Sophie Corpataux vor einem Feuerwehrauto

„Einfach mal ausprobieren“

Sophie Corpataux zeigt, wie Inklusion im Ehrenamt funktionieren kann. Trotz ihrer körperlichen Einschränkung – Sophie hat von Geburt an nur eine Hand – hat die Abiturientin alle Lehrgänge und Prüfungen bei der freiwilligen Feuerwehr bestanden und setzt sich mit ihrem Instagram-Profil für mehr Sichtbarkeit von Beeinträchtigungen ein.

Sophie Corpataux in Feuerwehrkleidung

Sophie, wie bist du denn zu deinem Ehrenamt gekommen? 

Zur freiwilligen Feuerwehr bin ich durch meinen Vater gekommen, der selbst auch bei der Feuerwehr war. Ich wohne in einem kleinen Dorf, und da war die Feuerwehr eine der wenigen Freizeitmöglichkeiten. Es war quasi selbstverständlich, dass ich in die Kinderfeuerwehr eintrete, und so bin ich dazu gekommen. 

Und wie ging es dann weiter?

Ich war von sechs bis zehn Jahren in der Kinderfeuerwehr und dann in der Jugendfeuerwehr. Seit meinem 17. Geburtstag bin ich in der Einsatzabteilung und habe alles mitgemacht, was möglich war, und das war eigentlich alles, wie bei einem Kind oder Jugendlichen ohne Behinderung.

Was machst du in der Einsatzabteilung? 

Ich fahre zu Einsätzen der freiwilligen Feuerwehr bei uns im Dorf mit, nehme am wöchentlichen Übungsdienst teil und besuche Lehrgänge. 

Wie oft wirst du zu Einsätzen gerufen? 

Das ist unterschiedlich. Letztes Jahr hatten wir zehn Einsätze, dieses Jahr waren es bisher vier. Unsere Dorffeuerwehr ist ganz klein und hat so um die zehn Einsätze im Jahr. 

Wie läuft das ab, wenn ein Einsatzalarm kommt? 

Wir werden alle alarmiert, aber logischerweise können nicht immer alle kommen. Man arbeitet, ist in der Schule, im Urlaub oder krank. Aber die, die Zeit haben und da sind, kommen dann auch und fahren auf den Einsatz raus. Was dann passiert, ist natürlich abhängig von der Situation.

Du hast seit deiner Geburt nur eine Hand. Musste da für dich etwas angepasst werden? 

In der Kinder- und Jugendfeuerwehr war das kein Problem, ich war ganz selbstverständlich integriert. Beim Grundlehrgang für die freiwillige Feuerwehr haben wir dann mit den Lehrgangsleitern besprochen, dass ich für manche Dinge manchmal etwas länger brauche. Und ich habe einen eigenen Handschuh bekommen, das war die einzige Anpassung. 

Kannst du mit dem Handschuh alle Geräte bedienen? 

Ja!

Gab es Vorbehalte, als du gewechselt bist? 

Nein, es war von Anfang an klar, dass es keine Probleme geben würde. Natürlich gibt es Aufgaben, die ich wahrscheinlich nicht übernehmen kann, wie zum Beispiel den Atemschutzeinsatz. Da müssen beide Hände einsetzbar sein, das ist vorgeschrieben. Aber wir suchen aktuell nach Wegen, wie es vielleicht trotzdem funktionieren kann. Und selbst wenn ich im Atemschutzeinsatz eingesetzt werden könnte, müsste ich mir erst einmal überlegen, ob ich wirklich in ein brennendes Haus gehen kann, jemanden und im Zweifel auch mich selbst daraus wieder retten kann. Das ist auch mit zwei Händen nicht so selbstverständlich. Und es gibt auch außerhalb des Atemschutzeinsatzes viele Möglichkeiten.

Du engagierst dich auch für Inklusion in der Feuerwehr. Wie kam es dazu und was machst du genau? 

2021 war ich im Fernsehen in einer Kinderserie von der ARD, „Carl Josef trifft“, wo Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderung das gleiche Hobby haben und aufeinandertreffen. Bei „meiner“ Folge war das Hobby „Feuerwehr“. Dadurch wurde das Thema öffentlich und ich habe einen Vortrag dazu bei uns auf Kreisebene auf einer Feuerwehrversammlung gehalten. Das hat sich dann verselbstständigt und irgendwann hielt ich meinen Vortrag beim Bundesfeuerwehrverband. Die Resonanz war durchweg positiv. 

Hast du schon mal mit anderen Feuerwehrleuten zusammengearbeitet, die eine Behinderung haben? 

Ja, zum Beispiel kenne ich eine Person mit nur einem Bein und einen anderen, der im Rollstuhl sitzt. Beide sind bei der freiwilligen Feuerwehr aktiv und fahren sogar mit zu Einsätzen.

Du berichtest auf deinem Instagram-Profil über deinen Feuerwehrdienst. Was ist dein Ziel dabei? 

Ich möchte zeigen, dass Inklusion bei der Feuerwehr wichtig ist und dass auch Menschen mit Behinderungen ein Teil der freiwilligen Feuerwehr sein können. Vielleicht kann ich dadurch auch andere motivieren, zur Feuerwehr zu kommen. 

Gibt es etwas, was du dir von der Feuerwehr im Bereich Inklusion wünschen würdest? 

Bei der freiwilligen Feuerwehr gibt es doch immer wieder noch Barrieren im Kopf, wenn es um Behinderungen geht. Ich wünsche mir, dass diese abgebaut werden und man einfach mal ausprobiert, ob es funktionieren kann. Bei der Berufsfeuerwehr ist es schwieriger, aber gerade im gehobenen Dienst, wenn es zum Beispiel um die Einsatzleitung geht, kann das auch mit einer körperlichen Einschränkung funktionieren. 

Sophies Instagram-Handle ist @onehandfirefighting_

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