Zählen Leiharbeitnehmer immer nach § 14 Abs. 2 AÜG

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magdalena.mayer
Beiträge: 88
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Zählen Leiharbeitnehmer immer nach § 14 Abs. 2 AÜG

Beitrag von magdalena.mayer »

Hallo zusammen,
laut Seite 15 Wahlbroschüre zählen Leiharbeitnehmer beim Entleiher „vom ersten Tag der Beschäftigung an“ wegen dem neuen § 14 Absatz 2 Satz 4 AÜG. Dies sei deshalb so, weil diese “Neuregelung, die ausdrücklich Bezug auf die Wahlordnungen nimmt, auf die Wahlen zur SBV übertragbar“ ist. Wie ist das gemeint? Zählen jetzt alle Leiharbeitnehmer seit 2017, auch soweit diese nur vorübergehend ausgeliehen werden (zum Beispiel für zwei Wochen) gemäß § 177 Abs. 1 Satz 1 SGB IX bei der Mindestzahl mit? Danke! Magdalena
Zuletzt geändert von magdalena.mayer am Dienstag 15. Oktober 2019, 17:26, insgesamt 1-mal geändert.
Ulrich.Römer
Beiträge: 621
Registriert: Mittwoch 29. September 2010, 12:51

Re: Zählen Leiharbeitnehmer immer nach § 14 Abs. 2 AÜG

Beitrag von Ulrich.Römer »

Hallo Magdalena,
das sehe ich nicht so.
§ 14 Absatz 2 AÜG letzer Satz:
Soweit die Anwendung der in Satz 5 genannten Gesetze eine bestimmte Anzahl oder einen bestimmten Anteil von Arbeitnehmern erfordert, sind Leiharbeitnehmer im Entleiherunternehmen nur zu berücksichtigen, wenn die Einsatzdauer sechs Monate übersteigt.
SIehe dazu auch Leiharbeitnehmer zählen – immer? Neues zu § 14 Abs. 2 AÜG/
Ulrich Römer

Moderator der BIH-Foren
magdalena.mayer
Beiträge: 88
Registriert: Dienstag 2. November 2010, 11:14

Re: Zählen Leiharbeitnehmer immer nach § 14 Abs. 2 AÜG

Beitrag von magdalena.mayer »

Herzlichen Dank für die schnelle Antwort mit einer kurzen Nachfrage zu dem in der Wahlbroschüre allein erwähnen § 14 Absatz 2 Satz 4 AÜG.

Der letzte Satz 6 bezieht sich m.E. ausdrücklich nur auf § 14 Absatz 2 Satz 5 AÜG, nicht aber auch auf § 14 Absatz 2 Satz 4 AÜG, oder? Gilt aber trotzdem für die SBV-Wahl diese sechsmonatige Einschränkung in Satz 6: „wenn die Einsatzdauer sechs Monate übersteigt“? Magdalena
www.gesetze-im-internet.de/a_g/__14.html
albin.göbel
Beiträge: 701
Registriert: Mittwoch 10. November 2010, 14:55

Zählt Leiharbeit immer nach § 14 Abs. 2 AÜG

Beitrag von albin.göbel »

BIH (Seite 15) hat geschrieben:Die Neuregelung, ­die ausdrücklich Bezug auf die Wahlordnungen nimmt, ist auf die Wahl zur SBV übertragbar.

NEIN – m.E. nicht übertragbar! Denn das wäre ja
glatte Umgehung des § 177 Abs. 1 Satz 1 SGB IX


:idea: Man kommt auch da nicht an der abschließenden abweichenden gesetzlichen Nor­mie­rung im § 177 Abs. 1 Satz 1 SGB IX vorbei - wonach allein die „nicht nur vo­rü­ber­ge­hen­de“ Beschäftigung maßgeblich ist beim Zählen: Diese allein maßgebliche Norm (zuvor § 94 Abs 1 Satz 1 SGB IX) gilt seit 2001 insoweit unverändert. Zum wortidentischen Begriff dieser „nicht nur vorübergehend“ Be­schäftigten vgl. zuletzt sinngemäß BAG, 25.10.2017 - 7 ABR 2/16, Rn. 18 und Rn. 23 zu § 94 Abs. 3 Satz 1 SGB IX a.F. Vergl. Prof. Düwell, LPK-SGB IX, § 177 Rn. 23. Dieser BIH-Auslegung kann daher nicht zugestimmt werden.

nicht nur vorübergehend ≠ in der Regel
Das ist offenbar schon vom Wortlaut her begrifflich nicht identisch mit den sog. be­triebs­ver­fas­sungs­recht­lichen Re­gel­be­schäf­tig­ten nach § 1 Abs. 1 BetrVG („in der Regel min­des­tens fünf ständigen wahl­be­rech­tig­ten Ar­beit­neh­mern, von denen drei wählbar sind“ ). FAZIT: „nicht nur vorübergehend“ (SGB IX) ≠ „in der Regel“ (BetrVG). Mit der SchwbVWO hat dieser Schwel­len­wert nichts zu tun; er_wird in dieser „Wahlordnung“ nirgends erwähnt. Zum hier geltenden un­be­stimm­ten Rechtsbegriff der nicht nur vo­r­ü­ber­ge­hen­den Beschäftigung vergl auch Diskussion von 2018 m.w.N.

BIH (Seite 15) hat geschrieben:Daraus folgt, dass Leiharbeitnehmer zur Be­stim­mung der Mindestzahl bei der Wahl zur SBV doppelt zählen: bei ihrem Vertragsarbeitgeber (Verleiher ) und auch im Entleiherbetrieb. Sie zählen vom ersten Tag der Be­schäf­ti­gung an.
NEIN - das ist zu pauschal! Richtig ist vielmehr:
Dürfen sofort wählen – aber zählen nicht sofort.


:idea: Sollte da in dieser BIH-Wahl­bro­schü­re auf Seite 15 was anderes gemeint sein für den Entleiher („zählen vom ersten Tag der Be­schäf­ti­gung an“), so wäre dies für mich nicht nach­voll­zieh­bar. Stimme Ulrich Römer voll zu, dass Leiharbeitnehmer nicht generell vom ersten Tag ihrer Be­schäf­ti­gung beim Entleiher gezählt werden wegen § 177 Abs. 1 Satz 1 SGB IX. Der § 14 Abs. 2 Satz 6 letzter HS AÜG ist m.E. weder mittelbar noch unmittelbar für SBV-Wahlen heranzuziehen - er bezieht sich jedenfalls nicht auf_BR-Wahlen laut dem Bundesgerichtshof. Vgl. BGH, 25.06.2019, II ZB 21/18, zur (arbeitsplatzbezogen, nicht arbeitnehmerbezogen!) Min­dest­einsatzdauer nach § 14 Abs. 2 Satz 6 AÜG; dazu jurisPR-ArbR 41/2019 Anm. 1 und Anm. 2. Dieser BIH-Ansicht kann daher nicht zugestimmt werden.

Magdalena Mayer hat geschrieben:Gilt aber trotzdem für die SBV-Wahl diese sechsmonatige Einschränkung in Satz 6?
NEIN: Der Maßstab = § 177 Absatz 1 Satz 1 SGB IX, der bekanntlich gerade nicht auf § 14 Absatz 2 AÜG verweist. Greift also folglich schon deshalb nicht für die SBV-Wahl. Zudem ist bei der SBV-Schwellenwertregelung eine „aus­schließ­lich stichtagsbezoge Feststellung der Mindestzahl vorzunehmen“ – im Unterschied zur BR-Wahl (Sachadae, Die Wahl der SBV, Diss. 2013, Seite 190). Der pauschalen BIH-Ansicht kann daher nicht zugestimmt werden.

Letztlich hat sich aber an der Rechtslage durch das In­kraft­tre­ten des § 14 Absatz 2 Satz 4 AÜG nichts geändert. Leiharbeitnehmer waren auch schon vor dem Inkrafttreten der Neuregelung des § 14 Absatz 2 Satz 4 AÜG z.B. bei den Schwellen in § 38 Absatz 1 Satz 1 BetrVG mit­zu­rech­nen - wenn sie zu dem „regelmäßigen“ Personalbestand des Betriebs zählten (BAG, 02.08.2017 - 7 ABR 51/15).

Auch bereits vor Neufassung des Gesetzes entsprach es der Rechtsprechung des BAG, dass Leiharbeitnehmer bei der Feststellung des „regelmäßigen“ Personalbestandes mitzuzählen waren, wenn es zum Beispiel um die Anzahl der freizustellenden BR-Mitglieder ging. Insofern hat der Gesetzgeber die (arbeitsplatzbezoge, nicht ar­beit­neh­mer­bezogene!) Auffassung des BAG übernommen und nun­mehr 2017 lediglich dasRichterrecht“ entsprechend ge­setzlich normiert bzw. übernommen.

Viele Grüße
Albin Göbel
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