angegeben wird. Das Formular ist so gestaltet, dass keine Option vorgesehen ist, um diese freiwillige Angabe des Bewerbers mit einem Nachweis zu unterlegen.

Es scheint in verschiedenen Fällen fraglich, dass eine Schwerbehinderung nach den in D gültigen Regeln vorliegt. Gemeinsam mit HR versuche ich zu klären, inwieweit der privatwirtschaftl. AG während des Bewerbungsverfahrens berechtigt ist einen Nachweis anzufragen.

Ich habe die Suchfunktion hier im Forum zu meinem Thema bemüht, aber nur ungefähre Treffer gefunden. Eine Formulierung zu einem ähnlichen Thema lautete:
Hallo,

natürlich darf ein AG im Zweifelsfall einen Nachweis über eine bestehende Schwerbehinderung oder Gleichstellung verlangen, wenn ein Bewerber sich darauf beruft und entsprechende Rechte geltend macht.
Woraus leitet sich dieses Recht des AG her? Ich wäre für die Nennung dieser Quelle sehr dankbar.


Grüße, Volker B.
matthias.günther
Beiträge: 288
Registriert: Mittwoch 2. Mai 2012, 14:41

Re: Bewerber gibt Schwerbehinderung an - ohne Nachweis

Beitrag von matthias.günther »

Hallo,

der Bewerber muss darlegen und dann ggf. auch beweisen, dass die Schwerbehinderteneigenschaft dem AG bekannt gewesen ist. So u. a. BAG vom 18.11.2008, 9 AZR 643/07 und BAG vom 16.02.2012, 8 AZR 697/10. Es bedarf eines sog. hinreichenden Hinweises durch den Bewerber an den AG.
Ein hinreichender Hinweis auf die Schwerbehinderung liegt vor, wenn die Mitteilung in einer Weise in den Empfangsbereich des AG gelangt, die es diesem ermöglicht, die Schwerbehinderung des Bewerbers zur Kenntnis zu nehmen, BAG vom 13.10.2011, 8 AZR 608/10; BAG vom 22.10.2015, 8 AZR 384/10.
Bodie
Beiträge: 9
Registriert: Montag 9. Januar 2023, 16:14

Re: Bewerber gibt Schwerbehinderung an - ohne Nachweis

Beitrag von Bodie »

Hallo,

der Bewerber muss darlegen und dann ggf. auch beweisen, dass die Schwerbehinderteneigenschaft dem AG bekannt gewesen ist. So u. a. BAG vom 18.11.2008, 9 AZR 643/07 und BAG vom 16.02.2012, 8 AZR 697/10. Es bedarf eines sog. hinreichenden Hinweises durch den Bewerber an den AG.
Ein hinreichender Hinweis auf die Schwerbehinderung liegt vor, wenn die Mitteilung in einer Weise in den Empfangsbereich des AG gelangt, die es diesem ermöglicht, die Schwerbehinderung des Bewerbers zur Kenntnis zu nehmen, BAG vom 13.10.2011, 8 AZR 608/10; BAG vom 22.10.2015, 8 AZR 384/10.
Hallo Matthias,

vielen Dank für die detailreiche Antwort. Ich habe mir die Fundstellen angesehen. Grob zusammengefasst geht es in den Urteilen um Fälle, in denen dem AG vorgeworfen wird, er hätte die angezeigte Schwerbehinderung nicht angemessen behandelt, bzw. berücksichtigt, war also zu wenig aufmerksam.

Mich interessiert der umgekehrte Fall: der AG stellt Rückfragen in einer frühen Phase des Bewerbungsverfahrens nach Details zur angegebenen Schwerbehinderung, die der Bewerber evtl. nicht preisgeben möchte, ist also einfach ausgedrückt möglicherweise zu neugierig.

Welche Rechtslage entsteht dann? Kann der potenzielle AG wg. Ungleichbehandlung des schwerbehinderten Bewerbers angegangen werden, weil dieser zur Preisgabe persönlicher Daten aufgefordert wird? Ist eine Rückfrage an den Bewerber vielleicht abhängig von der Stellenbeschreibung, in welcher besondere körperliche oder geistige Anforderungen genannt sein müssten, damit die Nachfrage zu 'Schwerbehinderung: ja' zulässig ist?
matthias.günther
Beiträge: 288
Registriert: Mittwoch 2. Mai 2012, 14:41

Re: Bewerber gibt Schwerbehinderung an - ohne Nachweis

Beitrag von matthias.günther »

Eine Zulässigkeit unterschiedlicher Behandlung iSv § 8 Abs. 1 AGG wäre nur dann gegeben, wenn der Grund hierfür in wesentlichen und entscheidenden beruflichen Anforderungen liegt. Diese müssen tätigkeitsbezogen sein oder mit den Bedingungen der Ausübung der Tätigkeit im Zusammenhang stehen. Dabei ist zu prüfen, ob durch angemessene Vorkehrungen das behinderungsbedingte Beschäftigungshindernis beseitigt werden kann (EuGH vom 11.04.2013, C 335/11). Das heißt, der AG muss prüfen, ob und inwieweit der Arbeitsplatz behinderungsbedingt gestaltet werden kann - hier liegt denn auch der Sinn und Zweck der Beteiligung der SBV nach § 164 Abs. 1 S. 1 SGB IX i. V. m. § 178 Abs. 2 S. 4 SGB IX.

Mir ist kein Fall bekannt, in dem einem AG die bloße Bitte, den Schwerbehindertenausweis als Nachweis für die Behinderung vorzulegen, als Diskriminierung ausgelegt worden wäre - welche Erfahrungen haben da andere hier? Wäre mal interessant.
Erfüllen ausländische "Schwerbehindertenausweise" nicht die Anforderungen nach SGB IX, wird idR ein neues Feststellungsverfahren zu durchlaufen sein. Sonst wäre es eine ungerechtfertigte Besserstellung.

Die Weigerung, einen solchen Nachweis zu erbringen, ist sicher keine vertrauensbildende Maßnahme im Rahmen des sich möglicherweise anbahnenden Arbeitsverhältnisses. Der Schwerbehindertenausweis hat deklaratorische Funktion. Von willkürlichen detaillierten Rückfragen ohne dass o. g. Grund vorliegt ist dem AG aber abzuraten. Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigung(en) - nicht die Diagnose oder festgestellte Behinderung selbst - muss der Bewerber dem AG jedenfalls dann mitteilen, wenn sie für den Arbeitsplatz bzw. die angestrebte Tätigkeit von ausschlaggebender Bedeutung sind.
albarracin
Beiträge: 170
Registriert: Freitag 21. Januar 2022, 08:47

Re: Bewerber gibt Schwerbehinderung an - ohne Nachweis

Beitrag von albarracin »

Hallo,

wie schon geschrieben ist es ein elementarer Rechtsgrundsatz, daß bei Inanspruchnahme von Rechten auch nachgewiesen werden muß, daß man/frau auch zur Inanspruchnahme dieser Rechte tatsächlich berechtigt ist.
Gemeinsam mit HR versuche ich zu klären, inwieweit der privatwirtschaftl. AG während des Bewerbungsverfahrens berechtigt ist einen Nachweis anzufragen.
Für die Schwerbehinderung ist dieser Grundsatz ausdrücklich in § 152 Abs. 5 Satz 2 SGB IX niedergelegt.
"Der Ausweis dient dem Nachweis für die Inanspruchnahme von Leistungen und sonstigen Hilfen, die schwerbehinderten Menschen nach diesem Teil oder nach anderen Vorschriften zustehen."
Daran gibt es mE nichts herumzudeuteln. Will ein*e Stellenbewerber*in im Bewerbungsverfahren die besonderen Rechte aus dem SGB IX in Anspruch nehmen, muß die Berechtigung durch Vorlage des Ausweises bzw. einer Ausweiskopie auf Verlangen auch nachgewiesen werden.

Etwas völlig anderes ist dieser Sachverhalt:
der AG stellt Rückfragen in einer frühen Phase des Bewerbungsverfahrens nach Details zur angegebenen Schwerbehinderung,
Die einzelnen Funktionseinschränkungen gehen den AG grundsätzlich nichts an. Nachfragen zur Art der Behinderung sind grundsätzlich unzulässig und sind idR ein Indiz für Diskriminierung, falls der/die Bewerber*in abgelehnt wird.

Ein*e Bewerber*in ist nach dem Grundsatz von "Treu und Glauben" gem. § 242 BGB
https://www.gesetze-im-internet.de/bgb/__242.html
verpflichtet, Einschränkungen, die sich auf die geforderte Arbeitsleistung auswirken können, anzugeben. Der AG muß idR darauf vertrauen, daß ein*e Bewerber*in dieser Pflicht nachkommt.
Und bei (begründeten) Zweifeln an der gesundheitlichen Eignung von Bewerber*innen muß eben medizinisch abgeklärt werden (zB durch eine arbeitsmedizinische Untersuchung), ob eine Bewerbung die geforderten Eignungen erfüllt.
&tschüß
Wolfgang
Bodie
Beiträge: 9
Registriert: Montag 9. Januar 2023, 16:14

Re: Bewerber gibt Schwerbehinderung an - ohne Nachweis

Beitrag von Bodie »

albarracin hat geschrieben: Dienstag 10. Januar 2023, 14:23 Hallo,

wie schon geschrieben ist es ein elementarer Rechtsgrundsatz, daß bei Inanspruchnahme von Rechten auch nachgewiesen werden muß, daß man/frau auch zur Inanspruchnahme dieser Rechte tatsächlich berechtigt ist.
Gemeinsam mit HR versuche ich zu klären, inwieweit der privatwirtschaftl. AG während des Bewerbungsverfahrens berechtigt ist einen Nachweis anzufragen.
Für die Schwerbehinderung ist dieser Grundsatz ausdrücklich in § 152 Abs. 5 Satz 2 SGB IX niedergelegt.
"Der Ausweis dient dem Nachweis für die Inanspruchnahme von Leistungen und sonstigen Hilfen, die schwerbehinderten Menschen nach diesem Teil oder nach anderen Vorschriften zustehen."
Daran gibt es mE nichts herumzudeuteln. Will ein*e Stellenbewerber*in im Bewerbungsverfahren die besonderen Rechte aus dem SGB IX in Anspruch nehmen, muß die Berechtigung durch Vorlage des Ausweises bzw. einer Ausweiskopie auf Verlangen auch nachgewiesen werden.

Etwas völlig anderes ist dieser Sachverhalt:
der AG stellt Rückfragen in einer frühen Phase des Bewerbungsverfahrens nach Details zur angegebenen Schwerbehinderung,
Die einzelnen Funktionseinschränkungen gehen den AG grundsätzlich nichts an. Nachfragen zur Art der Behinderung sind grundsätzlich unzulässig und sind idR ein Indiz für Diskriminierung, falls der/die Bewerber*in abgelehnt wird.

Ein*e Bewerber*in ist nach dem Grundsatz von "Treu und Glauben" gem. § 242 BGB
https://www.gesetze-im-internet.de/bgb/__242.html
verpflichtet, Einschränkungen, die sich auf die geforderte Arbeitsleistung auswirken können, anzugeben. Der AG muß idR darauf vertrauen, daß ein*e Bewerber*in dieser Pflicht nachkommt.
Und bei (begründeten) Zweifeln an der gesundheitlichen Eignung von Bewerber*innen muß eben medizinisch abgeklärt werden (zB durch eine arbeitsmedizinische Untersuchung), ob eine Bewerbung die geforderten Eignungen erfüllt.

N'Abend!

Für mein Verständnis eine wunderbar differenzierte Antwort, aber auch der vorherige Beitrag hilft mir. Vielen Dank!!
CVedder
Beiträge: 347
Registriert: Dienstag 2. November 2010, 11:14

Re: Bewerber gibt Schwerbehinderung an - ohne Nachweis

Beitrag von CVedder »

Hallo in die Diskussionsrunde,

ich möchte noch etwas nachlegen, denn es gibt ein BAG Urteil aus dem Jahr 2020 zu folgender Fragestellung, welche wir mit unserer Juristin im Fachseminar dazu thematisiert haben:

Darf ein Arbeitgeber einen Nachweis der Schwerbehinderung oder Gleichstellung im Vorfeld der Einladung oder als Bedingung der Einladung fordern?

Ein solches Verlangen wäre nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht zulässig. Es ist davon auszugehen, dass ein solches Verlangen im Streitfall durch die Gerichte als Indiz für eine Benachteiligung wegen der Behinderung nach §§ 1, 7, 15 AGG - in Form des Verstoßes bzw. in Form der nicht-ordnungsgemäßen Anwendung der Förderpflichten, die zugunsten schwerbehinderter Menschen zu beachten sind - gewertet würde.

Das Bundesarbeitsgericht hat im Jahr 2020 (BAG, Urteil vom 26. November 2020 – 8 AZR 59/20 –, Rn. 37, juris) nochmals klargestellt, dass die Einladungspflicht gerade nicht verlange, dass der Bewerber einen Nachweis über die Schwerbehinderung oder Gleichstellung vorlege. Es reiche, wenn er in der Bewerbung auf das Vorleigen hinweise.

Die Angabe des Grades der Behinderung oder etwa die Vorlage einer Kopie der ersten Seite des Schwerbehindertenausweises sei nicht - auch nicht aus Gründen der Rechtssicherheit - erforderlich.

Sofern der Arbeitgeber im Einzelfall einen Bewerber zu dem in § 165 Satz 3 SGB IX vorgesehenen Vorstellungsgespräch einlade, obgleich er hierzu nicht verpflichtet sei, weil der Bewerber tatsächlich nicht schwerbehindert sei, dies nach dem Sinn und Zweck der zugunsten der schwerbehinderten Menschen getroffenen Bestimmungen hinzunehmen sei (BAG, a.a.O., Rn. 37, juris).

Begründet wird dies damit, dass die im SGB IX zugunsten schwerbehinderter Menschen getroffenen Bestimmungen zum Ziel hätten, die Teilhabechancen dieser Menschen am Arbeitsleben zu verbessern. So sollten schwerbehinderte Bewerber/innen beispielsweise durch das in § 165 Satz 3 SGB IX genannte Vorstellungsgespräch die Möglichkeit erhalten, den Arbeitgeber von ihrer Eignung (im weitesten Sinne) zu überzeugen und damit einen nach den bisherigen Umständen ggf. bestehenden Vorsprung anderer Bewerber durch einen persönlichen Eindruck auszugleichen. Darüber hinaus stelle das Vorstellungsgespräch auch ein geeignetes Mittel dar, um eventuelle Vorbehalte oder gar Vorurteile auszuräumen (vgl. BAG 25. Juni 2020 - 8 AZR 75/19 - Rn. 38 mwN). Die Erreichung dieser Ziele würde erschwert, wenn es für eine ausreichende Mitteilung der Schwerbehinderung auch erforderlich wäre, den GdB mitzuteilen. Insoweit stünde zu befürchten, dass insbesondere Menschen mit einem sehr hohen GdB, die im Arbeitsleben besonderen Vorbehalten ausgesetzt sein können, von vornherein davon absehen, ihre Schwerbehinderung mitzuteilen mit der Folge, dass die zu ihren Gunsten bestehenden Verfahrens- und/oder Förderpflichten des Arbeitgebers erst gar nicht ausgelöst würden.


Viele Grüße
Christian Vedder
Bodie
Beiträge: 9
Registriert: Montag 9. Januar 2023, 16:14

Re: Bewerber gibt Schwerbehinderung an - ohne Nachweis

Beitrag von Bodie »

CVedder hat geschrieben: Dienstag 2. Mai 2023, 13:02 Hallo in die Diskussionsrunde,

ich möchte noch etwas nachlegen, denn es gibt ein BAG Urteil aus dem Jahr 2020 zu folgender Fragestellung, welche wir mit unserer Juristin im Fachseminar dazu thematisiert haben:

Darf ein Arbeitgeber einen Nachweis der Schwerbehinderung oder Gleichstellung im Vorfeld der Einladung oder als Bedingung der Einladung fordern?

Ein solches Verlangen wäre nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht zulässig. Es ist davon auszugehen, dass ein solches Verlangen im Streitfall durch die Gerichte als Indiz für eine Benachteiligung wegen der Behinderung nach §§ 1, 7, 15 AGG - in Form des Verstoßes bzw. in Form der nicht-ordnungsgemäßen Anwendung der Förderpflichten, die zugunsten schwerbehinderter Menschen zu beachten sind - gewertet würde.

Das Bundesarbeitsgericht hat im Jahr 2020 (BAG, Urteil vom 26. November 2020 – 8 AZR 59/20 –, Rn. 37, juris) nochmals klargestellt, dass die Einladungspflicht gerade nicht verlange, dass der Bewerber einen Nachweis über die Schwerbehinderung oder Gleichstellung vorlege. Es reiche, wenn er in der Bewerbung auf das Vorleigen hinweise.

Die Angabe des Grades der Behinderung oder etwa die Vorlage einer Kopie der ersten Seite des Schwerbehindertenausweises sei nicht - auch nicht aus Gründen der Rechtssicherheit - erforderlich.

Sofern der Arbeitgeber im Einzelfall einen Bewerber zu dem in § 165 Satz 3 SGB IX vorgesehenen Vorstellungsgespräch einlade, obgleich er hierzu nicht verpflichtet sei, weil der Bewerber tatsächlich nicht schwerbehindert sei, dies nach dem Sinn und Zweck der zugunsten der schwerbehinderten Menschen getroffenen Bestimmungen hinzunehmen sei (BAG, a.a.O., Rn. 37, juris).

Begründet wird dies damit, dass die im SGB IX zugunsten schwerbehinderter Menschen getroffenen Bestimmungen zum Ziel hätten, die Teilhabechancen dieser Menschen am Arbeitsleben zu verbessern. So sollten schwerbehinderte Bewerber/innen beispielsweise durch das in § 165 Satz 3 SGB IX genannte Vorstellungsgespräch die Möglichkeit erhalten, den Arbeitgeber von ihrer Eignung (im weitesten Sinne) zu überzeugen und damit einen nach den bisherigen Umständen ggf. bestehenden Vorsprung anderer Bewerber durch einen persönlichen Eindruck auszugleichen. Darüber hinaus stelle das Vorstellungsgespräch auch ein geeignetes Mittel dar, um eventuelle Vorbehalte oder gar Vorurteile auszuräumen (vgl. BAG 25. Juni 2020 - 8 AZR 75/19 - Rn. 38 mwN). Die Erreichung dieser Ziele würde erschwert, wenn es für eine ausreichende Mitteilung der Schwerbehinderung auch erforderlich wäre, den GdB mitzuteilen. Insoweit stünde zu befürchten, dass insbesondere Menschen mit einem sehr hohen GdB, die im Arbeitsleben besonderen Vorbehalten ausgesetzt sein können, von vornherein davon absehen, ihre Schwerbehinderung mitzuteilen mit der Folge, dass die zu ihren Gunsten bestehenden Verfahrens- und/oder Förderpflichten des Arbeitgebers erst gar nicht ausgelöst würden.


Viele Grüße
Christian Vedder

Hallo Christian,

diesen Beitrag finde ich sehr interessant, vielen Dank!

Es ist, nachdem ich auch fachanwaltliche Positionen gesehen habe, eindeutig, dass die Meinungen in dieser Frage auch unter den Fachleuten und in der Rechtsprechung differieren.


Grüße, Bodie
jada.wasi
Beiträge: 395
Registriert: Freitag 30. März 2012, 16:30

Bewerber gibt Schwerbehinderung an - ohne Nachweis

Beitrag von jada.wasi »

Bodie hat geschrieben: Dienstag 2. Mai 2023, 13:57 … es ist eindeutig, dass Meinungen in dieser Frage auch in der Rechtsprechung differieren.
Hallo Bodie,

das mag schon sein, dass unterschiedliche Ansichten in der Instanzenrechtsprechung in BaWü. Aber maßgeblich ist hier das von Christian Vedder zitierte BAG, 26.11.2020 – 8 AZR 59/20, Rn. 37. Denn das BAG hat hier eindeutig das letzte Wort, bestätigt zuletzt durch BAG vom 01.07.2021 - 8 AZR 297/20, Rn. 28. Zur Rechtsprechungsänderung siehe BAG, 22.10.2015 - 8 AZR 384/14, Rn. 40.

albarracin hat geschrieben: Dienstag 10. Januar 2023, 14:23 … wie schon geschrieben ist es ein elementarer Rechtsgrundsatz, daß bei Inanspruchnahme von Rechten auch nachgewiesen werden muß, daß man/frau auch zur Inanspruchnahme dieser Rechte tatsächlich berechtigt ist.
Das sieht das BAG völlig anders:

Das ist so viel zu pauschal, jedenfalls für Bewerbungen, wie oben von Christian Vedder bereits wunderbar dargestellt mit Verweis auf die neuere BAG-RSpr. Demnach ist auch diese vom Fragesteller oben zitierte pauschale Behauptung zum Nachweis natürlich falsch laut BAG. Gruß Jada Wasi
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