Hallo,
ich habe in der Personalratssitzung zufällig erfahren, dass eine schwerbehinderte Mitarbeiterin in der Probezeit (6 Monate) gekündigt werden soll.
Ich habe bereits mit der Mitarbeiterin gesprochen und schätze den Vorgang so ein, dass eine Kündigung nicht gerechtfertigt ist.
Ich weiß, dass der AG in der Probezeit ohne Angaben von Gründen kündigen kann und auch das IA nicht eingeschaltet werden muss.
Meine Frage:
Ist der Arbeitgeber zumindest verpflichtet, mich als Vertrauensperson über die geplante Kündigung in der Probezeit offiziell zu informieren. Welche Auswirkung hat ggf. eine "Nichtinformierung",
Welche Möglichkeiten gibt es evtl. für mich noch, meine schwerbehinderte Kollegin zu unterstützen. Ich werde selbstverständlich mit dem Arbeitgeber ein Gespräch suchen, um die Kündigung zu verhindern.
Nachdem ein schwerbehinderter Arbeitnehmer nach Ablauf der Probezeit nur noch mit Zustimmung des IA gekündigt werden kann, sehe ich die Gefahr, dass eben dieser Umstand ggf. zu einer vorsorglichen Kündigung in der Probezeit führen kann, wenn der AG nicht sicher ist, ob die AN ihre Aufgaben zukünftig nicht ordnungsgemäß erledigen können.
Wer kann mir hier etwas helfen.
Danke und Gruß
Kündigung SB in der Probezeit - Beteiligung SchwBV.
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AW: Kündigung SB in der Probezeit - Beteiligung SchwBV.
Hallo,
Du wirfst da eine interessante Frage auf.
Die neue Zustimmungserfordernis nach § 95 Abs. 2 Satz 3 SGB IX n.F. hat keine Einschränkung für Probezeiten. Die Ausnahme für Probezeitkündigung nach § 90 bezieht sich nun mal ausdrücklich nur auf das 4. Kapitel des SGB IX (Kündigungsschutz). § 95 gehört aber zum 5. Kapitel.
Ob das dem Gesetzgeber so bewußt war und somit gewollt, ob das ein "handwerklicher" Fehler war, der korrigiert werden müßte oder aber ob es dem Gesetzgeber "wurscht" war, wird jetzt zu klären sein.
An Deiner Stelle würde ich auf dem Wortlaut des § 95 Abs. 2 Satz 3 SGB IX n. F. beharren. Falls der AG dann doch eine Probezeitkündigung ausspricht, müßte die AN dagegen klagen und Du als SBV evtl. auch gegen Deinen AG vorgehen.
Du wirfst da eine interessante Frage auf.
Die neue Zustimmungserfordernis nach § 95 Abs. 2 Satz 3 SGB IX n.F. hat keine Einschränkung für Probezeiten. Die Ausnahme für Probezeitkündigung nach § 90 bezieht sich nun mal ausdrücklich nur auf das 4. Kapitel des SGB IX (Kündigungsschutz). § 95 gehört aber zum 5. Kapitel.
Ob das dem Gesetzgeber so bewußt war und somit gewollt, ob das ein "handwerklicher" Fehler war, der korrigiert werden müßte oder aber ob es dem Gesetzgeber "wurscht" war, wird jetzt zu klären sein.
An Deiner Stelle würde ich auf dem Wortlaut des § 95 Abs. 2 Satz 3 SGB IX n. F. beharren. Falls der AG dann doch eine Probezeitkündigung ausspricht, müßte die AN dagegen klagen und Du als SBV evtl. auch gegen Deinen AG vorgehen.
&Tschüß
Wolfgang
Wolfgang
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BTHG: Kündigung SB in der Probezeit - Beteiligung SchwbV
Davon ist mir nichts bekannt: Es gibt kein neues "Zustimmungserfordernis"! Es geht hier natürlich gerade nicht um Zustimmung, sondern um Unterrichtung und Anhörung der SBV vor dieser Personalentscheidung, d.h. um Beteiligungssicherung für SBV bei Verstößen durch Rechtsfolgewirkung laut BT-Drs. 18/10523 vom 30.11.2016, S. 64, gemäß § 95 Abs. 2 Satz 3 SGB IX n.F.albarracin hat geschrieben:Das neue Zustimmungserfordernis nach § 95 Abs. 2 Satz 3 SGB IX...
Der Bundestag hat damit die von Anfang an kritisierte Rechtsprechung des Zweiten Senats des BAG vom 28.07.1983 - 2 AZR 122/82 - im dritten Anlauf korrigiert. Ausf.
➔ Düwell, Welche Regelungen sind zur Sicherung der Rechte der SBV geboten? Eine rechtspolitische Kontroverse, in: Faber/ Feldhoff/ Nebe/ Schmidt/ Waßer (Hrsg.), Gesellschaftliche Bewegungen - Recht unter Beobachtung und in Aktion;
➔ Kohte, Gutachten vom 25.07.2016 mit Kommentar vom 25.10.2016 zur Klausel, der klar herausarbeitet, dass es gerade nicht um Mitbestimmung und mitnichten um Zustimmung geht, sondern allein um effektive Anhörungssicherung, mit jeweils zutreffender Anmerkung zur Klausel von Alfons Adam (KSBV) sowie Dr. Michael Karpf (HSBV) und Ute Neumann (HSBV).
Eine "Zustimmung" stand niemals (!) im Bundestag sowie Bundesrat zur Debatte nach den BTHG-Gesetzesmaterialien, nicht 1984, nicht 2004, nicht 2016; es ging stets um eine Stärkung durch Sicherung der Anhörungskompetenz der SBV durch Schließung offenkundiger Schutzlücken speziell bei solchen Kündigungen: Es gab und gibt kein Zustimmungserfordernis der SBV, sondern allein ein Änhörungserfordernis bzw. ein Beteiligungserfordernis!
Richtig! Da steht aber nichts von einer Zustimmung, sondern von "Beteiligung". Gleichfalls nichts in Satz 1, auf den sich der neue Satz 3 bezieht. Ebenso schon Pahlen in NPM-SGB IX, § 95 Rdnr. 9/11 m.w.N., wonach dieser Arbeitgeber die Stellungnahme der SBV zwar bei seiner Entscheidung zu würdigen und deren Erwägungen zum Gegenstand seiner Entscheidung zu machen hat, ihnen aber nicht folgen muss. Daher ist der pauschale Rat, hier ggf. zu klagen, keine so gute Idee bei ordnungsgem. Unterrichtung/Anhörung und Mitteilung der Entscheidung.albarracin hat geschrieben:Würde ich auf dem Wortlaut des § 95 Abs. 2 Satz 3 SGB IX beharren.
Unwirksamkeitsklausel (BMAS-FAQ)
Beteiligung = Unterrichtung + Anhörung
Beteiligung ≠ Zustimmung/Mitbestimmung
Viele Grüße
Albin Göbel
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AW: Kündigung SB in der Probezeit - Beteiligung SchwBV.
Hallo,
bei dieser Formulierung von mir
Natürlich gibt es keine neue "Zustimmungserfordernis" bei Kündigungen von sbM. Es gibt lediglich als Wirksamkeitsvoraussetzung die Pflicht des AG zur Information und Anhörung der SBV.
Aber auch bezüglich Information/Anhörung bleiben die Ausführungen zur Probezeitkündigung gültig
bei dieser Formulierung von mir
waren die Finger etwas schneller als das Hirn.Die neue Zustimmungserfordernis
Natürlich gibt es keine neue "Zustimmungserfordernis" bei Kündigungen von sbM. Es gibt lediglich als Wirksamkeitsvoraussetzung die Pflicht des AG zur Information und Anhörung der SBV.
Aber auch bezüglich Information/Anhörung bleiben die Ausführungen zur Probezeitkündigung gültig
&Tschüß
Wolfgang
Wolfgang
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BTHG: Kündigung SB in der Probezeit - Beteiligung SchwBV.
Ein Korrekturbedarf bzw. handwerklicher Fehler wird in Literatur nirgends gesehen, auch nicht von den Handwerkskammern und nicht von den Unternehmerverbänden. Dass von der Klausel u.a. auch Probezeit-Kündigungen in der 6-monatigen Wartezeit umfasst werden, siehe Prof. Kleinebrink in DB vom 20.01.2017, Seite 126, 128, und Prof. Bayreuther, NZA 2/2017, 87-91. Die Klausel gilt demnach uneingeschränkt für "jede" Kündigungsart gemäß § 95 Abs. 2 Satz 1 i.V. mit Satz 3 SGB IX n.F. nach einhelliger Ansicht im BTHG-Schrifttum. Dem ist zuzustimmen: Auf die Dauer des Arbeitsverhältnisses kommt es nicht an, auch nicht auf Anwendbarkeit des KSchG.albarracin hat geschrieben:Ob das dem Gesetzgeber so bewußt war und somit gewollt, ob das "handwerklicher" Fehler war, der korrigiert werden müsste...
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Ebenso zu Recht HWK Stuttgart, die das mit Sachverstand und Scharfsinn völlig richtig erkannt sowie herausgearbeitet hat für's Handwerk, sowie Dr. Karpf, br 2/2017, Seite 30/32).
Kontextlink:
Anhörung/Gutachten/Überblick
Viele Grüße
Albin Göbel
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BTHG: Kündigung SB in der Probezeit - Beteiligung SchwBV.
Da die Schwerbehindertenvertretung (SBV) nach §§ 94, 95 SGB IX ein eigenständiges Organ der Dienststelle ist, kann mit der Informationserteilung an den Personalrat (PR) die dem Arbeitgeber nach § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX obliegende Unterrichtung bzw. Anhörung der SBV grundsätzlich nicht erfüllt werden. Der PR ist nicht zuständig für den Empfang von Mitteilungen, die an die SBV zu richten sind (vgl. LAG Hamm, 16.12.2005, 15 Sa 1698/05 m.w.N.; VGH Hessen vom 11.07.1990, 1 UE 1287/89, Rn. 60 - 63 m.w.N. betreffend BMZ).Freitag hat geschrieben:Ich habe in der Personalratssitzung zufällig erfahren, dass eine sb Mitarbeiterin in der Probezeit (6 Monate) gekündigt werden soll.
Ja, aber nicht nur zuvor zu "informieren", sondern stets auch zuvor anzuhören und ihr die Möglichkeit zur Stellungnahme zu eröffnen nach § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX (Pahlen in NPM-SGB IX § 95 Rn 11). Wird nicht zuvor, sondern danach gehört, ist das schon logisch-begrifflich keine Anhörung vor einer Entscheidung im Rechtssinn, da zeitlich nicht zuvor, sondern danach (Dr. Karpf, Behindertenrecht br 2/2017, Seite 30/32).Freitag hat geschrieben:Ist der AG zumindest verpflichtet, mich als Vertrauensperson über die geplante Kündigung in der Probezeit offiziell zu informieren?
Viele Grüße
Albin Göbel
AW: Kündigung SB in der Probezeit - Beteiligung SchwBV.
Guten Morgen und vielen Dank für die wertvollen Informationen.
Das Verfahren läuft jetzt...
Das Verfahren läuft jetzt...
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BTHG: Kündigung SB in der Probezeit - Beteiligung SchwBV.
Nachtrag: Hier kommt u.U. abhängig von dem jeweiligen Gleichstellungsrecht des Bundes und der Länder daneben auch die Beteiligung der "Frauenvertreterin" oder der "Gleichstellungsbeauftragten" bei personellen Maßnahmen in Betracht, mit der die SBV Kontakt aufnehmen könnte. Womöglich wurde ja auch diese wie die SBV von der Dienststelle nicht beteiligt (vergleiche sinngemäß OVG NRW vom 16.01.2015, 6 A 2234/13; VG Frankfurt, Eilbeschluss v. 04.01.2006, 9 G 3745/05 (V), Randnummer 10/11).Freitag hat geschrieben:Welche Möglichkeiten gibt es evtl. noch, meine schwerbehinderte Kollegin zu unterstützen?
Viele Grüße
Albin Göbel
AW: Kündigung SB in der Probezeit - Beteiligung SchwBV.
Hallo zusammen, muss auch dann, wenn eine Gleichstellung vor über drei Wochen beantragt wurde, aber die Arbeitsagentur darüber noch nicht entschieden hat (§ 90 Abs. 2a SGB IX), dennoch die SBV vom Arbeitgeber gehört werden, obwohl noch kein Gleichstellungsbescheid vorliegt?
Gruß
Jada Wasi
Gruß
Jada Wasi
AW: Kündigung SB in der Probezeit - Beteiligung SchwBV.
Die Frage die sich dann stellt ist, warum die Agentur noch nicht entschieden hat:
Grundsätzlich gilt, dass der SB-Status nachzuweisen ist:§ 90 Abs. 2a SGB IX
2a) Die Vorschriften dieses Kapitels finden ferner keine Anwendung, wenn zum Zeitpunkt der Kündigung die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch nicht nachgewiesen ist oder das Versorgungsamt nach Ablauf der Frist des § 69 Abs. 1 Satz 2 eine Feststellung wegen fehlender Mitwirkung (?) nicht treffen konnte.
§ 69 Abs. 5 SGB IX
Der Ausweis dient dem Nachweis für die Inanspruchnahme von Leistungen und sonstigen Hilfen, die schwerbehinderten Menschen nach Teil 2 oder nach anderen Vorschriften zustehen.