Wahlrecht in welcher Dienststelle?
-
- Beiträge: 88
- Registriert: Dienstag 2. November 2010, 11:14
Re: Wahlrecht in welcher Dienststelle?
Hallo zusammen, gemäß der BIH-Entscheidungstabelle zur "Personalgestellung" in gestellender (abgebender) Dienststelle werden sbM zwar dort gezählt (Seite 23), dürfen jedoch dort nicht mitwählen (Seite 44). Dachte immer: Wer zählt, der wählt. Hat sich da was geändert? Danke! Magdalena
-
- Beiträge: 77
- Registriert: Dienstag 1. November 2016, 18:50
Re: Wahlrecht in welcher Dienststelle?
Ausgehend von dem Denksatz, dass es für das aktive SBV-Wahlrecht allein auf die Beschäftigung in der Dienststelle ankommt und nicht auch noch auf Zugehörigkeitsfristen, wie sie etwa in manchen Personalvertretungsgesetzen vorgegeben sind, dürfte die BIH-Tabelle in diesem Punkt fehlerhaft sein. Das SGB IX ist Bundesrecht und regelt das aktive Wahlrecht für die SBV abschließend.
Viele Grüße
Michael Karpf
Viele Grüße
Michael Karpf
-
- Beiträge: 701
- Registriert: Mittwoch 10. November 2010, 14:55
Wahlrecht bei Personalgestellung? (in abgebender Dienststelle?)
- »Formel: aus Absatz 1 folgt Absatz 2«
Richtig! Auch in dem neuen § 177 Abs. 2 SGB IX und in der „Legaldefinition“ in § 1 Abs. 2 SchwbVWO steht nichts (dergleichen) von solchen Zugehörigkeitsfristen. Hätte der Bundesgesetzgeber des SGB IX was anderes gewollt, so hätte er das in das SGB IX aufgenommen. Dies hat er jedoch nicht getan – auch niemals zuvor im SchwbG.Dr. Michael Karpf hat geschrieben:..... allein auf die Beschäftigung in der Dienststelle ankommt und nicht auch auf Zugehörigkeitsfristen
Dr. Michael Karpf hat geschrieben:dürfte die BIH-Tabelle in diesem Punkt fehlerhaft sein. Das SGB IX ist Bundesrecht und regelt das aktive Wahlrecht für die SBV abschließend.
JA - BIH-Entscheidungstabellen definitiv fehlerbehaftet,
weil in sich widersprüchlich: Kombination gibt’s so nicht
bei den Personalgestellungen - sowie auch sonst nicht!
JA, Ihre Annahme ist zwingend lt. Fachschrifttum!Magdalena Mayer hat geschrieben: ... Wer zählt, der wählt?
Das sehe ich genauso: Wer gezählt wird, der darf auch wählen nach § 177 Abs. 1 und 2 SGB IX. Denn wer alle Voraussetzung(en) nach Absatz 1 erfüllt zum Zählen, der erfüllt dann zwangsläufig (stets) auch sämtliche Kriterien laut Abs. 2 zum Wählen. Grund: Keine höhere Voraussetzung in Absatz 2 als in Absatz 1. Folglich Formel: Absatz 1 ➠ Absatz 2. Demnach ist denklogisch ausgeschlossen, wonach jemand gezählt wird, dieser jedoch nicht wählen dürfe – entgegen BIH-Wahlbroschüre Seite 23/44. Daher „beißen“ sich m.E. die beiden BIH-Entscheidungstabellen zur Personalgestellung (gemeint wohl jeweils: in gestellender Dienststelle statt: im gestellenden Betrieb?) - egal ob nun Gestellung laut § 4 Abs. 3 TVöD oder TV-L. Der Beschäftigtenbegriff in § 177 Abs. 1 Satz 1 SGB IX („beschäftigt“) ist „identisch“ und deckungsgleich „nach allen üblichen Auslegungsmethoden“ mit dem Beschäftigtenbegriff in § 177 Abs. 2 SGB IX („beschäftigten“) gemäß Fachschrifttum*) Weitere Anforderungen enthält § 177 II SGB IX nicht - insbesondere verlangt dieser offenkundig keine über § 177 I SGB IX hinausgehende Anforderung: Die Tabellen müssen also insoweit überprüft werden, da nicht gegen „Gesetze der Logik“ ausgelegt werden darf. Wer als Beschäftigter anzusehen ist nach Absatz 1, der muss_selbstverständlich auch als Beschäftigter gemäß §_177 Abs. 2 angesehen werden – sonst reine Willkür, weil jeweils identische Beschäftigtenbegriffe lt. h.M.**) Vgl._dazu auch konträre Diskussion zur abgebenden Dienststelle von 2014 bis 2018.
Demnach ist Gegenansicht abzulehnen: Denn wer die zwei Voraussetzungen für das Zählen erfüllt („nicht nur vorübergehend beschäftigt“) im Absatz 1 – erfüllt dann natürlich stets auch die Voraussetzung vorübergehend „beschäftigt“ für das Wählen in Absatz 2 – was keiner weiteren Begründung bedarf.
Davon ist mir nichts bekannt für‘s SBV-Wahlrecht lt. § 177 Abs. 1 und 2 SGB IX (abgesehen von den Soldaten nach Absatz 4). Jedenfalls nichts bezüglich Gestellung im BTHG 2016, und auch nichts im AÜG 2017, obgleich das teilweise vereinzelt bezüglich der Personalgestellung u.a. vertreten wird (BIH-Broschüre Seite 20). In den Gesetzesmaterialien zum AÜG-ÄndG 2017, zuletzt geändert 2019, findet sich kein Hinweis zur (vermeintlichen) Absicht, das SBV-Wahlrecht in die eine oder andere Richtung nach § 177 Absatz 1 und/oder Abs. 2 SGB IX ändern zu wollen, soweit ersichtlich: Nichts für die abgebende Dienststelle (so wie hier), und nichts für die aufnehmenden Betriebe „privatrechtlich organisierter Unternehmen“.Magdalena Mayer hat geschrieben:Hat sich da was geändert?
Darüber, inwieweit Personalgestellung verfassungs- bzw. europarechtskonform ist, ist beim BAG - 10 AZR 144/19, eine Revision anhängig. Vergl. dazu ausführlich Hamann, jurisPR-ArbR 19/2019 Anm. 3 zu § 1 Abs. 3 Nr. 2b AÜG. „Grundsätzliche Bedeutung haben insbesondere die Fragen der Voraussetzungen einer Personalgestellung i.S.d. § 4 Abs. 3 TVöD sowie einer etwaigen Verfassungswidrigkeit und eines Verstoßes des § 1 Abs. 3 Ziffer 2b AÜG gegen die Leiharbeitsrichtlinie 2008/104/EG“ lt. LAG Mainz, Urteil vom 06.02.2019 - 7 Sa 515/17, Rn. 148 (offen lassend: BAG vom 18.07.2017 - 1 ABR 15/16 - Rn. 29).
Wie das BAG (bzw. der EuGH) auch immer entscheidet: Am (aktiven) SBV-Wahlrecht wird sich dadurch insoweit nichts ändern.
Viele Grüße
Albin Göbel
...................
*) Sachadae, Wahl der SBV, Diss. 2013 Seite 210-212; so
im Ergebnis zu Recht auch Adlhoch in Ernst/Adlhoch/Seel
SGB IX, Rn. 25 zu § 94 SGB IX; FKS-SGB IX, § 94 Rn 22
**) Etwas anderes wäre allenfalls dann denkbar, wenn der
sbM zwischen Einleitung der Wahl und dem Wahltag etwa
kurzfristig ausscheiden würde laut § 4 Abs. 3 SchwbVWO.
.
-
- Beiträge: 701
- Registriert: Mittwoch 10. November 2010, 14:55
AW: Wahlrecht bei Abordnung und Zuweisung? ZTR 10.2019
NACHTRAG
Abordnung, Gestellung, Leiharbeit, Zuweisung
Zur str. Rechtsfrage des aktiven SBV-Wahlrechts bei
• Abordnung von einer Dienststelle zu einer anderen
• Zuweisung von einer Dienststelle zu einer Einrichtung
vgl grdl. Düwell in ZTR-Zeitschrift für Tarif-, Arbeits- und Sozialrecht des öffentlichen Dienstes, Ausgabe 10/2019, „Personalvertretungsrecht im Widerstreit zum SGB IX – Die Wahlberechtigung abgeordneter, zugewiesener und abkommandierter schwerbehinderter Menschen“ Ferner LPK-SGB IX, 5. Aufl. 2019, § 177 Rn. 16 (am Ende), wie nachfolgend zitiert:
Soweit im Personalvertretungsrecht der Ausschluss von
der aktiven Wahlberechtigung geregelt ist, hat dieser für
die SBV-Wahlen keine Bedeutung, denn nach § 177 Ab-
satz 2 SGB IX sind alle in der Dienststelle beschäftigten
schwerbehinderten Menschen wahlberechtigt.“
• Kontextlink, HSBV Berlin
Praxisfragen zur Abordnung
Behindertenrecht, br 1/2021
Sonderfall Leiharbeit in Hessen?
NEIN - die Rspr. ist nicht „übertragbar“ auf SBV-Wahlen!
Das gilt aus denselben Gesichtspunkten z.B. auch für in Dienststellen in Hessen (HPVG) eingesetzte Leiharbeitskräfte, wonach stets ab dem ersten Tag für die SBV wahlberechtigt sind - unabhängig von einer über 3-monatigen Einsatzdauer beim Entleiher und unabhängig vom Personalvertretungsrecht in Hessen (ausführlich VGH Hessen, 18.11.2010 – 22 A 959/10.PV, für PR-Wahlen); a.A. wohl noch BIH-Wahlbroschüre, S. 42 für SBV-Wahlen, wonach pauschal „diese Rspr. auch auf die Wahl der Schwerbehindertenvertretung in Hessen übertragbar“ sei: Die VGH-Rechtsprechung ist - jedenfalls soweit es ums aktive PR-Wahlrecht in HPVG-Dienststellen geht, auf die dortigen SBV-Wahlen nicht „übertragbar“ – weil es schon an den Grundvoraussetzungen einer solchen das SBV-Wahlrecht einschränkenden „analogen“ Anwendung fehlt laut ständiger Rspr. (vergleiche zu den Voraussetzungen einer Analogie z.B. BAG vom 25.01.2018, 8 AZR 309/16, B II 2, sowie BVerwG 22.09.2015, 5 P 12.14, Rn 34 zur PR-Wahl).
Hat der Gesetzgeber (wie hier) eine eindeutige Entscheidung getroffen, darf dieser Gesetzesbefehl von niemandem „aufgrund eigener (rechtspolitischer) Vorstellungen verändert oder durch eigene Lösung ersetzt“ werden in einem Rechtsstaat - so das BVerwG 2015 in der Rn. 34. Ferner BAG, 13.08.2019, 1 ABR 10/18, Rn. 33 ff. mwN: Danach kann nicht jedes Schweigen des Gesetzgebers - also der Normalfall, wenn er etwas nicht (oder nicht so wie_die Länder für PR-Wahlen) regeln will - als planwidrige Lücke aufgefasst und diese im Wege der Analogie ausgefüllt werden, so zuletzt auch der Erste Senat zum Analogieverbot.
Zusammengefasst
In Hessen gilt demnach für das aktive SBV-Wahlrecht in der Entleiherdienststelle nichts anderes als für den Rest der Republik - nämlich "bei Eintritt" statt erst nach über drei Monaten Einsatzdauer in Hessen – seit jeher!
NEIN - aktives SBV-Wahlenrecht hängt nicht davon ab!
Auch diese BIH-Ansicht ist gleichfalls abzulehnen kraft Gesetzes, da es eine solche Beschränkung für die SBV-Wahl nicht gibt und noch nie gab (vergl. oben). Nicht im öffentlichen Dienst und nicht in der Privatwirtschaft laut §_177 Abs. 2 SGB IX, der solche (zeitlichen) Beschränkungen bewusst nicht vorsieht fürs akt. SBV-Wahlrecht bundesweit: Insoweit gab es keine Rechtsänderung für SBV-Wahlen seit SchwbG 2000 – nicht durchs SGB IX 2001 – nicht durchs BetrVG-RefG 2001 – nicht durchs BTHG 2016 – nicht durchs AÜG 2017, oder sonst. So schon § 21 Abs. 2 SchwbG 1974, BGBl I 1974, Nr. 46, 1005, 1012: (2) Wahlberechtigt sind alle in dem Betrieb oder der Dienststelle beschäftigten Schwerbehinderten. Dieses aktive SBV-Wahlrecht mit Beginn der Leiharbeit besteht demnach unabhängig vom BR-Wahlrecht und unabhängig von der Einführung des bedingten aktiven Wahlrechts für den Betriebsrat nach § 7 Satz 2 BetrVG im_Jahr 2001 - und bestand schon lange zuvor!
Zusammengefasst
Bei Leiharbeit beginnt demnach das akt. SBV-Wahlrecht beim Entleiher stets bei Eintritt und nicht nur erst, wenn über drei-monatige Einsatzdauer geplant ist – seit jeher! Dies deshalb, da § 177 Absatz 2 SGB IX keine derartige Bedingung als Wahlvoraussetzung enthält – laut klarem Gesetzeswortlaut entgegen noch herrschender Ansicht: Ausschlaggebend ist in all diesen Fällen – dass dort (jedenfalls teils) Arbeitgeberfunktionen ausgeübt werden, etwa durch das gesetzliche Weisungsrecht i. S. des § 6 Absatz 2 i.V.m. § 106 GewO, und zwar von Anfang an; ebenso auch Dr. Sachadae, Die Wahl der Schwerbehindertenvertretung, in einer über 50-seitigen systematisch-wissenschaftlichen Untersuchung – (Dissertation 2013, Seite 123 ff.) – zu weisungsgebundenen Tätigkeiten.
Sonderfall Gestellung an Behörden?
NEIN - Landesrecht nicht anwendbar auf SBV-Wahl!
Auf die Dauer des geplanten oder auf die Dauer des tatsächlichen Einsatzes kommt es nicht an_beim akt. SBV-Wahlrecht – nicht bei einer Abordnung, nicht bei Leiharbeit, nicht bei Zuweisung – und aus demselben Grunde auch nicht bei der Gestellung i.S.d. § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG i.d.F. von 2009.
Grund ist bei Gestellung aber nicht, dass Gestellte seither betriebsverfassungsrechtlich »als Arbeitnehmer gelten« in Betrieben privatrechtlIch organisierter Unternehmen nach § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG (so aber BIH-Wahlbroschüre auf Seite 38/39, obwohl bloße Fiktion des BetrVG lediglich für BR-Wahlen*) der Arbeitnehmer-Legaldefinition in § 611a BGB 2017 n.F. In einigen Bundesländern ist der Fall der Personalgestellung bereits ausdrücklich landesgesetzlich geregelt. Einzig und alleine maßgeblich ist (jedoch) auch hier die abschließende Norm des § 177 Absatz 2 SGB IX für SBV-Wahlen (und keineswegs diese erst vor zehn Jahren vorgenommene BetrVG-Änderung 2009). Sofortiges generelles akt. SBV-Wahlrecht bei Personalgestellungen (gleich ob an Betrieb oder Dienststelle gestellt), bestand schon lange zuvor gemäß § 94 Abs. 2 SGB IX 2001 und früher nach § 24 Abs 2 SchwbG. Dazu drei Beispiele für Gestellung von Dienststellen oder von Einrichtungen jeweils an Dienststellen:
Beispiele
• Daher haben auch Gestellte sofortiges SBV-Wahlrecht bspw. im SAARLAND trotz „spezieller“ landesrechtlicher Fristvorgaben laut § 12 Absatz 2 SPersVG (Gestellung mindestens „seit drei Monaten“ für PR-Wahlen).
• Gleiches gilt u.a. auch in NRW trotz § 10 Abs 2 LPVG NRW (Gestellung „länger als sechs Monate“). Näheres hierzu in der Diskussion vom Juli 2018 zu „speziellen“ landesrechtlichen Zugehörigkeitsfristen bei Gestellung, wonach solche landesrechtliche Fristen für PR-Wahlen für‘s bundesrechtlich geregelte aktive SBV-Wahlrecht völlig belanglos sind bzw. unbeachtlich für alle Länder.
• Selbiges gilt auch für gestellte Lehrkräfte in BAYERN gemäß Personalkonzept des Art. 61 Abs. 1 BayEUG, welche per Gestellungsvertrag bspw mit der Tätigkeit an_staatl. Grundschulen beauftragt werden und dabei (kraft Gesetzes) fachlichem Weisungsrecht des staatl. Schulamts unterliegen.
Begriffliches: Der Begriff „Gestellung“ wird uneinheitlich gebraucht, mal als Oberbegriff und mal anders, z.B. im oben zitierten Landesrecht, im TVöD, in Literatur und in Rspr. Wie dem auch sei: aktiv. SBV-Wahlrecht entsteht stets ab dem ersten Tag der Gestellung.
Rechtsvergleich
Es wäre rechtsvergleichend auch komplett zweck- und sinnfrei, bei Leiharbeit in hessischen Dienststellen erst nach über 3-monatiger tatsächlicher Einsatzdauer ein SBV-Wahlrecht anzunehmen, aber z.B. in hessischen Betrieben bei einer über 3-monatigen geplanten Einsatzdauer. Beidem ist entschieden zu widersprechen! (Prof. Düwell, LPK-SGB IX, §_177 Rn. 16 Fußnote 70, wonach BIH-Begründung und die noch vorherrschende Lehrmeinung im Schrifttum klar abzulehnen ist). Da gilt nichts anders als bei sog. Personalgestellung an Dritte, nämlich SBV-Wahlrecht ab dem ersten Tag - seit jeher! Einen gegenteiligen Rechtssatz gibt es nicht.
Zuweisung an Jobcenter
Für SBV im Jobcenter („Gemeinsame Einrichtung“) gilt § 44i SGB II; sbM erhalten „von Beginn der Zuweisung an das aktive Wahlrecht“ (BR-Drs. 226/10 vom 23.04.2010, Seite 45) – nach zutreffender Ansicht der BReg.
Zusammengefasst
Bei Abordnung und bei Leiharbeit und bei Zuweisung beginnt das aktive SBV-Wahlrecht immer „bei Eintritt“ - von_Rechts wegen laut § 177 Absatz 2 SGB IX, sowie §_1 Absatz 2 SchwbVWO und § 4 Abs. 3 SchwbVWO, auch soweit das zuweilen für BR-/PR-Wahlen teilweise (noch) abweichend geregelt ist - entgegen BIH-Ansicht bzw. entgegen herrschender Meinung. Demnach weder „analoge“ Anwendung (mangels Gesetzeslücke!) noch „entsprechende“ bzw. sinngem. Anwendung (mangels Gesetzesverweise). Mehrere (!) von Land zu Land verschiedene Analogien statt einer für ein und denselben Sachverhalt wären ohnehin von vornherein ein Widerspruch in sich – und m.E. schon deshalb denklogisch ausgeschlossen! Mehr als eine Analogie gibt es nicht: Wäre ansonsten ja alles „mehrdeutig“ statt eindeutig. „Eine Analogie“ mit mehreren (und daher sich widersprechenden) Ergebnissen ist gerade keine Analogie, sondern x-beliebige Interpretation – daher verbotene „Rechtsfortbildung“.
Vergleiche auch Marcus Bertz, Arbeitnehmer- versus Beschäftigtenbegriff: Zum Unterschied zwischen dem Beschäftigtenbegriff im Arbeitsrecht und Sozialrecht - wonach Bertz Gesetzgeber zum Handeln auffordert.
NJW Spezial 24/2019, Seite 754 - 755.
Viele Grüße
Albin Göbel
——————
*) BIH-Wahlbroschüre, Seite 38/39
„Falls keine besonderen Regelungen im Personalgestellungsvertrag getroffen wurden, findet § 5 Absatz 1 Satz 3 BetrVG Anwendung. Danach werden Beamte, Soldaten sowie Beschäftigte des öffentlichen Dienstes einschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten, die in privatrechtlich organisierten Unternehmen tätig sind, für die Dauer der tatsächlichen Beschäftigung als Arbeitnehmer des Beschäftigungsbetriebs angesehen.38) Die im Wege der Personalgestellung Betrieben der Privatwirtschaft überlassenen Beschäftigten haben somit das akt. Wahlrecht beim Beschäftigungsbetrieb (Entleiher) vom ersten Tag der Beschäftigungsaufnahme an...“
Abordnung, Gestellung, Leiharbeit, Zuweisung
Zur str. Rechtsfrage des aktiven SBV-Wahlrechts bei
• Abordnung von einer Dienststelle zu einer anderen
• Zuweisung von einer Dienststelle zu einer Einrichtung
vgl grdl. Düwell in ZTR-Zeitschrift für Tarif-, Arbeits- und Sozialrecht des öffentlichen Dienstes, Ausgabe 10/2019, „Personalvertretungsrecht im Widerstreit zum SGB IX – Die Wahlberechtigung abgeordneter, zugewiesener und abkommandierter schwerbehinderter Menschen“ Ferner LPK-SGB IX, 5. Aufl. 2019, § 177 Rn. 16 (am Ende), wie nachfolgend zitiert:
Soweit im Personalvertretungsrecht der Ausschluss von
der aktiven Wahlberechtigung geregelt ist, hat dieser für
die SBV-Wahlen keine Bedeutung, denn nach § 177 Ab-
satz 2 SGB IX sind alle in der Dienststelle beschäftigten
schwerbehinderten Menschen wahlberechtigt.“
• Kontextlink, HSBV Berlin
Praxisfragen zur Abordnung
Behindertenrecht, br 1/2021
BIH-Wahlbroschüre hat geschrieben:[Seite 39] Nach der Rechtsprechung zum Landespersonalvertretungsgesetz steht in Hessen Leiharbeitnehmern nach einer Beschäftigungsdauer von länger als drei Monaten ein aktives Wahlrecht zu. Diese Rechtsprechung ist auch auf die Wahl der Schwerbehindertenvertretung in Hessen übertragbar (Kap. 3.1)
Sonderfall Leiharbeit in Hessen?
NEIN - die Rspr. ist nicht „übertragbar“ auf SBV-Wahlen!
Das gilt aus denselben Gesichtspunkten z.B. auch für in Dienststellen in Hessen (HPVG) eingesetzte Leiharbeitskräfte, wonach stets ab dem ersten Tag für die SBV wahlberechtigt sind - unabhängig von einer über 3-monatigen Einsatzdauer beim Entleiher und unabhängig vom Personalvertretungsrecht in Hessen (ausführlich VGH Hessen, 18.11.2010 – 22 A 959/10.PV, für PR-Wahlen); a.A. wohl noch BIH-Wahlbroschüre, S. 42 für SBV-Wahlen, wonach pauschal „diese Rspr. auch auf die Wahl der Schwerbehindertenvertretung in Hessen übertragbar“ sei: Die VGH-Rechtsprechung ist - jedenfalls soweit es ums aktive PR-Wahlrecht in HPVG-Dienststellen geht, auf die dortigen SBV-Wahlen nicht „übertragbar“ – weil es schon an den Grundvoraussetzungen einer solchen das SBV-Wahlrecht einschränkenden „analogen“ Anwendung fehlt laut ständiger Rspr. (vergleiche zu den Voraussetzungen einer Analogie z.B. BAG vom 25.01.2018, 8 AZR 309/16, B II 2, sowie BVerwG 22.09.2015, 5 P 12.14, Rn 34 zur PR-Wahl).
Hat der Gesetzgeber (wie hier) eine eindeutige Entscheidung getroffen, darf dieser Gesetzesbefehl von niemandem „aufgrund eigener (rechtspolitischer) Vorstellungen verändert oder durch eigene Lösung ersetzt“ werden in einem Rechtsstaat - so das BVerwG 2015 in der Rn. 34. Ferner BAG, 13.08.2019, 1 ABR 10/18, Rn. 33 ff. mwN: Danach kann nicht jedes Schweigen des Gesetzgebers - also der Normalfall, wenn er etwas nicht (oder nicht so wie_die Länder für PR-Wahlen) regeln will - als planwidrige Lücke aufgefasst und diese im Wege der Analogie ausgefüllt werden, so zuletzt auch der Erste Senat zum Analogieverbot.
Zusammengefasst
In Hessen gilt demnach für das aktive SBV-Wahlrecht in der Entleiherdienststelle nichts anderes als für den Rest der Republik - nämlich "bei Eintritt" statt erst nach über drei Monaten Einsatzdauer in Hessen – seit jeher!
Sonderfall Leiharbeit in Betrieben?ZB Info 1|2018 (Seite 6) hat geschrieben:Noch Fragen? Wahlberechtigt sind auch schwerbehinderte Leiharbeitnehmer, die länger als drei Monate im Entleiherbetrieb eingesetzt werden.
NEIN - aktives SBV-Wahlenrecht hängt nicht davon ab!
Auch diese BIH-Ansicht ist gleichfalls abzulehnen kraft Gesetzes, da es eine solche Beschränkung für die SBV-Wahl nicht gibt und noch nie gab (vergl. oben). Nicht im öffentlichen Dienst und nicht in der Privatwirtschaft laut §_177 Abs. 2 SGB IX, der solche (zeitlichen) Beschränkungen bewusst nicht vorsieht fürs akt. SBV-Wahlrecht bundesweit: Insoweit gab es keine Rechtsänderung für SBV-Wahlen seit SchwbG 2000 – nicht durchs SGB IX 2001 – nicht durchs BetrVG-RefG 2001 – nicht durchs BTHG 2016 – nicht durchs AÜG 2017, oder sonst. So schon § 21 Abs. 2 SchwbG 1974, BGBl I 1974, Nr. 46, 1005, 1012: (2) Wahlberechtigt sind alle in dem Betrieb oder der Dienststelle beschäftigten Schwerbehinderten. Dieses aktive SBV-Wahlrecht mit Beginn der Leiharbeit besteht demnach unabhängig vom BR-Wahlrecht und unabhängig von der Einführung des bedingten aktiven Wahlrechts für den Betriebsrat nach § 7 Satz 2 BetrVG im_Jahr 2001 - und bestand schon lange zuvor!
Zusammengefasst
Bei Leiharbeit beginnt demnach das akt. SBV-Wahlrecht beim Entleiher stets bei Eintritt und nicht nur erst, wenn über drei-monatige Einsatzdauer geplant ist – seit jeher! Dies deshalb, da § 177 Absatz 2 SGB IX keine derartige Bedingung als Wahlvoraussetzung enthält – laut klarem Gesetzeswortlaut entgegen noch herrschender Ansicht: Ausschlaggebend ist in all diesen Fällen – dass dort (jedenfalls teils) Arbeitgeberfunktionen ausgeübt werden, etwa durch das gesetzliche Weisungsrecht i. S. des § 6 Absatz 2 i.V.m. § 106 GewO, und zwar von Anfang an; ebenso auch Dr. Sachadae, Die Wahl der Schwerbehindertenvertretung, in einer über 50-seitigen systematisch-wissenschaftlichen Untersuchung – (Dissertation 2013, Seite 123 ff.) – zu weisungsgebundenen Tätigkeiten.
Sonderfall Gestellung an Behörden?
NEIN - Landesrecht nicht anwendbar auf SBV-Wahl!
Auf die Dauer des geplanten oder auf die Dauer des tatsächlichen Einsatzes kommt es nicht an_beim akt. SBV-Wahlrecht – nicht bei einer Abordnung, nicht bei Leiharbeit, nicht bei Zuweisung – und aus demselben Grunde auch nicht bei der Gestellung i.S.d. § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG i.d.F. von 2009.
Grund ist bei Gestellung aber nicht, dass Gestellte seither betriebsverfassungsrechtlich »als Arbeitnehmer gelten« in Betrieben privatrechtlIch organisierter Unternehmen nach § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG (so aber BIH-Wahlbroschüre auf Seite 38/39, obwohl bloße Fiktion des BetrVG lediglich für BR-Wahlen*) der Arbeitnehmer-Legaldefinition in § 611a BGB 2017 n.F. In einigen Bundesländern ist der Fall der Personalgestellung bereits ausdrücklich landesgesetzlich geregelt. Einzig und alleine maßgeblich ist (jedoch) auch hier die abschließende Norm des § 177 Absatz 2 SGB IX für SBV-Wahlen (und keineswegs diese erst vor zehn Jahren vorgenommene BetrVG-Änderung 2009). Sofortiges generelles akt. SBV-Wahlrecht bei Personalgestellungen (gleich ob an Betrieb oder Dienststelle gestellt), bestand schon lange zuvor gemäß § 94 Abs. 2 SGB IX 2001 und früher nach § 24 Abs 2 SchwbG. Dazu drei Beispiele für Gestellung von Dienststellen oder von Einrichtungen jeweils an Dienststellen:
Beispiele
• Daher haben auch Gestellte sofortiges SBV-Wahlrecht bspw. im SAARLAND trotz „spezieller“ landesrechtlicher Fristvorgaben laut § 12 Absatz 2 SPersVG (Gestellung mindestens „seit drei Monaten“ für PR-Wahlen).
• Gleiches gilt u.a. auch in NRW trotz § 10 Abs 2 LPVG NRW (Gestellung „länger als sechs Monate“). Näheres hierzu in der Diskussion vom Juli 2018 zu „speziellen“ landesrechtlichen Zugehörigkeitsfristen bei Gestellung, wonach solche landesrechtliche Fristen für PR-Wahlen für‘s bundesrechtlich geregelte aktive SBV-Wahlrecht völlig belanglos sind bzw. unbeachtlich für alle Länder.
• Selbiges gilt auch für gestellte Lehrkräfte in BAYERN gemäß Personalkonzept des Art. 61 Abs. 1 BayEUG, welche per Gestellungsvertrag bspw mit der Tätigkeit an_staatl. Grundschulen beauftragt werden und dabei (kraft Gesetzes) fachlichem Weisungsrecht des staatl. Schulamts unterliegen.
Begriffliches: Der Begriff „Gestellung“ wird uneinheitlich gebraucht, mal als Oberbegriff und mal anders, z.B. im oben zitierten Landesrecht, im TVöD, in Literatur und in Rspr. Wie dem auch sei: aktiv. SBV-Wahlrecht entsteht stets ab dem ersten Tag der Gestellung.
Rechtsvergleich
Es wäre rechtsvergleichend auch komplett zweck- und sinnfrei, bei Leiharbeit in hessischen Dienststellen erst nach über 3-monatiger tatsächlicher Einsatzdauer ein SBV-Wahlrecht anzunehmen, aber z.B. in hessischen Betrieben bei einer über 3-monatigen geplanten Einsatzdauer. Beidem ist entschieden zu widersprechen! (Prof. Düwell, LPK-SGB IX, §_177 Rn. 16 Fußnote 70, wonach BIH-Begründung und die noch vorherrschende Lehrmeinung im Schrifttum klar abzulehnen ist). Da gilt nichts anders als bei sog. Personalgestellung an Dritte, nämlich SBV-Wahlrecht ab dem ersten Tag - seit jeher! Einen gegenteiligen Rechtssatz gibt es nicht.
Zuweisung an Jobcenter
Für SBV im Jobcenter („Gemeinsame Einrichtung“) gilt § 44i SGB II; sbM erhalten „von Beginn der Zuweisung an das aktive Wahlrecht“ (BR-Drs. 226/10 vom 23.04.2010, Seite 45) – nach zutreffender Ansicht der BReg.
Zusammengefasst
Bei Abordnung und bei Leiharbeit und bei Zuweisung beginnt das aktive SBV-Wahlrecht immer „bei Eintritt“ - von_Rechts wegen laut § 177 Absatz 2 SGB IX, sowie §_1 Absatz 2 SchwbVWO und § 4 Abs. 3 SchwbVWO, auch soweit das zuweilen für BR-/PR-Wahlen teilweise (noch) abweichend geregelt ist - entgegen BIH-Ansicht bzw. entgegen herrschender Meinung. Demnach weder „analoge“ Anwendung (mangels Gesetzeslücke!) noch „entsprechende“ bzw. sinngem. Anwendung (mangels Gesetzesverweise). Mehrere (!) von Land zu Land verschiedene Analogien statt einer für ein und denselben Sachverhalt wären ohnehin von vornherein ein Widerspruch in sich – und m.E. schon deshalb denklogisch ausgeschlossen! Mehr als eine Analogie gibt es nicht: Wäre ansonsten ja alles „mehrdeutig“ statt eindeutig. „Eine Analogie“ mit mehreren (und daher sich widersprechenden) Ergebnissen ist gerade keine Analogie, sondern x-beliebige Interpretation – daher verbotene „Rechtsfortbildung“.
Vergleiche auch Marcus Bertz, Arbeitnehmer- versus Beschäftigtenbegriff: Zum Unterschied zwischen dem Beschäftigtenbegriff im Arbeitsrecht und Sozialrecht - wonach Bertz Gesetzgeber zum Handeln auffordert.
NJW Spezial 24/2019, Seite 754 - 755.
Viele Grüße
Albin Göbel
——————
*) BIH-Wahlbroschüre, Seite 38/39
„Falls keine besonderen Regelungen im Personalgestellungsvertrag getroffen wurden, findet § 5 Absatz 1 Satz 3 BetrVG Anwendung. Danach werden Beamte, Soldaten sowie Beschäftigte des öffentlichen Dienstes einschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten, die in privatrechtlich organisierten Unternehmen tätig sind, für die Dauer der tatsächlichen Beschäftigung als Arbeitnehmer des Beschäftigungsbetriebs angesehen.38) Die im Wege der Personalgestellung Betrieben der Privatwirtschaft überlassenen Beschäftigten haben somit das akt. Wahlrecht beim Beschäftigungsbetrieb (Entleiher) vom ersten Tag der Beschäftigungsaufnahme an...“