Erstes Fazit der Einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber
Drei Berater bei den Einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber berichten im Gespräch mit ZB, wie gut das Angebot von Arbeitgebern mittlerweile angenommen wird.
Arbeitgeber, die einen Menschen mit Behinderung beschäftigen, können verschiedene Förderungen bei unterschiedlichen Leistungsträgern erhalten. Für viele Arbeitgeber oder Personalverantwortliche ist es aber nicht immer einfach herauszufinden, welche Unterstützung ihnen zusteht und wo sie diese beantragen können. „Die Unterstützung der Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen ist in Deutschland gut aufgestellt, aber kompliziert geregelt“, beschrieb Heike Horn-Pittroff, Leiterin des Integrationsamts in Sachsen und Stellvertretende Vorsitzende der BIH, vor einem Jahr die Ausgangslage. Und genau hier setzten die Einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber (EAA) an, die 2022 bundesweit eingeführt wurden. Damit sich Arbeitgeber gut zurechtfinden, übernehmen die Ansprechstellen eine Lotsenfunktion bei allen Fragen rund um die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung.
Vor einem Jahr berichteten mehrere „EAAler“ im ZB Digitalmagazin über ihre neue Aufgabe. Jetzt, ein Jahr später, ziehen Horst Seim, EAA-Berater beim Integrationsfachdienst der Bethesda Stiftung in Simmern im Hunsrück, Kirsten Susanne Dier, EAA-Beraterin in Saarbrücken, und Susanne Tölzel, EAA-Fachberaterin bei der Werkgemeinschaft Wiesbaden e. V., ein positives Zwischenfazit.
Die EAA bei den Arbeitgebern bekannt machen – das war vor zwei Jahren die erste zentrale Aufgabe der neuen Fachberaterinnen und -berater. Wie ist Ihnen das gelungen?
Horst Seim: Die Präsenz bei Job- und Ausbildungsmessen, Vorlesungen zum Thema „Inklusive Beschäftigung“, ein funktionierendes Netzwerk und nicht zuletzt der regionale Wirtschaftsverband haben dazu beigetragen, die EAA bekannt zu machen. Die Ergebnisse der Beratungen haben dann weitere Steine ins Rollen gebracht. Man muss am Ball bleiben, kontinuierlich, aber mit Fingerspitzengefühl. Den richtigen Zeitpunkt erkennen und abwarten, die Akquise passgenau dosieren. Auch die Kooperation mit weiteren EAA aus Rheinland-Pfalz und anderen Regionen, die gegenseitige Weiterleitung von Anfragen und der Informationsaustausch untereinander haben uns alle vorangebracht. Und gerade in ländlichen Regionen ist die Mund-zu-Mund-Propaganda ein wichtiges und funktionales Werkzeug.
Kirsten Susanne Dier: Es ist insgesamt sehr gut gelungen, die EAA bei den Arbeitgebern bekannt zu machen. Dafür haben wir mehrere Wege gewählt: Zum einen hat die EAA proaktiv Kontakt zu Arbeitgebern aufgenommen, um Termine zu vereinbaren und die Arbeit der EAA vorzustellen. Zum anderen wurden die Angebote der EAA im Rahmen der saarländischen Aufklärungskampagne „Mich behindert nichts!“ aktiv beworben. Dazu wurde ein eigenes Logo für die EAA im Saarland entwickelt und eigene Flyer wurden gedruckt. Mit einem gemeinsamen Mailing des saarländischen Arbeitsministers und der Geschäftsführer der IHK und der HWK des Saarlandes wurde das Angebot der EAA noch mal bei knapp 30.000 Unternehmen aktiv beworben. Die EAA und ihre Angebote sind inzwischen ein fester Bestandteil der Aufklärungskampagne, sodass dafür auch in Radiospots und über Medienanzeigen geworben wird. Dank unseres Netzwerkes werden auch viele Arbeitgeberkontakte von Dritten vermittelt. Das sind zum Beispiel neben dem Inklusionsamt der Integrationsfachdienst (IFD), die Bundesagentur für Arbeit und die Jobcenter. Dank dieser Maßnahmen hat sich die Arbeit der EAA mittlerweile herumgesprochen, sodass inzwischen auch Arbeitgeber direkt auf uns zukommen.
Susanne Tölzel: Die Arbeit der letzten beiden Jahre trägt spürbar Früchte. Die Wirtschaftsförderer, die Kammern und viele freie Unternehmerforen kennen die EAA mittlerweile und unterstützen unsere Arbeit für einen inklusiveren Arbeitsmarkt. Denn angesichts des Mangels an Fach- und Arbeitskräften wird dieser zunehmend attraktiv. Sie tun das, indem sie uns Networking und Vorstellung der EAA auf ihren Veranstaltungen ermöglichen und Einladungen zu Informationsveranstaltungen der EAA an ihre Mitglieder schicken. In unserem Fall zeigt zum Beispiel auch die Erstellung und Verbreitung der Broschüre „Inklusion als Chance für Unternehmen“ die gelungene Zusammenarbeit mit dem Personalforum Inklusion aus Frankfurt, dem IFD der Werkgemeinschaft Wiesbaden sowie der Wirtschaftsförderung und der Inklusionsbeauftragten der Landeshauptstadt Wiesbaden.
Wie nehmen Arbeitgeber das Angebot der EAA an?
Susanne Tölzel: Arbeitgeber und Personalverantwortliche nehmen das Beratungs- und Unterstützungsangebot häufig mit Interesse an. Attraktiv ist es, jemanden als persönlichen Lotsen kennenzulernen, den man jederzeit und zu allen Themen und Fragen rund um Inklusion im Arbeitsleben anrufen kann. Egal ob es um Grundsatzfragen oder sich schon abzeichnende Bedarfe geht. Fast alle unsere Erstgespräche enden mit Dank für die sehr interessanten Informationen, die die EAA ins Haus gebracht hat. Bisher haben – durchaus zu unserem Erstaunen – alle Personalverantwortlichen, selbst die mit gutem Vorwissen, durch die EAA neues Wissen zu den Unterstützungsangeboten unserer Partner erhalten. Die EAAs wirken als Multiplikatoren für die Angebote der Integrations-/Inklusionsämter, der Reha-Träger, der IFDs, der Jobcenter und der Kammern. Hohes Interesse besteht außerdem an Unterstützung bei der Stellenbesetzung, an Tipps zu inklusiver Rekrutierung, an Jobcarving und an Hilfestellung, um erfahrene Fach- und Arbeitskräfte im Unternehmen halten zu können.
Horst Seim: Grundsätzlich ist die Einführung der EAA ein Meilenstein in die richtige Richtung. Sie sind wichtige und einflussreiche Ansprechpartner für Arbeitgeber und Betriebe. Vom Recruiting-Prozess bis zur Arbeitsplatzsicherung. Arbeitgeber und Institutionen, die bereits mit den EAAs zusammenarbeiten, geben uns ein positives Feedback, denn die Arbeitnehmer werden durch unsere Arbeit spürbar entlastet.
Kirsten Susanne Dier: Das Unterstützungsangebot der EAA wird sehr gut angenommen, auch weil die Netzwerkarbeit mittlerweile kurze Wege in der Fallbearbeitung ermöglicht und der Arbeitgeber durch die engmaschige Begleitung bestmöglich entlastet wird.
Was hat sich für Arbeitgeber im Vergleich zur Situation vor der Einführung der EAAs verbessert?
Kirsten Susanne Dier: Neben der allgemeinen Information hat sich herausgestellt, dass für viele Arbeitgeber eine Begleitung und Unterstützung im Einzelfall sehr wichtig ist. Die Kontakte der EAA zu ihnen sind sehr nachhaltig. Das heißt, die Arbeitgeber wissen, dass sie sich jederzeit an die EAA wenden und auf deren Kompetenz zurückgreifen können. So konnten mögliche Vorbehalte abgebaut werden, da die Arbeitgeber wissen, dass sie auch auf lange Sicht Unterstützung durch die EAA bei der Beschäftigung von Menschen mit Schwerbehinderung erhalten. Die Gewissheit, dass die EAA ihre Lotsenfunktion zu Unterstützungsangeboten auch während des Beschäftigungsverhältnisses weiter anbietet, macht Arbeitgebern die Entscheidung für die Beschäftigung eines Menschen mit Behinderung viel leichter. Vor allem kleinere Arbeitgeber scheuen sich weniger vor der Antragstellung, da diese mit der EAA abgestimmt und mit den zuständigen Stellen im Vorfeld besprochen werden kann.
Susanne Tölzel: Inklusion und Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt sind durch die Einrichtung der EAAs fraglos einfacher geworden. Vielen Arbeitgebern wird erst dank der Information durch die EAAs bewusst, wie vielfältig und divers die große Gruppe von Menschen mit Behinderung ist und welch ungeahntes Potenzial sie hier finden können. Begrenzende Klischees werden in den Erstgesprächen, die in hoher Zahl geführt werden, als solche erkannt und korrigiert. Die Arbeit der EAAs bereitet den Boden und erhöht die Bereitschaft, sich dem Thema Inklusion zu widmen. Viele Personalverantwortliche schätzen es, dass ihnen nun eine zentrale Anlaufstelle zur Verfügung steht, die sich für sie einsetzt, indem sie sie zu individuell passenden Unterstützungsangeboten lotst.
Horst Seim: Als die großen Vorteile der EAAs nennen uns die Arbeitgeber beispielsweise die schnelle und unbürokratische Erreichbarkeit, die Kompetenz und das Fachwissen der Beraterinnen und Berater, den großen Pool an Netzwerkpartnern und die zielorientierten Feststellungsverfahren der Bedarfe. Die gezielte Unterstützung und spürbare Entlastung der Arbeitgeber führen dazu, dass beim Thema „inklusive Beschäftigung“ langsam ein Umdenken stattfindet.
Was müssen Arbeitgeber wissen, wenn sie einen Menschen mit Behinderung beschäftigen wollen? Was sind Ihre wichtigsten Tipps?
Horst Seim: Das Thema Menschen mit Behinderung und deren Teilhabe am Arbeitsleben ist nach wie vor ein fragiles Thema. Es gilt Normalität zu schaffen, Menschen mit Behinderung sind keine „Anderen“, sondern eben Menschen. Die People-First-Philosophie muss in den Vordergrund rücken. Wenn sich Menschen mit Behinderung bewerben, ist ein erster Schritt eine vorurteilsfreie Einladung zum Gespräch. Und dann sollte einfach offen gefragt werden, was man als Arbeitgeber machen kann, damit der Betreffende für einen tätig werden kann. Menschen mit Behinderung sind nämlich Experten in eigener Sache und wissen in der Regel, was sie brauchen.
Kirsten Susanne Dier: Viele Arbeitgeber befürchten durch die Einstellung und Beschäftigung von Menschen mit Behinderung einen erhöhten Aufwand für sich und auch für die jeweiligen Teams. Deshalb ist es ihnen wichtig, dass sie bei dieser Herausforderung Begleitung durch die EAA und deren Netzwerk erhalten und nicht alleingelassen werden. Daher ein ganz wichtiger Tipp von uns: Sobald Probleme oder Fragen auftauchen, bitte Kontakt zu EAA aufnehmen. Wir bemühen uns immer gute Lösungen für alle Beteiligten zu finden.
Susanne Tölzel: Meine Tipps: Berührungsängste abbauen, mit Beratung und Information durch die EAA starten, Fragen klären, erste Erfahrungen machen und entdecken, dass die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung in vielen Fällen weitaus unkomplizierter ist als anfänglich vermutet. Arbeitgeber, die Menschen mit Behinderung beschäftigen, stehen niemals allein da! Und das Engagement lohnt sich für die Arbeitgeber. Wir erleben regelmäßig, dass Arbeitgeber von den Fähigkeiten positiv überrascht sind, wenn sie sie in einem Praktikum oder im Beruf an einem passenden Arbeitsplatz kennenlernen.
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- Gut geschult: Weiterbildung für die Vertreter der Arbeitgeber
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- Erstes Fazit: Zwei Jahre Einheitliche Ansprechstellen für Arbeitgeber
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- Die Ausgleichsabgabe steigt, ZB erklärt, warum das gut ist.
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