Illustration von Justitia

Fehlende Einladung zum Vorstellungsgespräch

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied in einem aktuellen Urteil, dass öffentliche Arbeitgeber schwerbehinderte Bewerber auch dann zu einem Vorstellungsgespräch einladen müssen, wenn es sich um eine interne Stellenbesetzung handelt. Ein entscheidender Punkt dabei ist jedoch, dass der Arbeitgeber über die Schwerbehinderung oder Gleichstellung des Bewerbers informiert sein muss – andernfalls entfällt diese Pflicht.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25.04.2024; 8 AZR 143/23

Worum geht es?

Die Klägerin, eine Mitarbeiterin der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, hatte sich nach dem Ende ihres befristeten Vertrags auf zwei interne Stellen als Sekretärin beworben. Die Universität wusste aus früheren Zusammenhängen von ihrer Schwerbehinderung beziehungsweise Gleichstellung, allerdings erwähnte die Arbeitnehmerin diese in ihren neuen Bewerbungsunterlagen nicht. Obwohl die Ausschreibungen schwerbehinderte Bewerber ausdrücklich zur Bewerbung ermutigten und eine bevorzugte Berücksichtigung bei gleicher Eignung zusicherten, wurde die Klägerin nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Sie klagte daraufhin auf Entschädigung, da sie sich benachteiligt fühlte.

„Sie hätte daher ihre Schwerbehinderung in den Bewerbungsunterlagen explizit angeben müssen.“

Hintergrund des Urteils

Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass zwar grundsätzlich eine Einladungspflicht für schwerbehinderte Bewerber besteht, auch bei internen Stellenausschreibungen. Diese Pflicht kann allerdings nur dann greifen, wenn der Arbeitgeber von der Schwerbehinderung des Bewerbers weiß oder wissen müsste. Das BAG stellte fest, dass der Bewerber den Arbeitgeber auf seine Schwerbehinderung hinweisen muss, wenn diese für das Auswahlverfahren berücksichtigt werden soll.

In diesem Fall wusste zwar die Personalabteilung der Universität von der Schwerbehinderung der Klägerin, jedoch wurden die Bewerbungsverfahren dezentral von den einzelnen Fakultäten organisiert. Für die Klägerin war aufgrund der Ausschreibungen erkennbar, dass die Fakultäten das Verfahren unabhängig durchführten. Sie hätte daher ihre Schwerbehinderung in den Bewerbungsunterlagen explizit angeben müssen, um sicherzustellen, dass sie von der bevorzugten Berücksichtigung profitieren könnte. Deshalb wies das BAG die Klage ab und hob das stattgebende vorangegangene Urteil auf.

Bedeutung für Bewerbende

Das Urteil verdeutlicht, dass schwerbehinderte oder gleichgestellte Bewerber selbst dann aktiv auf ihre Schwerbehinderung hinweisen müssen, wenn sie bereits für den Arbeitgeber tätig sind. Auch in einem internen Bewerbungsverfahren ist es ratsam, diesen Hinweis in die Bewerbungsunterlagen aufzunehmen, da dezentral organisierte Prozesse oft bedeuten, dass nicht alle Entscheidungsträger Zugang zu den Informationen der Personalabteilung haben.

Rechtsgrundlage

§ 165 Satz 3 SGB IX

„(…) Haben schwerbehinderte Menschen sich um einen solchen Arbeitsplatz beworben oder sind sie von der Bundesagentur für Arbeit oder einem von dieser beauftragten Integrationsfachdienst vorgeschlagen worden, werden sie zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen.“ 

 

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Schlagworte:
Urteil

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