Hallo,
eine schwerbehinderte Bewerberin bewirbt sich auf zwei ausgeschriebene Stellen eines Arbeitgebers im öffentlichen Dienst und gibt im jeweiligen Fließtext ihrer Bewerbungen an, dass sie schwerbehindert ist "... 50 GdB ...".
Diese Bewerberin ist nicht offensichtlich ungeeignet gewesen und erfüllte die Anforderungen der Stellenanzeigen komplett, sodass diese Bewerberin zu Vorstellungsgesprächen hätte eingeladen werden müssen.
Der AG im ÖD hat das mit den "50 GdB" tatsächlich überlesen und keine Einladungen verschickt. Anstatt dessen bekam die Bewerberin nach Abschluss der Auswahlverfahren schriftliche Absagen.
Nach ein paar Wochen erhält der AG im ÖD ein Einschreiben von dieser Bewerberin bzgl. Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen und fordert aufgrund der besonderen Schwere des Falles nach 15 (2) AGG drei Bruttomonatsgehälter.
Der AG im ÖD sieht das allerdings anders und meint, es würde nur ein geringfügiger Verstoß vorliegen, da die Bewerberin im letzten Absatz des Anschreibens die Schwerbehinderung mit "50 GdB" abgekürzt hat und bietet je 0,5 Bruttomonatsgehälter an.
Daraufhin erwidert die Bewerberin wiederholt, dass es sich um eine besondere Schwere handelt und nicht nur um einen geringfügigen Verstoß, zumal es sich um zwei unabhänig voneinander ausgeschriebene Stellen handelte, es zwei individuell geschriebene Bewerbungen mit jeweils den Hinweis auf die Schwerbehinderung und somit dieses Übersehen wiederholt, also zweimal und nicht nur einmal geschehen ist. Die Bewerberin verlangt weiterhin drei Bruttomonatsgehälter.
Der AG im ÖD wollte natürlich ein wenig pokern und handeln. Die Fehler sind nun leider passiert, die der AG im ÖD im ersten Schreiben an die Bewerberin eingeräumt hat.
Würde eher die Bewerberin oder eher der AG im ÖD Recht erhalten?
Wie seht ihr das bitte?
Danke euch.
LG
Schwerbehinderte nicht offensichtlich ungeeignete Bewerberin nicht eingeladen! Folgen?
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Re: Schwerbehinderte nicht offensichtlich ungeeignete Bewerberin nicht eingeladen! Folgen?
Hallo,
ich gehe davon aus, daß in diesem Fall die Bewerberin vollinhaltlich im Recht ist, falls mit "Fließtext" das Anschreiben bzw. Bewerbungsschreiben gemeint ist
Denn im Bewerbungsschreiben muß die Eigenschaft nicht ausdrücklich hervorgehoben sein. Das BAG geht in seinem Urteil vom 26.09.2013 offensichtlich davon aus, daß ein AG ein Bewerbungsschreiben vollständig und aufmerksam liest ("da der Arbeitgeber jedenfalls gehalten ist, bei jeder Bewerbung das eigentliche Bewerbungsschreiben zur Kenntnis zu nehmen (vgl. BAG 16. September 2008 - 9 AZR 791/07 - Rn. 39, BAGE 127, 367)" .
Lediglich für die Erwähnung der Behinderung ausschließlich im Lebenslauf verlangt das BAG eine ins Auge fallende, herausragende Darstellung;
https://juris.bundesarbeitsgericht.de/z ... 650-12.pdf (Rn 30)
ich gehe davon aus, daß in diesem Fall die Bewerberin vollinhaltlich im Recht ist, falls mit "Fließtext" das Anschreiben bzw. Bewerbungsschreiben gemeint ist
Denn im Bewerbungsschreiben muß die Eigenschaft nicht ausdrücklich hervorgehoben sein. Das BAG geht in seinem Urteil vom 26.09.2013 offensichtlich davon aus, daß ein AG ein Bewerbungsschreiben vollständig und aufmerksam liest ("da der Arbeitgeber jedenfalls gehalten ist, bei jeder Bewerbung das eigentliche Bewerbungsschreiben zur Kenntnis zu nehmen (vgl. BAG 16. September 2008 - 9 AZR 791/07 - Rn. 39, BAGE 127, 367)" .
Lediglich für die Erwähnung der Behinderung ausschließlich im Lebenslauf verlangt das BAG eine ins Auge fallende, herausragende Darstellung;
https://juris.bundesarbeitsgericht.de/z ... 650-12.pdf (Rn 30)
&Tschüß
Wolfgang
Wolfgang
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AW: Schwerbehinderte nicht offensichtlich ungeeignete Bewerberin nicht eingeladen! Folgen?
Hallo, es ist schon etwas "ungeschickt" von diesen Personalern, nicht wenigstens das Anschreiben (Bewerbungsschreiben) bis zum Ende durchzulesen - entgegen der ständigen höchstricherlichen Rechtsprechung seit 10 Jahren (BAG, 16.09.2008, 9 AZR 791/07). Wenn das 2x hintereinander passiert, entsteht eher der Eindruck, dass das System hatte, dass also systematisch verbotene Verfahrensdiskriminierung in Kauf genommen wurde, und Dienststelle gleichzeitig ihren Unterrichtungspflichten an PR/SBV aus § 164 Abs. 1 Satz 4 SGB IX nicht nachgekommen ist. Dann wären wir wohl 6x beim (bedingten) Vorsatz ...mantas hat geschrieben:Schwerbehinderung mit "50 GdB"
Bedeutsam für die Höhe dürfte u.a. ferner sein, ob z.B. lediglich befristet ausgeschriebene Stelle, und ob Bewerberin etwa bereits über existenzsichernden Dauerarbeitsplatz verfügt oder nicht. Denkbar wäre auch, der schwerbehinderten Bewerberin evtl. eine befristete (Aushilfs-)Beschäftigung unbürokratisch anzubieten als Entschädigung, sofern das denn rechtlich möglich sein sollte, was ich aber nicht einzuschätzen vermag? (ohne Gewähr!) Das könnte u.U. die Ausgleichsabgabe reduzieren. Lässt es der Arbeitgeber auf eine Klage ankommen, können weitere Kosten anfallen, zumal das AGG-Verfahren nicht gerichtskostenfrei ist, und das Gericht die Hinzuziehung eines Anwalts in aller Regel als notwendig ansehen dürfte...
Dieses dürfte keine atypische Besonderheit sein, sondern eher die Regel, dass solche Hinweise am Ende und nicht etwa am Anfang gegeben werden in Anschreiben.mantas hat geschrieben:im letzten Absatz des Anschreibens die Schwerbehinderung "50 GdB"
Ansonsten fällt mir spontan als Sprichwort die gerne von Advokaten zitierte römische "Juristenweisheit" ein: "Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand." Eine professionell aufgestellte Dienststelle wird i.d.R. außergerichtlicher Einigung den Vorzug geben, wobei eine Höhe von ½ Gehalt pro Fall absolut unrealistisch erscheint, jedenfalls bei unbefr. Stellenausschreibung und "Doppelfehler" laut Rechtsprechung.
Viele Grüße
Albin Göbel