Ausgleichsabgabe: ja bitte!
Ab 2025 greift die neue, deutlich höhere Stufe der Ausgleichsabgabe. Was der Gesetzgeber mit der höheren Ausgleichsabgabe bezweckt und wie die Inklusions- und Integrationsämter Betriebe bei der Einstellung von Menschen mit Behinderung beraten und unterstützen, weiß ZB.
Für Unternehmen mit mindestens 20 Arbeitsplätzen gibt es in Deutschland eine Verpflichtung, Menschen mit Behinderung zu beschäftigen. Denn: Der Arbeitsmarkt ist für diese Bevölkerungsgruppe weniger zugänglich. Der Gesetzgeber versucht, mit der Beschäftigungspflicht nach § 154 SGB IX den Zugang für Menschen mit Behinderung gezielt zu erleichtern. Damit Arbeitgeber der Pflicht zur Beschäftigung auch wirklich nachkommen, gibt es die Ausgleichsabgabe. Diese müssen Unternehmen jährlich für jeden nicht besetzten Pflichtarbeitsplatz entrichten. Die Ausgleichsabgabe hat zwei unterschiedliche Funktionen:
1. Ausgleich
Unternehmen, die Menschen mit Behinderung beschäftigen, haben oft höhere Kosten – zum Beispiel durch behinderungsgerechte Gestaltung des Arbeitsplatzes oder den Anspruch auf Zusatzurlaub. Die Ausgleichsabgabe soll diese Belastung ausgleichen, da Unternehmen, die keine oder nicht genügend Menschen mit Schwerbehinderung beschäftigen, solche Kosten nicht haben.
2. Motivation
Unternehmen sollen dazu motiviert werden, mehr Menschen mit Schwerbehinderung zu beschäftigen und dadurch die Ausgleichsabgabe zu senken oder komplett einzusparen.
Seit dem 1. Januar 2024 gibt es eine weitere, höhere Stufe der Ausgleichsabgabe, die 2025 zum ersten Mal entrichtet werden muss, nämlich monatlich rund 720 Euro pro nicht besetztem Pflichtarbeitsplatz. Zahlen müssen Unternehmen, die die Beschäftigungsquote gar nicht erfüllen. Christoph Beyer, Vorstandsvorsitzender der BIH, erklärt die neuen Beträge: „Rund 25 Prozent der beschäftigungspflichtigen Arbeitgeber haben aktuell aus unterschiedlichen Gründen keinen Menschen mit Schwerbehinderung eingestellt. Diese Zahl ist in den vergangenen Jahren trotz vielfältiger Bemühungen der Politik unverändert geblieben. Es ist nachvollziehbar, das über die Höhe der Ausgleichsabgabe anzugehen.“
*Ausnahmen gelten für Unternehmen mit weniger als 60 Mitarbeitern (2 Pflichtarbeitsplätze), weniger als 40 Mitarbeitern (1 Pflichtarbeitsplatz) und weniger als 20 Mitarbeitern (keine Beschäftigungspflicht).
Zweckgebunden
Die Inklusions- und Integrationsämter sind vom Gesetzgeber beauftragt, die Ausgleichsabgabe zu erheben. Ebenso sind sie für die Verwendung der erhobenen Gelder zuständig – und diese ist zweckgebunden: Die Mittel aus der Ausgleichsabgabe werden ausschließlich für die Teilhabe von Menschen mit Schwerbehinderung am Arbeitsleben verwendet. Im Jahr 2020 haben die Inklusions- und Integrationsämter etwa 583 Millionen Euro aus den Mitteln der Ausgleichsabgabe eingesetzt.
Der überwiegende Teil der Gelder kommt damit den Betrieben zugute, und zwar überwiegend denjenigen, die Menschen mit Schwerbehinderung beschäftigen.
Finanziert werden mit der Ausgleichsabgabe Leistungen der Begleitenden Hilfe im Arbeitsleben und der Arbeitsförderung von Menschen mit Schwerbehinderung. Dabei fließen die Mittel an:
- Unternehmen, um Ausbildungs- und Arbeitsplätze zu schaffen und zu sichern
- Inklusionsbetriebe
- Menschen mit Schwerbehinderungen, z. B. für Arbeitshilfen, Weiterbildungen
- Integrationsfachdienste
- Einheitliche Ansprechstellen für Arbeitgeber (EAA)
- Sonstiges, z. B. Arbeitsmarktprogramme, Forschungsvorhaben, institutionelle Förderung
Etwa 18 Prozent der Mittel werden von den Integrations- und Inklusionsämtern an den Ausgleichsfonds beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) weitergegeben. Aus diesem Fonds finanziert das BMAS zum Beispiel überregionale Vorhaben und Projekte zur beruflichen Teilhabe von Menschen mit Schwerbehinderung. Zusätzlich erhält die Bundesagentur für Arbeit Mittel.
Lotsenfunktion
Die Einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber sind seit 2022 dafür da, Unternehmen im Zusammenspiel mit den Rehabilitationsträgern besser beraten zu können. „Die höhere Ausgleichsabgabe flankiert nun dieses trägerunabhängige und niederschwellige Angebot der Beratung“, erläutert Christoph Beyer. Und führt weiter aus: „Der Gesetzgeber trägt dem Umstand Rechnung, dass es gerade kleineren beschäftigungspflichtigen Arbeitgebern, also von 20 bis 60 Beschäftigten, oft viel schwerer fällt, Menschen mit Schwerbehinderung zu finden und einzustellen.“ Mit dem niederschwelligen Beratungsangebot der Einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber falle diese große Hürde weg. „Wenn Arbeitgeber aber auch weiterhin keine Menschen mit Schwerbehinderung beschäftigen, müssen sie einen höheren Satz an Ausgleichsabgabe zahlen.“
Anschaulich erklärt ist die Ausgleichsabgabe im Erklärfilm der BIH.
Anreize schaffen, aber wofür?
Warum aber sollten Unternehmen der Beschäftigungspflicht folgen? Die berufliche Inklusion von Menschen mit Behinderungen bringt nicht nur Vorteile für die Menschen selbst, sondern auch für Unternehmen. Unternehmen, die sich aktiv für Inklusion einsetzen, profitieren von einem positiven Image. In der öffentlichen Wahrnehmung gelten sie als sozial verantwortlich und fortschrittlich. Diverse Teams zeichnen sich außerdem durch eine größere Vielfalt an Perspektiven und Ideen aus. Sie sind oft innovativer und produktiver. Studien wie beispielsweise der McKinsey-Bericht „Diversity Matters“ belegen, dass Unternehmen mit vielfältigen Belegschaften meist erfolgreicher sind. Gleichzeitig ist es für viele Unternehmen aufgrund des Fachkräftemangels schwer, geeignete Bewerberinnen und Bewerber zu finden – Menschen mit Behinderung sind oft sehr gut qualifiziert oder können mit Unterstützung der Integrations- und Inklusionsämter qualifiziert werden und so den Mangel an Fachkräften reduzieren.
Mehr Infos
... finden Sie im BIH-Fachlexikon – dort wird die Ausgleichsabgabe ausführlich erklärt.
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