Einsatz von Stellvertretern der Vertrauensperson

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mw

Einsatz von Stellvertretern der Vertrauensperson

Beitrag von mw »

Hallo zusammen,
wir haben 2014 die Wahl zur Schwerbehindertenvertretung ordnungsgemäß durchgeführt. Es gab kein Wahlanfechtungsverfahren. Zu wählen waren neben der Vertrauensperson 5 Stellvertreter. Soweit die Ausgangslage.

Nun teilt uns die Dienststelle mit, dass sie den 3., 4. und 5. Stellvertreter nur als Nachrücker für den Fall des Ausscheidens des 1. oder 2. Stellvertreters ansieht, diese also nicht für die Stellvertretung der Vertrauensperson herangezogen werden können, sollte die Vertrauensperson wie auch ihre beiden ersten Stellvertreter ausfallen, was in der Vergangenheit schon vorkam.

Unsere Dienststelle beruft sich dabei auf den § 95 Abs. 1 Satz 4 SGB IX. Dort steht, dass die Schwerbehindertenvertretung nur das mit der höchsten Stimmzahl und das mit der nächsthöheren Stimmzahl gewählte Mitglied zu bestimmten Aufgaben heranziehen kann.

Wir stimmen dem zwar zu, sehen dies aber auf die permanente Aufgabenverteilung zur Entlastung der Vertrauensperson bei einer großen Anzahl (> 200) von behinderten Menschen bezogen. Dagegen sind wir der Ansicht, dass die Stellvertreter 3, 4 und 5 sehr wohl im oben beschriebenen Fall zur Vertretung eingesetzt werden können.

Ich hätte nun gerne die Meinung von Herrn Römer und von Herrn Göbel wie auch des Forums zu dieser Angelegenheit.

Vielen Grüße
albarracin_01
Beiträge: 572
Registriert: Dienstag 25. Juni 2013, 10:43

AW: Einsatz von Stellvertretern der Vertrauensperson

Beitrag von albarracin_01 »

Hallo,
Nun teilt uns die Dienststelle mit, dass sie den 3., 4. und 5. Stellvertreter nur als Nachrücker für den Fall des Ausscheidens des 1. oder 2. Stellvertreters ansieht, diese also nicht für die Stellvertretung der Vertrauensperson herangezogen werden können, sollte die Vertrauensperson wie auch ihre beiden ersten Stellvertreter ausfallen, was in der Vergangenheit schon vorkam.
Diese Meinung ist unhaltbar. Die zitierte Vorschrift bezieht sich ausdrücklich nur auf die zusätzliche Heranziehung in der laufenden Arbeit.
Die Verhinderungsvertretung erstreckt sich selbstverständlich auf alle gewählten Stellvertreter in der Reihenfolge des Ergebnisses.

Für diese Verhinderungsvertretung ist § 94 Abs. 1 Satz 1 maßgeblich.
Der Unterschied ist so zB dargestellt in Dau/Düwell... SGB IX, Düwell, § 94, Rn 6. Die sog. "Vertretungskette", d.h. der Übergang der Vertretung über den ersten Stellvertreter hinaus bis zum Ende der gewählten Stellvertreter findet sich a.a.O, § 95, Rn 24
&Tschüß
Wolfgang
Ulrich.Römer
Beiträge: 621
Registriert: Mittwoch 29. September 2010, 12:51

AW: Einsatz von Stellvertretern der Vertrauensperson

Beitrag von Ulrich.Römer »

;) Nachdem hier wohl nur Herr Göbel und ich antworten sollen (?), fange ich mal an.

Die Anzahl der zu wählenden stellvertretenden Mitglieder ist gesetzlich nicht gedeckelt, der Gesetzgeber sieht mindestens "ein stellvertretendes Mitglied" in § 94 Absatz 1 SGB IX. vor. In der Praxis bedeutet dies, dass der Wahlvorstand bei seiner Beschlussfassung über die Anzahl sich an der Erforderlichkeit und Erfahrungen der Vorjahre orientiert.
Gesetzlich geregelt ist die Aufgabenverteilung, Heranziehung der stellv. Mitglieder und der Freistellungsumfang.
Nach dem Wortlaut des § 95 Absatz 1 Satz 4 SGB IX kommen SBV und 1. und 2. Stellvertreter bei mehr als 200 sbM zum Einsatz.
Der Vertretungsfall der weiteren Stellvertreter 3., 4., 5., 6,..... ist davon unbeschadet. Die kommen bei Verhinderung von 1. und 2. natürlich in der gewählten Reihenfolge bei Bedarf zum Einsatz.
Ulrich Römer

Moderator der BIH-Foren
CVedder
Beiträge: 344
Registriert: Dienstag 2. November 2010, 11:14

AW: Einsatz von Stellvertretern der Vertrauensperson

Beitrag von CVedder »

Hallo mw,

ich lege noch einen drauf: Zeigt die Praxis bei Ihnen in Amt, dass die an 3. oder 4. Platzierung befindlichen Stellvertreter auch noch tatsächlich in Funktion als Verhinderungsvertretung kommen (und das entscheidet definitiv nicht der Dienstherr, denn die SBV entscheidet selbst wann Sie verhindert und bringt damit den/die Stellvertreter in den aktiven Modus), dann sollten diese auch noch von Schulungen profitieren. Mit anderen Worten, es ließe sich auch noch ein Schulungsanspruch konstruieren.

Gruß
Christian Vedder
mw

MW: Einsatz von Stellvertretern der Vertrauensperson

Beitrag von mw »

Hallo Herr Römer,

meine Frage war zwar besonders an Sie und an Herrn Göbel gerichtet, aber ebenfalls an das Forum. Sollte mein letzter Satz da missverständlich gewesen sein, bitte ich auch alle Mitglieder des Forums um ihre Meinung zu diesem Thema.

Viele Grüße
albin.göbel
Beiträge: 701
Registriert: Mittwoch 10. November 2010, 14:55

AW: Einsatz von Stellvertretern der Vertrauensperson

Beitrag von albin.göbel »

mw hat geschrieben:Die Stellvertretung herangezogen...
Nein, da wird nichts herangezogen. Eine "Vertretung" der Vertrauensperson tritt im Verhinderungsfall automatisch kraft Gesetzes ein (§ 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX) und niemals durch "Heranziehung" (§ 95 Abs. 1 Satz 4 SGB IX). Beides liegt nicht im Ermessen der Dienststelle. Niemand kann zur Vertretung heranziehen und niemand kann zur Vertretung herangezogen werden. Wenn der Gesetzgeber die Vertretung abschließend geregelt hat, steht einer an Recht und Gesetz gebundenen Dienststelle wie hier schon deswegen keine eigene und insbesondere keine davon abweichende Entscheidung mehr zu. Abgesehen davon wären gegenteilige Anweisungen der Dienststelle unzulässige bzw. pflichtwidrige Eingriffe in die Amtsführung des Vertretungskörpers Schwerbehindertenvertretung und als solche unwirksam nach § 135 BGB wegen Verstoßes gegen die Verbotsnorm des § 96 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 96 Abs. 2 SGB IX (ebenso Prof. Düwell in LPK-SGB IX, § 95 Rn. 16+30, unter Verweis auf Prof. Knittel, SGB IX, § 96 Rn. 12 + 18).

mw hat geschrieben:Sollte die Vertrauensperson wie auch ihre beiden ersten Stellvertreter ausfallen, was in der Vergangenheit schon vorkam... Dagegen sind wir der Ansicht, dass die Stellvertreter 3, 4 und 5 sehr wohl im oben beschriebenen Fall zur Vertretung eingesetzt werden können.
Ja, das sehen Sie richtig! Wobei dazu aber ergänzend zu sagen ist, dass diese Stellvertretungen im Verhinderungsfall natürlich nicht nur vertreten "können", sondern vertreten "müssen". Wenn die Vertrauensperson sowie ihre ersten beiden Stellvertreter alle drei gleichzeitig verhindert sind, ist die dritte Stellvertretung am Zuge und nicht nur berechtigt, sondern zugleich verpflichtet, die vorübergehende Vertretung zu übernehmen nach § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX. Entsprechendes gilt sinngemäß für die weiteren gewählten Stellvertreter, worauf in den Antworten vom 10.02.2015 ja schon hingewiesen wurde. Das Ansinnen des Dienststellenverantwortlichen ist aus meiner Sicht im Ergebnis nichts anderes als die Aufforderung zu einer Amtspflichtverletzung durch Unterlassen der dritten Stellvertretung aufwärts. Das ist gesicherte Auslegung nach langjähriger Rechtsprechung und nach allgemeiner Auffassung in der Fachliteratur sowie bundesweite Praxis. So z.B. ausdrücklich für die ersten drei Stellvertreter Düwell in LPK-SGB IX, § 95 Rn. 24, auszugsweise wie folgt:

"Das zweite stellvertretende Mitglied der SBV wird erst dann tätig, wenn das erste stellvertretende Mitglied gleichfalls verhindert ist. Ist auch das zweite stellvertretende Mitglied verhindert, so vertritt das stellvertretende Mitglied mit der nächsthöchsten Stimmenzahl...", also das gewählte dritte stellvertretende Mitglied.

Viele Grüße
Albin Göbel
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