Mitarbeiter halten dank Maschinen

Seit seiner Krebserkrankung ist Stefan Baches schwerbehindert und kann keine schweren Lasten mehr heben. Jetzt hilft dem 55-jährigen Tischlergesellen ein Roboter bei der Arbeit. Unser Beispiel zeigt, wie ein Handwerksbetrieb bei der Beschäftigung von Menschen mit Behinderung schnell und unkompliziert unterstützt wurde.

Stefan Baches bedient den Glasroboter

Stefan Baches gehört zum Inventar der Tischlerei Klomp in Mönchengladbach. So beschreibt er es selbst. 1986 hat er im Betrieb seine Ausbildung zum Schreiner gemacht und ist dort, von der Auszeit des 20-monatigen Zivildienstes Ende der 1980er-Jahre abgesehen, bis heute ununterbrochen tätig. Hauptsächlich arbeitet Baches im Handwerksbetrieb in der Montage. Er baut Fenster, Treppen, Türen, Parkettböden und Küchen ein. In diesem Bereich kennt er sich aus, da macht dem 55-Jährigen aufgrund seiner langen Berufserfahrung bis heute keiner so schnell etwas vor.

Im September 2021 erhielt der Tischlergeselle eine Diagnose, die sein geregeltes Leben auf den Kopf stellen sollte: Prostatakrebs. Seit der Operation einen Monat später, bei der die Prostata entfernt wurde, kämpft Baches mit den Folgen des Krebses. Fast vier Monaten musste der Handwerker nach seiner Operation im Job pausieren. Aufgrund des großen Bauchschnitts sei es dann auch später mit dem Heben und Tragen schwerer Türen und Fenster vorbei gewesen, erzählt er. Dabei gehören diese Tätigkeiten zur Jobbeschreibung von Stefan Baches. Heute arbeitet der Handwerker mit einem Grad der Behinderung von 70.

Terrassenscheiben können bis zu 400 Kilo wiegen

Eine weitere Veränderung der allgemeinen Arbeitsbedingungen beschreibt Firmenchefin Kathrin Baston-Klomp. „Aufgrund aktueller Wärmeschutzverordnungen kommen bei uns meist nur noch 3-fach-Verglasungen zum Einsatz“, erzählt sie. Da könne eine große Terrassenscheibe auch schon mal bis zu 400 Kilo wiegen. „Die sind so unvorstellbar schwer geworden, dass auch unsere nicht behinderten Mitarbeiter Schwierigkeiten bei der Montage bekommen“, sagt sie. Da habe man sich dann im Jahr 2022 in der Familie Gedanken gemacht, wie man die Fachkraft Baches effektiv einsetzen kann. „Der Stefan weiß, wie es geht“, sagt ihr Mann und Betriebschef Hans-Wilhelm Klomp. Baches hätte man nach seiner Krankheit auch nicht ins Büro setzen können. Es sei mal kurz angedacht gewesen, Baches im Büro mit der Disposition zu beauftragen, „aber keine Chance“.

Die Tischlerei Klomp ist ein Familienbetrieb, der im Jahr 1900 gegründet wurde. Der heutige Chef hat den Betrieb 1993 übernommen und zunächst noch zusammen mit dem Vater geführt. Der studierte Diplom-Kaufmann hat von klein auf im Tischlerbetrieb mitgearbeitet und „kann alles, was ein Tischler können muss – und noch viel mehr“, sagt seine Frau. Der Tischlerei mit aktuell 20 Mitarbeitenden geht es wirtschaftlich gut. Eigentlich wollen die Klomps die Belegschaft erweitern, jedoch findet man keine neuen Mitarbeitenden – Stichwort Facharbeitermangel. Auch aus diesem Grund hatte man in der Tischlerei Klomp noch nie Berührungsängste mit der Anschaffung von modernen Maschinen. „Wir waren eine der ersten Schreinereien in Mönchengladbach, die bereits Anfang der 1990er-Jahre mit einer CNC-Maschine gearbeitet haben – das war damals schon eine große Arbeitserleichterung, weil viele Arbeitsschritte wegfielen", sagt Unternehmer Klomp.

Der Glasroboter im Einsatz
Stefan Baches bedient den Glasroboter

Fachverband gibt den entscheidenden Tipp

Auch mit einem Glasroboter, einem Lifter, hat man in dem Handwerksbetrieb bereits Erfahrungen sammeln können. „Den hatten wir bereits bei großen Projekten ausgeliehen und wir haben gesehen, dass das gut funktioniert“, erzählt der 55-jährige Klomp. Schnell war man sich zusammen mit der Belegschaft einig, dass ein Glasroboter angeschafft wird, der alle Mitarbeitenden und vor allem Stefan Baches täglich bei den Arbeiten mit den schweren Fenstern unterstützt.

Endgültig überzeugt hat den Chef des Handwerksbetriebs, der schon lange Zeit in Handwerksverbänden aktiv ist, dass solche Betriebsanschaffungen bei der Beschäftigung von Arbeitnehmern mit Schwerbehinderung gefördert werden. Die Information erhielt er vom Verband „Tischler NRW“, in dem Hans-Wilhelm Klomp im Vorstand mitarbeitet. „Den Verband frage ich immer, wenn wir mit dem Gedanken spielen, zu investieren“, sagt Klomp. Es gebe mittlerweile so viele Förderprogramme, da könne man schnell den Überblick verlieren. Und der Fachverband kenne sich gut aus, erzählt er.

Fachstellen der Kommunen arbeiten für das Inklusionsamt

Dann ging alles ganz schnell: Nicole Peter von der Stadt Mönchengladbach und Sabine Stange vom Technischen Beratungsdienst (TBD) des Inklusionsamtes in Köln nahmen sich der Sache an. Nicole Peter arbeitet in der Fachstelle für behinderte Menschen im Arbeitsleben der Stadt Mönchengladbach. Die Fachstelle arbeitet im Auftrag der Inklusionsämter und das ist laut Peter eine Sonderstellung. „Im Rheinland hat der Landschaftsverband Rheinland die Aufgaben der Inklusionsämter übernommen und delegiert Teile seiner Aufgaben an die Fachstellen der Kommunen – die Arbeitsstättenförderung oder die Förderung bei Neueinstellung verbleiben aber bei den Inklusionsämtern“, sagt sie. Seit Mai 2018 arbeitet die 53-Jährige im Team der Fachstelle, seit 1993 ist sie bei der Stadtverwaltung Mönchengladbach angestellt.

Im Fall Baches/Tischlerei Klomp erhielt Peter im Oktober 2022 einen Anruf der Kreishandwerkerschaft, den Betriebschef Klomp initiiert hatte. Daraufhin nahm die Beamtin Kontakt zu Sabine Stange vom TBD beim Inklusionsamt in Köln auf. Die beiden arbeiten seit Jahren gut zusammen. Abhängig von der Zahl der Betriebsbesichtigungen, die Peter in ihrer Region vereinbart hat, treffen sich die beiden ein- bis zweimal im Monat vor Ort in Mönchengladbach. „Die Zusammenarbeit klappt wirklich hervorragend“, sagt die Elektrotechnik-Ingenieurin vom TBD. „Frau Peter ist immer sehr gut vorbereitet und arbeitet sehr schnell.“

„Das wertvollste Kapital, das wir haben, ist nach wie vor der Mitarbeiter."
Hans-Wilhelm Klomp, Betriebschef Tischlerei Klomp

Der TBD denkt mit und weiter

So auch bei der Betriebsbesichtigung in der Tischlerei Klomp am 14. November. Bei diesem Termin vor Ort hatte Stange vom TBD die Idee, zum Glasroboter auch einen Anhänger anzuschaffen, damit der sogenannte Lifter auch problemlos zu den Baustellen transportiert werden kann. „Da denken wir einfach mit und weiter“, sagt sie. Der erweiterte Antrag landete dann auf dem Schreibtisch des TBD, der empfohlen hat, die Anschaffung des Glasroboters und Anhängers zu fördern. Wilhelm Alexander Klomp, der 21-jährige Sohn, hat sich dann um die Anträge, weitere Angebote und Dokumente gekümmert. Bereits am 17. desselben Monats konnte Peter von der Fachstelle den positiven Bescheid rausschicken – „das ging alles sehr schnell“, sagt sie. „Das war auch für mich einer der reibungslosesten Fälle, die ich jemals abgewickelt habe.“ Nach der Genehmigung des Förderantrags wurde dann der Glasroboter bestellt und im Dezember 2022 geliefert.

„Die Zusammenarbeit mit den Damen vom Amt war perfekt“, freut sich der Betriebschef, der zunächst noch skeptisch war. Auch er habe seine Vorurteile über Beamte gehabt, räumt er ein. Aber das genaue Gegenteil sei der Fall gewesen: „Schnell und ergebnisorientiert wurde uns geholfen. Hilfestellungen und Abwicklung – alles toll!“ Das Lob habe das engagierte Verbandsmitglied auch im Tischlerei-Fachverband und -Bundesverband weitergegeben und Werbung gemacht.

Baches und der Glasroboter
Stefan Baches bedient den Glasroboter

Der Glasroboter ist eine Hilfe für die gesamte Belegschaft

Seit Dezember ist Stefan Baches im Handwerksbetrieb Klomp für den Glasroboter zuständig, das heißt, er kümmert sich um die Wartung und den korrekten Akkustand, damit das Gerät auch immer einsatzbereit ist. „Vor allem beim Einsetzen großer, schwerer Scheiben ist der Roboter eine große Hilfe“, sagt er. Aber auch bei leichteren Scheiben um die 100 Kilo sei die neue Maschine eine große Erleichterung bei der Arbeit. Dabei packt sich der Roboter eine Glasscheibe mit seinen vier Saugnäpfen und kann sie bis zu vier Meter hochheben, drehen und bewegen – alles gesteuert per Fernbedienung. Natürlich müssen alle Mitarbeiter immer aufpassen, dass der Roboter bei schweren Lasten nicht umkippt. Diese Gefahr kann vor Ort auf der Baustelle bei wackeligem Untergrund oder in der Werkstatt schon mal bestehen. „Aber mittlerweile sind wir fit im Umgang mit dem Gerät“, sagt Baches.

„Wir haben ein paar Maschinen in der Werkstatt, das sind unsere Mähdrescher – die werden nur ein-, zweimal im Jahr gebraucht“, sagt der Chef. Das sei bei dem Glasroboter anders: Die Mitarbeiter nutzen ihn fast täglich, auch weil er so universell einsetzbar sei. So kann der „kleine“ Glasroboter auch mit einem Haken umgerüstet werden, um schwere Baumaterialien auf der Baustelle zu bewegen. In dem Fall wird der Roboter genutzt wie ein kleiner Kran. Auch nutzen jetzt immer mehr andere Mitarbeiter – nicht nur Stefan Baches – den Roboter, um schwere Fenster oder andere Baumaterialien zu bewegen. „Im Sinne der Prävention ist das eine gute Entwicklung“, sagt Betriebschef Klomp. „Hier werden schon im Vorfeld die Rückenschäden von morgen vermieden.“

Prävention soll verstärkt werden

Und genau das fordert das Bundesteilhabegesetz (BTHG), in dem die Bedeutung der Prävention noch einmal deutlich verstärkt worden ist und das die Leistungsträger insgesamt auffordert, ihre Anstrengungen im Bereich Prävention zu verstärken. So heißt es dort:

Integrationsämter wirken bei Aufklärung, Beratung, Auskunft und Ausführung von Leistungen sowie im Rahmen der Zusammenarbeit mit den Arbeitgebern nach § 167 SGB IX darauf hin, dass der Eintritt einer Behinderung einschließlich einer chronischen Krankheit vermieden wird (§ 3 SGB IX).

Auch wenn Maschinen in der Tischlerei Klomp einen hohen Stellenwert haben, ist der Chef froh, dass er mit der Anschaffung des Glasroboters in Zeiten des Facharbeitermangels einen verdienten Mitarbeiter halten konnte. „Das wertvollste Kapital, das wir haben, ist nach wie vor der Mitarbeiter“, sagt er.

Die Tischlerei Klomp in Bildern

Klomp Senior und Junior

Vater und Sohn Klomp. Der Sohn Wilhelm wird derzeit in den Betrieb eingeführt. © Rupert Oberhäuser

Hans-Wilhelm Klomp im Portrait

Hans-Wilhelm Klomp leitet den Betrieb, engagiert sich aber auch darüber hinaus für sein Handwerk. © Rupert Oberhäuser

Stefan Baches im Gespräch

Stefan Baches im Gespräch mit seinem Chef und Klomp Junior. © Rupert Oberhäuser

Nicole Peter im Portrait

Nicole Peter von der Fachstelle für Menschen mit Schwerbehinderung im Arbeitsleben Mönchengladbach freut sich über die schnelle Abwicklung und die gute Vorbereitung der Klomps. © Rupert Oberhäuser

Peter, Baches und Klomp lächeln in die Kamera

Nicole Peter von der Fachstelle für Menschen mit Schwerbehinderung im Arbeitsleben der Stadt Mönchengladbach, Stefan Baches und Hans-Wilhelm Klomp. © Rupert Oberhäuser

Stefan Baches und der Glasroboter

Der Lifter kann mit einem Haken versehen werden, so dass auch "herkömmliche" Lasten damit gehoben werden können. © Rupert Oberhäuser

Baches und der Glasroboter

Stefan Baches ist froh über den Lifter – ohne könnte er seinen Job nicht mehr ausüben. © Rupert Oberhäuser

Fernbedienung des Glasroboters

Mit der Fernbedienung kann der Lifter einfach gesteuert werden. © Rupert Oberhäuser

Der Glasroboter in Aktion

Durch die Saugnäpfe wird die Scheibe per Unterdruck festgehalten. Das System ist besonders sicher, damit die schweren und teueren Scheiben nicht zu Bruch gehen. © Rupert Oberhäuser

Stefan Baches bereitet den Glasroboter vor

Stefan Baches prüft die Saugnäpfe. © Rupert Oberhäuser

Vater und Sohn Klomp. Der Sohn Wilhelm wird derzeit in den Betrieb eingeführt. © Rupert Oberhäuser

Hans-Wilhelm Klomp leitet den Betrieb, engagiert sich aber auch darüber hinaus für sein Handwerk. © Rupert Oberhäuser

Stefan Baches im Gespräch mit seinem Chef und Klomp Junior. © Rupert Oberhäuser

Nicole Peter von der Fachstelle für Menschen mit Schwerbehinderung im Arbeitsleben Mönchengladbach freut sich über die schnelle Abwicklung und die gute Vorbereitung der Klomps. © Rupert Oberhäuser

Nicole Peter von der Fachstelle für Menschen mit Schwerbehinderung im Arbeitsleben der Stadt Mönchengladbach, Stefan Baches und Hans-Wilhelm Klomp. © Rupert Oberhäuser

Der Lifter kann mit einem Haken versehen werden, so dass auch "herkömmliche" Lasten damit gehoben werden können. © Rupert Oberhäuser

Stefan Baches ist froh über den Lifter – ohne könnte er seinen Job nicht mehr ausüben. © Rupert Oberhäuser

Mit der Fernbedienung kann der Lifter einfach gesteuert werden. © Rupert Oberhäuser

Durch die Saugnäpfe wird die Scheibe per Unterdruck festgehalten. Das System ist besonders sicher, damit die schweren und teueren Scheiben nicht zu Bruch gehen. © Rupert Oberhäuser

Stefan Baches prüft die Saugnäpfe. © Rupert Oberhäuser

Was sind eigentlich die Fachstellen?

Die Inklusionsämter in Nordrhein-Westfalen machen von der Möglichkeit Gebrauch, bestimmte Aufgaben auf die kommunalen Partner (Kreise, kreisfreie Städte und große kreisangehörige Städte) zu übertragen.

Die 37 Fachstellen für Menschen mit Behinderung im Arbeitsleben im Rheinland sind zuständig für finanzielle Hilfen zur behinderungsgerechten Gestaltung von einzelnen bereits bestehenden Arbeitsplätzen sowie für die Anhörung im Sonderkündigungsschutz.

Mehr dazu sowie Kontaktmöglichkeiten gibt es auf der Website des LVR-Inklusionsamtes

 

 

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