Barrierefrei wandern
Der Naturpark Nordschwarzwald-Mitte sensibilisiert seine Wander-Guides in zweitägigen Seminaren zum Thema Barrierfreiheit. Kursleiter Hans-Peter Matt ist selbst Berater für Barrierefreiheit, Naturliebhaber und sitzt im Rollstuhl – er weiß, worauf es ankommt.
Hans-Peter Matt ist Deutschlands erster Wanderführer im Rollstuhl. Seit nunmehr 16 Jahren berät er den Naturpark Nordschwarzwald-Mitte, um die Landschaft auch Menschen mit Behinderungen zugänglich zu machen. Sein aktuelles Projekt: Im Frühjahr hat der 54-Jährige acht Schwarzwald-Guides in einem zweitägigen Seminar zum Thema Barrierefreiheit geschult. Die Kursteilnehmer sollen erfahren, wie es für Menschen mit Behinderung ist, sich im Gelände zu bewegen und zu orientieren, erklärt Matt. Dazu bedient er sich verschiedener Hilfsmittel wie Blinden-Masken, um die Augen zu verbinden, Kopfhörern, um das Hören zu erschweren, Gewichten für die Füße, Rollstühlen und Rollatoren. Das zeige den Schwarzwald-Guides, wie schwierig es ist, sich als Blinder, als älterer Mensch beziehungsweise im Rollstuhl sitzend oder am Rollator gehend in der Natur fortzubewegen. „Die beste Informationstafel bringt nichts, wenn Blinde an ihr vorbeilaufen", sagt er. Und für Menschen im Rollstuhl werde eine einfache Regenrinne, die quer über den Weg verläuft, zum schwierigen Hindernis. Zur Barriere.
Den Begriff Barrierefreiheit will Matt dabei etwas weiter gefasst wissen. Man müsse immer fragen, barrierefrei für wen? „Wenn mobilitätseingeschränkte Menschen eine Strecke zum Beispiel nicht bewältigen können, muss das nicht zwangsläufig bedeuten, dass ein gehörloser oder blinder Mensch den Weg nicht schafft", sagt Matt. Eine Hürde für Menschen mit Behinderung sei nicht der vermeintlich holprige Weg, sondern die fehlende Information. Mit welchen Hilfsmitteln oder Assistenz kann dieser oder jener Wanderweg bewältigt werden? Gibt es sanitäre Anlagen auf der Route? Wie reise ich an, wie reise ich ab? Das seien wichtige Fragen.
„Die Wanderführerinnen und Wanderführer wirken als Multiplikatoren."
Matt hat barrierefreie Wanderführer entwickelt
Und genau mit diesen Fragen befasst sich Naturliebhaber Matt seit 2007. Damals hat er begonnen, rund um seinen Heimatort Haslach im Kinzigtal im Schwarzwald Wanderrouten auszukundschaften. Aktuell sind mehr als 20 Wanderstrecken auf seiner Website Naturpark AugenBlicke - WILLKOMMEN bewertet, die für jeden abrufbar sind. Mit einem ausgeklügelten Bewertungssystem sind dort zu den jeweiligen Touren alle wissenswerten Informationen zusammengefasst. „Ich habe jede Runde abgefahren und dabei auf Kriterien wie etwa die Steigung, die Bodenbeschaffenheit, Sitzgelegenheiten, die Infrastruktur oder sanitäre Anlagen geachtet“, sagt er. Auf diese Weise seien barrierefreie Wanderführer entstanden, die auch das Interesse von Kommunen geweckt haben. Die Erfahrungen, die er auf diesen Wandertouren sammeln konnte, waren dann auch Grundlage für das zweitägige Seminar mit den Wander-Guides im Naturpark Nordschwarzwald-Mitte.
Seit seinem 18. Lebensjahr sitzt Matt im Rollstuhl. „Ich hatte einen unverschuldeten Autounfall auf der Rückfahrt von einem Fußballspiel", erzählt er. Zu dieser Zeit war Matt in der Ausbildung zum Gas- und Wasserinstallateur. Nach dem Unfall gab es damals noch eine fast einjährige Reha. Dennoch habe er sich schnell mit dem neuen Ist-Zustand abgefunden. Antrieb und Motivation waren immer: „Das Glas ist halbvoll und nicht halbleer", sagt er. Auch wenn ihn die Rentenversicherung mit 20 Jahren bereits in die Rente schicken wollte, hat Matt eine Ausbildung zum Industriekaufmann und danach – im Abendstudium – erfolgreich ein Studium zum Betriebswirt absolviert. Seit Jahrzehnten arbeitet der Naturliebhaber als Sachverständiger für barrierefreies Bauen im Schwarzwald.
Barrierefreiheit auch für andere Gruppen wichtig
Auf Barrierefreiheit seien nicht nur Menschen mit Behinderung angewiesen, sagt Experte Matt. Das betreffe auch Familien, die mit Kinderwagen unterwegs sind, oder ältere Menschen mit Gehhilfe – deren Zahl zukünftig aufgrund des demografischen Wandels noch steigen werde. Deshalb freut er sich, dass von den Schwarzwald-Guides, die bisher an der Schulung teilgenommen haben, ein paar bereits barrierefreie Touren anbieten. „Das war unsere Idee: Die Wanderführer wirken als Multiplikatoren, die vielleicht auch zukünftig in anderen Naturparks in Deutschland barrierefreie Wanderrouten anbieten."
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