Wohin wird die Einladung zum BEM-Gespräch geschickt?

annette.rosenberg
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AW: Wohin wird die Einladung zum BEM-Gespräch geschickt?

Beitrag von annette.rosenberg »

Das Verfahren erst nach Rückkehr an den Arbeitsplatz durchzuführen sehe ich als Mindestanforderung.
Hallo Hardy, das steht so nicht im Gesetz. Das ist regelmäßig nicht rechtzeitig, was yafane mit bestechender Logik dargelegt hat mit ihrem Hinweis auf das Hamburger Modell. "Mindestanforderung" ist vielmehr, dass vom Grundsatz her das BEM in der Regel zeitnah anzubieten ist, sobald die Voraussetzung des § 84 Abs. 2 SGB IX vorliegt, und nicht etwa erst Monate später nach dem Ende einer längeren AU. Und es ist zeitnah durchzuführen während der AU, sobald der Beschäftigte zustimmt.

Anderer Ansicht wohl Baßlsperger, der es i.d.R. für "völlig ausreichend" hält, wenn der Arbeitgeber "eine Kontaktaufnahme nach Rückkehr des Beschäftigten" an den Arbeitsplatz vornimmt, und der meint, dass i.d.R. eine vorherige Kontaktaufnahme während der AU "nicht empfohlen" bzw. nur "im Einzelfall... möglich" sei. Das alles widerspricht dem Ziel des BEM, rechtzeitig die Beschäftigungsfähigkeit zu klären und widerspricht dem Zweck, schon frühzeitig zu klären, welche individuelle Hilfestellung der Betroffene ggf. bei seiner Rückkehr braucht laut BAG/BVerwG.

Gruß,
Annette Rosenberg
albin.göbel
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AW: Wohin wird die Einladung zum BEM-Gespräch geschickt?

Beitrag von albin.göbel »

Maximilian Baßlsperger hat geschrieben:... i.d.R. vorherige Kontaktaufnahme während der AU "nicht empfohlen"
Wann muss sich der Dienstherr / Arbeitgeber an den Beschäftigten wenden?

Baßlsperger: „Hier spielt zunächst die „Sechs-Wochen-Frist“ die entscheidende Rolle. Es fragt sich jedoch, ob der Dienst­herr / Arbeitgeber bereits während der Arbeitsunfähigkeit mit dem Beschäftigten in Verbindung treten soll / darf, um später ein „BEM“ einzuleiten. Eine solche Kontaktaufnahme ist zwar nicht ausdrücklich verboten, sie wird aber auch nicht em­pfoh­len. Es ist in der Regel völlig ausreichend, wenn der Ar­beit­ge­ber / Dienstherr eine Kontaktaufnahme nach Rückkehr des Beschäftigten vornimmt. Im Einzelfall – etwa bei Krankheiten nach Unfällen oder bei entsprechenden Äußerungen des Be­schäftigten – ist eine solche Kontaktaufnahme auch schon vorher möglich.“

Diese pauschale Einzelmeinung von Baßlsperger ist m.E. abzulehnen auch vor dem Hintergrund, dass nach dem Gesundheitsreport der BKK (2014) in Deutschland 4 % der Fälle mit Langzeiterkrankungen für über 45 % der Fehlzeiten verantwortlich sind. Ein Bruchteil der AU-Fälle ist somit für einen Großteil der Fehlzeiten verantwortlich. Einer „ent­spre­chen­den Äußerung“ bzw. eines Antrages des BEM-Be­rech­tig­ten bedarf es nicht entgegen Baßlsperger.
www.bem-netz.org

• Ebenso BMAS-Leitfaden 2015, FAQ 18:
"Ein BEM ist gesetzlich vorgeschrieben, wenn Sie innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen krank waren. Das BEM kann also beginnen, bevor Sie in den Betrieb zurückkehren. Dies ist auch sinnvoll, da viele Maßnahmen, die etwa zur Anpassung Ihres Arbeitsplatzes notwendig werden können, eine gewisse Vor­­be­rei­tungszei­t brauchen. Ihr Arbeitgeber wird deswegen bereits frühzeitig den Kontakt mit Ihnen suchen."

• Ebenso B­IH-Leitfaden 2015, Seite 18:
Die Vorschrift knüpft "allein" an die Sechs-Wochen-Frist an, nicht an die gesunde Rückkehr des erkrankten Mitarbeiters. BEM ist gerade kein Krankenrückkehr-Gespräch. Deshalb soll bereits während der Arbeitsunfähigkeit der Kontakt zu den Mitarbeitern gesucht werden – und nicht erst danach.

Statistik: Im Jahre 2005 gab es erstmals mehr Mitarbeiter über 50 Jahren als Mitarbeiter unter 30 Jahren. Nach einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln liegt die Anzahl der krankheitsbedingten Fehltage bei den 55- bis 64-Jährigen im Jahr 2011 bei circa 28 Tagen. Die krankheitsbedingte Ausfallzeit älterer Arbeitnehmer ist damit mehr als doppelt so hoch wie die des Durchschnitts. Gerade darauf gilt es sich beim BEM schon während der AU gezielt zu konzentrieren. Damit ist das BEM klar abzugrenzen vom bisherigen Krankenrückkehr-Gespräch.

Viele Grüße
Albin Göbel
albin.göbel
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AW: Wohin wird die Einladung zum BEM-Gespräch geschickt?

Beitrag von albin.göbel »

yafane hat geschrieben:Ein Versenden des Briefes an die Privatadresse sei aus rechtlichen Gründen nicht möglich. Was für Möglichkeiten (Urteile o.ä.) gibt es?
Das ist blanker Unsinn – völlig sinnbefreit!

Diesem vorgeblichen Datenschutz steht schon seit Jahren die höchstrichterliche BVerwG-Rechtsprechung entgegen. Ein BEM-Angebot an die Privatadresse ist natürlich möglich nach der ständigen BVerwG-Rechtsprechung und laut B­IH-Broschüren, auszugsweise wie folgt:

BVerwG, 23.06.2010, 6 P 8.09, Rn. 55
"Freilich erfährt der Antragsteller durch die Anschreiben die Privatanschriften der be­trof­fe­nen Beschäftigten. Ein ins Gewicht fallender Eingriff in das Per­sön­lich­keits­recht ist damit aber nicht verbunden. Zum Einen werden die Adressen dem Antragsteller jedenfalls teilweise bereits aus anderen Zusammenhängen bekannt sein oder lassen sich in der Regel auch ohne Einschaltung des Beteiligten auf einfachem Wege ermitteln. Zum Anderen ist der mit der Wiedergabe der Anschriften verbundene moderate Eingriff in das Persönlichkeitsrecht gerechtfertigt. Insbesondere ist er verhältnismäßig. Wenn der Antragsteller darüber wacht, dass jeder betroffene Beschäftigte ordnungsgemäß über die Ziele des betrieblichen Eingliederungsmanagements unterrichtet wird, so dient dies dem Schutz des Betroffenen vor dem drohenden Verlust seines Arbeitsplatzes. Die korrekte Belehrung eines jeden Betroffenen ist wesentliche Voraussetzung dafür, dass das Angebot des betrieblichen Eingliederungsmanagements vom Beschäftigten positiv aufgegriffen wird und die vom Gesetzgeber intendierte Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess gelingen kann.“

Kontextlinks:
• BEM-Angebot bei AU
• Flexibler Zeitrahmen?

Viele Grüße
Albin Göbel
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