Nahaufnahme eines Mikrofons im Tonstudio.

Inklusion geht überall

Erika Ullman-Biller ist Hauptschwerbehindertenvertretung bei der Polizei NRW. Sie erzählt im Podcast, warum Menschen mit Behinderungen ein wertvoller Teil der Belegschaft der Polizei sind und gibt Einblicke in ihre Arbeit als GSBV. 

Das Gespräch im Transkript

Porträt von Erika Ullmann-Biller

Herzlich willkommen und guten Tag in die Runde. Schön, dass Sie wieder dabei sind beim ZB Podcast zur beruflichen Teilhabe von Menschen mit Behinderung. Thema der heutigen Ausgabe sind die Helferinnen und Helfer der Inklusion bei den sogenannten Blaulichtorganisationen, also Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienst. Als unsere Expertin zum Thema und Helferin in einer Person begrüße ich Frau Erika Ullmann-Biller. Sie ist Hauptschwerbehindertenvertretung der Polizei NRW im Ministerium des Inneren des Landes Nordrhein-Westfalen. Herzlich willkommen, Frau Ullmann-Biller.

Dankeschön.

Schön, dass Sie da sind. Um mit einer etwas vergnüglichen Sache einzusteigen: Frau Ullmann-Biller, Sie sind seit mehr als 30 Jahren bei der Polizei NRW. Was war denn ein besonders lustiges oder einprägsames Erlebnis, an das Sie sich gern zurückerinnern?  

Ein Erlebnis, an das ich mich ganz besonders gerne zurückerinnere, ist meine eigene Einstellung. Ich hatte das Auswahlverfahren gewonnen und wurde dann von der Dienststellenleitung angekündigt mit den Worten: „Da kommt eine Behinderte, die ist bestimmt auch nicht ganz so fit und macht vielleicht auch häufiger krank.“ So bin ich also angekündigt worden. Das heißt, Barrieren in den Köpfen waren damals sehr ausgeprägt, Behinderung wurde gleichgesetzt mit Krankheit. Mein Dienststellenleiter kam später zu mir und sagte, er müsse seine Meinung revidieren, und dass man sich eine Scheibe von mir abschneiden könnte, weil ich eben nicht „typisch“ immer krank bin. Das war ein schönes Erlebnis, das mir gezeigt hat: Es geht noch was.

Im Sinne der Inklusion, waren Sie damals schon Schwerbehindertenvertretung oder sogar Hauptschwerbehindertenvertretung?

Nein, ganz am Anfang nicht. Ich bin 1991/92 als Schwerbehindertenvertretung gewählt worden. Seit dieser Zeit bin ich das auch durchgehend. Zwischendurch war ich noch Bezirks-Schwerbehindertenvertretung, die es damals noch gab, aber mittlerweile in der Polizei aufgelöst wurde. Seit 2007 bin ich jetzt Hauptschwerbehindertenvertretung auf der Ebene des Innenministeriums, aber immer noch auch örtliche Schwerbehindertenvertretung.

Ich hatte es ja gerade im Intro schon kurz angesprochen, dass Sie sich im Gegensatz zu Ihren Kolleginnen und Kollegen vor Ort auf Bezirksebene um Angelegenheiten kümmern, die diese Kollegen selbst nicht regeln können. Was genau sind denn dann Ihre Aufgaben?

Auf Ministeriumsebene werden alle Grundsatzentscheidungen für die nachgeordneten Behörden getroffen. Alle Regelungen, die entsprechende Nachwirkung in die Behörden haben. Wir haben zum Beispiel eine Rahmeninklusionsvereinbarung mit dem Minister abgeschlossen, damit Inklusion vor Ort etabliert wird, sowohl für die normale Beschäftigung als auch für die Herstellung einer barrierefreien IT-Landschaft. Das Ziel ist es, nur noch barrierefreie IT und Software anzuschaffen, damit wir mehr Menschen mit Behinderung in der Polizei beschäftigen können.

Menschen mit Behinderung stoßen im Arbeitsalltag häufig auf Barrieren. Wie sieht das in den verschiedenen Polizeibereichen aus? Gibt es da bestimmte Hindernisse, die der Inklusion im Weg stehen und die Sie als Hauptschwerbehindertenvertretung aus dem Weg räumen müssen?

Bei der Polizei müssen mehrere Dinge beleuchtet werden. Wir können Polizisten mit Behinderung nicht einstellen, das ist schon mal ein Punkt, sodass wir uns mehr auf den Verwaltungsbereich beziehen. Allerdings werden Polizisten und Polizistinnen im Laufe der Zeit schwerbehindert oder behindert. Wir haben Barrieren, insbesondere beim Zugang zu unseren Gebäuden. Hier arbeiten wir daran, dass alle Neubauten barrierefrei nach einem bestimmten Standard gebaut werden, weil wir nicht nur intern mit dem Thema Behinderung und Inklusion zu tun haben, sondern auch extern, zum Beispiel mit Bürgern, die behindert sein könnten. Barrierefreiheit hilft auch Frauen mit Kinderwagen, älteren Menschen mit Rollator, und deswegen achten wir darauf, dass auch für die Menschen, die zu uns kommen und Hilfe brauchen, ein Zugang gewährleistet ist.

Wie sieht es bei Neueinstellungen aus? Gibt es Vorbehalte gegenüber Menschen mit Behinderungen? Hat sich das im Vergleich zu dem Erlebnis, das Sie uns am Anfang geschildert haben, zu Ihrer eigenen Einstellung inzwischen geändert?

Es hat sich viel geändert. Die Polizei NRW beschäftigt mittlerweile 5000 Menschen mit Behinderung, das ist schon eine ganze Menge, und wir sind als Polizei sehr gut unterwegs im Vergleich zu anderen Ressorts. Vorbehalte gibt es von Führungskräften natürlich noch, wie die Annahme, dass Menschen mit Behinderungen immer krank sind oder nicht so leistungsfähig. Aber auch daran arbeiten wir, indem wir unsere Führungskräfte gezielt mitnehmen und erklären, was wir tun, wozu wir als Schwerbehindertenvertretungen überhaupt da sind. Wir sind keine Verhinderer, sondern Vermittler. Wo wir immer wieder Probleme haben, ist bei der technischen Ausstattung dieser Menschen, weil viele spezielle Anpassungen notwendig sind. Aber auch da sind wir gut unterwegs, weil wir mittlerweile ein Kompetenzzentrum für barrierefreie IT haben.

Und was sind konkret die Bereiche, in denen bei der Polizei Menschen mit Behinderung arbeiten?

Sowohl im Polizeibereich als auch in der Verwaltung. Wir haben Polizisten und Polizistinnen, die schwerbehindert sind, zum Beispiel durch eine Krebserkrankung oder einen Dienstunfall. Diese Menschen betreue ich hauptsächlich, wenn es um landesweite Angelegenheiten geht, um sicherzustellen, dass alles für sie vernünftig läuft und sie wieder zurückkommen können. Außer beim SEK haben wir eigentlich in fast allen Bereichen Menschen mit Behinderungen beschäftigt, sei es in der Kriminalsachbearbeitung, im Verwaltungsbereich oder im Wachdienst.

Dass diese Menschen dort arbeiten können, würden Sie sagen, dass das auch auf die Arbeit der Schwerbehindertenvertretungen zurückzuführen ist? Sie erwähnten vorhin die Inklusionsvereinbarung. Was sind da konkrete Punkte, die helfen, dass mehr Menschen bei der Polizei beschäftigt werden können?

Ich denke schon, dass es an den Schwerbehindertenvertretungen liegt, weil sie sich intensiv um diese Menschen kümmern und sie betreuen. Wir schaffen Regelungen, die es ermöglichen, schwerbehinderte Polizisten weiterzubeschäftigen. Wir schaffen auch Regelungen, dass wir blinde Menschen auf ganz normalen Arbeitsplätzen beschäftigen können. Die Zeiten, in denen Menschen mit Behinderung in der Telefonvermittlung versteckt wurden, sind definitiv vorbei.

Unterstützung, das ist mein nächstes Stichwort. In welcher Form gab es Unterstützung von außen, und wer hat unterstützt?

Unser vorrangiger Ansprechpartner ist immer das Inklusionsamt, weil dort die meisten Dinge unkompliziert und offen für Projekte gehandhabt werden. Wir haben gute Beispiele, die zeigen, dass das sehr erfolgreich ist.

Sie haben uns gerade ein breites Spektrum genannt, wo Menschen mit Behinderung tätig sind. Haben Sie vielleicht ein oder zwei konkrete Fälle für uns?

Eine Autistin bei uns hat eine Inselbegabung und arbeitet beim LKA in der sogenannten Kipo-Auswertung, also Kinderpornographie. Durch ihre Inselbegabung ist sie fast besser als ein Computer, weil sie Details in Bildern herausfiltert, die ein Computer oft übersieht. Für sie sind das nur Informationen, und sie braucht keine Supervision, weil sie emotional nicht betroffen ist. Ein anderes Beispiel ist ein Projekt, bei dem wir blinde Ermittler in der Telefonüberwachung einsetzen. Diese Menschen hören besser, nehmen Details besser wahr und lassen sich nicht ablenken, was sie in bestimmten Bereichen sehr fähig macht.

Eine Ihrer Aufgaben ist die Schulung der örtlichen Schwerbehindertenvertretungen. Haben Sie dafür Unterstützung von den Integrations- und Inklusionsämtern?

Ja, definitiv. Wir stehen in engem Austausch, und unsere Schwerbehindertenvertretungen haben jederzeit die Möglichkeit, Fortbildungen beim Inklusionsamt wahrzunehmen. Unsere Inklusionsbeauftragten werden gemeinsam mit dem Inklusionsamt geschult, damit wir rechtssicher unterwegs sind.

Wir kommen zum Ende unseres heutigen Podcasts. Als Fazit nehme ich mit: dranbleiben, es geht immer noch ein bisschen mehr, und Verständnis schaffen. Ich danke Ihnen ganz herzlich für Ihre interessanten Einblicke in Ihre Arbeit, Frau Ullmann-Biller. Schönen Dank auch Ihnen fürs Zuhören und bis zum nächsten Mal in unserem Podcast, wenn es wieder um Behinderung und berufliche Teilhabe geht. Den ZB Podcast werden wir in loser Folge fortführen und wichtige Themen rund um Behinderung und Beruf beleuchten, um Menschen für Inklusion zu sensibilisieren. Bis dahin, machen Sie es gut.

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