Illustration von Justitia

Aktuelles Urteil: GSBV darf an Betriebsversammlungen teilnehmen

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat entschieden, dass die Gesamtschwerbehindertenvertretung (GSBV) auch an Betriebsversammlungen teilnehmen darf, wenn es im Betrieb keine eigene Schwerbehindertenvertretung gibt. BAG, Beschluss vom 12. Dezember 2023, 7 ABR 23/22 

Worum geht es?

In einem Handelsunternehmen sind zwei Mitarbeiter mit Schwerbehinderung in einer Filiale beschäftigt. In dieser Filiale wurde jedoch keine Schwerbehindertenvertretung gewählt. Stattdessen gibt es im Unternehmen eine Gesamtschwerbehindertenvertretung (GSBV), die für alle schwerbehinderten Mitarbeiter im gesamten Unternehmen zuständig ist.

Die GSBV wollte an den Betriebsversammlungen in besagter Filiale teilnehmen und hatte den Betriebsrat aufgefordert, sie über Termine zu informieren und sie einzuladen. Nachdem der Betriebsrat das verweigerte, zog die GSBV vor das Arbeitsgericht und bekam dort recht. Auch das Landesarbeitsgericht bestätigte diese Entscheidung, woraufhin die Arbeitgeberin vor das Bundesarbeitsgericht zog.

Das Teilnahmerecht besteht unabhängig von der Anzahl der schwerbehinderten Mitarbeiter und gilt für alle Angelegenheiten.

Beschluss des BAG

Das BAG bestätigte die Entscheidungen der Vorinstanzen und wies die Beschwerde der Arbeitgeberin zurück. Es erklärte, dass die GSBV an den Betriebsversammlungen in der Filiale teilnehmen darf. Das ergibt sich aus § 180 Abs. 6 Satz 1 SGB IX. Hier ist geregelt, dass die GSBV auch für die Interessen der schwerbehinderten Menschen in Betrieben ohne eigene Schwerbehindertenvertretung zuständig ist.

Weiterhin darf die GSBV laut § 178 Abs. 8 SGB IX an Betriebsversammlungen teilnehmen und hat dort auch ein Rederecht – selbst wenn ihre Mitglieder nicht in dem jeweiligen Betrieb arbeiten. Das BAG betonte, dass die GSBV auch dann teilnehmen darf, wenn in dem Betrieb weniger als fünf schwerbehinderte Menschen beschäftigt sind. Das Teilnahmerecht besteht unabhängig von der Anzahl der schwerbehinderten Mitarbeiter und gilt für alle Angelegenheiten.

Das Gericht stellte zudem klar, dass das Prinzip der Nichtöffentlichkeit von Betriebsversammlungen das Teilnahmerecht der GSBV nicht ausschließt.

Dieses Urteil stärkt die Rechte der Gesamtschwerbehindertenvertretungen und gewährleistet, dass die Interessen schwerbehinderter Menschen auch in Betrieben ohne eigene Vertretung angemessen wahrgenommen werden.

Rechtsgrundlage

§ 180 Abs. 6 Satz 1 SGB IX

Die Gesamtschwerbehindertenvertretung vertritt die Interessen der schwerbehinderten Menschen in Angelegenheiten, die das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe oder Dienststellen des Arbeitgebers betreffen und von den Schwerbehindertenvertretungen der einzelnen Betriebe oder Dienststellen nicht geregelt werden können, sowie die Interessen der schwerbehinderten Menschen, die in einem Betrieb oder einer Dienststelle tätig sind, für die eine Schwerbehindertenvertretung nicht gewählt ist; dies umfasst auch Verhandlungen und den Abschluss entsprechender Inklusionsvereinbarungen.

§ 178 Abs. 8 SGB IX

Die Schwerbehindertenvertretung kann an Betriebs- und Personalversammlungen in Betrieben und Dienststellen teilnehmen, für die sie als Schwerbehindertenvertretung zuständig ist, und hat dort ein Rederecht, auch wenn die Mitglieder der Schwerbehindertenvertretung nicht Angehörige des Betriebes oder der Dienststelle sind.

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