Leistungserbringer
Untersuchungsauftrag
Hallo zusammen,SG Leipzig, 08.09.2021, hat geschrieben:Fahrtkosten zur Arbeitsstelle bei stufenweiser Eingliederung nach § 74 SGB V (nicht: Belastungserprobung nach § 42 SGB V) sind nicht durch die gesetzliche Krankenversicherung zu tragen (entgegen SG Dresden, Urteil vom 17.06.2020, Az. S 18 KR 967/19).
Rehaträger begründen ihre Ablehnung von Fahrkosten bei StW teils mit SG Leipzig 08.09.2021, S 22 KR 100/21. Das Fehlurteil, welches die h.M. ignoriert, ist nicht rechtskräftig; Berufung ist anhängig beim Sächs. LSG – L 1 KR 340/21. Entgegen SG Leipzig hat z.B. SG Kiel, 4.11.2016, S 3 KR 201/15 erkannt, dass sich der Anspruch auf Erstattung der Fahrkosten nach SGB IX richtet – und nicht nach SGB V. Verurteilt wurde damals die Barmer Ersatzkasse (rkr.)
Das ist keine Darstellung des Streitstandes, sondernSG Leipzig, 08.09.2021, hat geschrieben:Die Krankenkasse gewährt, abgesehen von der durch fortbestehende Arbeitsunfähigkeit bedingten Krankengeldzahlung, dabei gerade keine eigene Leistung (vgl. Sichert in Becker/ Kingreen, SGB V, 7. Auflage, § 74 Rz. 27, mit Darstellung des Streitstandes).
bloße Mutmaßung („dürfte“) zum SGB IX von Sichert
ua mit mehrfach fehlerhaften SG/LSG-Aktenzeichen,
wobei Sichert BSG 2009 sowie BMAS 2019 ignoriert,
ebenso wie das LSG MV, 28.05.2020 – L 6 KR 100/15,
sowie das LSG NRW v. 05.02.2007 - L 3 R 39/06, und
LSG NRW vom 08. 06. 2020 – L 10 KR 299/20 NZB –
weil nichts davon zitiert, obwohl alles rechtskräftig.
Dass Berufung der verurteilten DRV gegen das SG Berlin vom 29.11.2018 angeblich anhängig sei beim LSG Berlin-Brandenburg – L 4 R 19/9 R, das ist reine Erfindung von Sichert (Rn. 27). Die von Sichert behaupteten praktischen „Zuordnungs- und Eingrenzungsschwierigkeiten“ der (ggf. täglich anfallenden) Fahrkosten gibts nicht lt. RSpr. Es ist Sache der GKV, endlich „Formulare“ anzubieten für Fahrkosten bei StW, statt solche Schwierigkeiten zu beklagen. Die These in Rn. 27 zur „leistungsrechtlich angereicherten Interpretation“ von Sichert wurde schon 2016 von der Rspr. als nicht nachvollziehbar klar abgelehnt. Danach sollen nur Reisekosten im Zusammenhang mit einer „Begründung des Wiedereingliederungsverhältnisses und dem Unterstützungsmanagement“ erstattungsfähig sein nach der Einzelmeinung von Sichert. Falsch auch das von Sichert erwähnte Aktenzeichen S 22 HR 100/21 des SG Leipzig, da nicht existent: Da hat wohl Dr. Markus Sichert v. „Bundesamt für Soziale Sicherung“ (BAS) in Bonn mehrfach „geschlampt“. Falsch auch die Schreibweise des Namens der renommierten Autorin „Nelissen“ (statt korrekt „Nellissen“) in Rz. 27
Da hat SG Leipzig offenbar lediglich unkritisch Hr. Sichert „nachgeplappert“, da selbstverständlich „eigene Leistung“, welche ohne die StW eben nicht anfallen würde, aus den nachfolgenden Gründen. Kann jeder im Internet nachlesen seit Jahrzehnten, eigens umrahmt zur Hervorhebung links neben der „Unterschrift des Arztes“ – auch auf der grünen „Ausfertigung für die Krankenkasse“ (KBV-Muster 20b):
Leistungserbringer
• „Für die Erstellung des ärztlichen Wiedereingliederungsplanes ist die Nr. 01622 EBM berechnungsfähig“ laut dem amtlichen Stufenplan. Das heißt, der Vertragsarzt schreibt GKV eine Rechnung. Zweifelsohne Leistung der GKV für StW (nicht bloße Maßnahme, entgegen frei erfundenen „Feststellungen“ bzw Unterstellungen dieses SG Leipzig). Seine gegenteilige Behauptung hat das SG Leipzig nicht begründet – sondern lapidar und unkritisch auf Sichert in Becker / Kingreen, SGB V, 7. Auflage 2020, § 74 Rn. 27, verwiesen. Dessen Kommentar und reine Mutmaßungen („dürfte“) zum SGB IX in der Rn 27 haben Sozialgerichte sowie mehrere Landessozialgerichte schon seit 2016 für nicht nachvollziehbar erklärt und sodann verurteilt. Auch hat_Sichert offenbar falsches AZ: L 4 R 19/9 R für LSG Berlin-Brandenburg angegeben, welches nicht existiert: Richtig ist – dass die verurteilte Beklagte ihre Berufung zurückzog. Ebenso wurde die Berufung zurückgezogen beim_LSG NRW – L 16 KR 786/16 von der verurteilten Krankenkasse. Auch die Berufung LSG NRW - L 10 KR 370/20 hat sich erledigt, da GKV zurückgerudert ist per Anerkenntnis der Pkw-Wegstreckenentschädigung und ihre_Fehlbescheide selbst aufgehoben hat – um einer (klar_absehbaren) Verurteilung durch‘s LSG Nordrhein-Westfalen zuvorzukommen. Zuvor hatte das LSG der beklagten IKK mitgeteilt, dass deren Auffassung, die StW_„stelle keine leistungsrechtliche Maßnahme der Krankenkasse“ dar, erhebliche Bedenken begegnen würden. Auffallend dabei ist generell, dass verurteilte Rehaträger sich offenbar seit jeher scheuen, Revision beim_BSG herbeizuführen wegen Fahrkosten. Zu der obergerichtlichen Rspr. vgl. auch Wikipedia, Abschnitt „Berufungsgerichte“. Ebenso bereits Gagel, B1-2010: „Wesentliches Strukturelement ist also Planung und Überwachung durch den behandelnden Arzt.“
• Die StW setzt zwingend „ärztliche Untersuchung“ voraus gemäß dem § 7 Absatz 1 der AU-Richtlinie („Deshalb darf diese Feststellung nur aufgrund ärztlicher Untersuchung erfolgen“) – was von GKV dem Vertragsarzt natürlich zu honorieren ist. Wie Sichert u. SG Leipzig dazu kommen, dennoch StW nicht als Leistung der GKV zu bezeichnen, entzieht sich den Denkgesetzen der Logik: Wer soll das verstehen? Das ist ein aus Gründen der Logik schlechthin unmöglicher Schluss. Oder untersuchen und planen und bewerten, „verordnen“, bescheinigen, „überwachen“ dort Leipziger Ärzte als „Leistungserbringer“ bei der StW „für Gottes Lohn“?[/Ironie off]
Untersuchungsauftrag
In AU-Richtlinie (Anlage zur StW) ist angeordnet:
5. „Während der Phase der StW sind Versicherte in regelmäßigen Abständen von der behandelnden Vertragsärztin oder vom behandelnden Vertragsarzt auf die gesundheitlichen Auswirkungen zu untersuchen“ Das haben Sichert und dieses SG Leipzig vollkommen ignoriert und komplett ausgeblendet, obwohl verbindlich laut dem § 7 Abs. 1 Satz 3 AU-Richtlinie („sind zu beachten.“). Auch insoweit haben Sichert und SG Leipzig schwer versagt und vielen Versicherten geschadet und diese in die Irre geführt und einen Bärendienst erwiesen. Hat denn keiner von denen und_von den Rehaträgern die AU-Richtlinie je gelesen?
Gagel/Schian, Behindertenrecht 2/2006 Nr. 3.a S. 54/55: („Da es sich um eine therapeutische Maßnahme handelt, muss auch klargestellt werden, in welcher Weise Arbeit ärztlich zu überwachen ist, welche Gefährdungen zu beachten sind und wann ein Abbruch zu erfolgen hat.“)
Sachleistung / Dienstleistung
• Auch fallen Arzthonorare an für die laufende medizinische Beurteilung (Sichert, Rn 18) und Untersuchungen (Sichert Rn. 12) des arbeitsunfähigen Rehabilitanden während der gesamten Dauer der StW. Auch BAR-Arbeitshilfe zur StW: „Wiedereingliederungspläne sind laufend medizinisch zu überprüfen und im Bedarfsfall an die individuellen gesundheitlichen Erfordernisse des Arbeitnehmers anzupassen." (siehe Abschnitt 1.4.4) Zu den „regelmäßigen" ärztlichen Untersuchungen durch den behandelnden Arzt zu den gesundheitlichen Auswirkungen der StW Nummer 5 der verbindlichen amtlichen „Empfehlungen zur Umsetzung stufenweiser Wiedereingliederung" vom Gemeinsamen Bundesausschuss. Der Vertragsarzt ist verantwortlich laut_BMI und LG Koblenz, 25.01.2018 - 1 O 359/16, für fortlaufende medizinische Überwachung. StW stellt sich damit als unverzichtbarer Teil der ärztlichen Diagnostik dar_und ist insoweit auch Leistung der Krankenkasse entgegen dem SG Leipzig. Die StW stellt demnach eine leistungsrechtliche Maßnahme der GKV dar per Sach- sowie Dienstleistung durch den Vertragsarzt der GKV laut § 2 Abs. 2 SGB V, die „nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden“.
• DRV: Das ist bekanntlich auch explizit nachzulesen zB in GRA zu § 44 SGB IX, Abschnitt 7, der DRV wie folgt: „Die Kosten für eine evt. erforderliche Anpassung des Wiedereingliederungsplans durch den behandelnden Arzt übernimmt der Rentenversicherungsträger. Die Höhe der Vergütung richtet sich nach den Regelungen für Befundberichte.“
• „Stufenweise Wiedereingliederung ist eine eigenständige medizinische Reha-Leistung i. S. d. § 64 SGB IX“ (vergl. nur Prof. Dr. Luik, Richter am BSG, LPK-SGB IX, 6. Aufl. 2022, § 44 Rn. 7 und 28 m.w.N. entgegen SG Leipzig). Gutachtliche „Anmerkungen“ von Prof. Dr. Katja Nebe auf reha-recht.de Ebenso ausdrücklich auch BMAS vom 9. Mai 2019, Va3-96, wörtlich auf frag-den-staat.de wie folgt: „Die stufenweise Wiedereingliederung ist eine Leistung der medizinischen Rehabilitation …“ Das SG Leipzig ignoriert hier letztlich im Ergebnis BSG, B 5a/5 R 26/07 R (Rn. 20) und BSG, B 5 R 44/08 R (Rn. 38), wonach die StW selbst zum „Katalog der medizinischen Reha-Leistungen“ zählt und eine „Leistung der_medizinischen Rehabilitation“ tatsächl. und rechtl. ist schon seit über 20 Jahren nach SGB IX 2001 und BTHG, also das Rad zurückdrehen will über zwei Jahrzehnte …
Das alles haben Dr. Sichert und SG Leipzig ignoriert sowie ausgeblendet: Seit 01.07.2001 wurde speziell für Reisen im Zusammenhang mit zulasten der GKV durchgeführten Rehaleistungen gerade „der Leistungsrahmen erheblich erweitert“ - und zwar durch § 7 Abs. 1 SGB IX i.V.m. § 60 Abs. 5 SGB V n.F. ( Siegfried Wurm in Schell (BMAS), SGB IX § 73 Rz. 11 und 12)
LSG Thüringen, 1.8.2013, L 6 KR 299/13 NZB
Soweit Gerichte meinen, dass beim Rehabilitationssport keine Fahrkosten zustehen und daher auch nicht bei StW (so_aber LSG Thüringen, 1.8.2013, L 6 KR 299/13 NZB, „zitiert“ vom SG Leipzig im Tatbestand), ist die Schlussfolgerung klar abzulehnen nach BSG, weil Vergleich von Äpfel und Birnen, da die StW gerade keine ergänzende Leistung ist – sondern vielmehr med. Reha-Leistung. Die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde durch‘s Thüringer LSG war klar rechtswidrig. Vgl. z.B. LSG NRW, Beschluss vom 08.06.2020 – L 10 KR 299/20 NZB – mit (zugelassener) Beschwerde der Versicherten gegen SG Köln, 24.01.2020, S 26 KR 667/19, wie folgt:
„Auf Beschwerde der Klägerin gegen Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Köln vom 24.1.2020 wird Berufung zugelassen, da der Senat dem Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung beimisst (§ 144 Abs. 2 SGG).“ Zudem Divergenz zu LSG NRW, 5.2.2007, L 3 R 39/06, bestätigt durch‘s BSG v. 29.01.2008 - B 5a/5 R 26/07 R: „Stufenweise Wiedereingliederung zählt zum Katalog der_medizinischen Reha-Leistungen“ (Rn. 20)
SG Leipzig, 09.03.2022, S 22 KR 570/21 ?
Ebenso abzulehnen SG Leipzig, 09.03.2022, S 22 KR 570/21, Rn. 16 – nach juris, das den Senaten des BSG vorgebliche begriffliche „ungenaue Gleichsetzung“ von „Maßnahme“ und_„Leistung“ unterstellt. Die Berufung wurde_zugelassen für „behinderten“ Postzusteller. SG Leipzig arbeitet sich an SGB V ab statt sich gezielt aufs (einschlägige) SGB IX zu konzentrieren für behinderte Rehabilitanden, also erneut am Thema vorbei. Gegen Fehlurteil SG Leipzig, Urteil vom 09.03.2022, S 22 KR 570/21, hat behinderte Versicherte Berufung eingelegt beim_LSG Sachsen – L 9 KR 102/22.SG Leipzig hat geschrieben: Leitsatz: 1. Fahrtkosten zur Arbeitsstelle bei stufenweiser Eingliederung nach § 74 SGB V (nicht: Belastungserprobung nach § 42 SGB V) sind nicht durch die gesetzliche Krankenversicherung zu tragen (entgegen SG Dresden, Urt. vom 17.06.2020 - S 18 KR 967/19).
2. Denn die stufenweise Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit ist zwar eine Maßnahme der medizinischen Rehabilitation, aber ebensowenig wie die Erwerbstätigkeit selbst eine Leistung des Rehabilitationsträgers. Die Zielsetzung der Wiedereingliederung wird mit der Leistung des vollen Krankengeldes unterstützt (entgegen LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 28.05.2020 - L 6 KR 100/15).
Wer hat ähnliche Erfahrungen gemacht mit solchen zahlungsunwilligen gesetzlichen Versicherungen sowie Sozialgerichten bei Fahrkosten zur StW als behinderter, schwerbehinderter oder nichtbehinderter Beschäftigter – etwa im Widerspruchs-, Klage- bzw. Berufungsverfahren oder evtl. Sprungrevision? Bitte ggf. kurz berichten, weil von_allgemeinem Interesse – bundesweit. Mit welchen „Argumenten“ hat GKV oder DRV abgelehnt? Danke!
Zum Antrag auf Erstattung der Fahrkosten vgl. RdSchr. 8/2019 Seite 3 „Hauptschwerbehindertenvertretung“ Sabine Schwarz aus Berlin auf berlin.de (am Ende)
Beste Grüße
Heidi Stuffer