Feuer und Flamme für BEM:
Das Eisenwerk Brühl
BEM aus einem Guss
Es geht geschäftig zu an der Waage des Eisenwerks Brühl. Die Laster rollen ein und aus, und alle kommen sie an Asaf Öztürk und Frank Esser vorbei. Wenn die Fahrer ihre Lkw auf die Waage gefahren haben, müssen sie die 19 Stufen zum Büro der beiden hinaufsteigen und die Frachtpapiere aushändigen. Esser und Öztürk arbeiten erst seit einem halben Jahr zusammen, doch sie verstehen sich gut. Öztürk wurde aufgrund einer Schwerbehinderung Anfang 2020 an die neue Stelle an der Waage versetzt.
Frank Esser erlebte ähnliches, allerdings vor 15 Jahren. Damals verlor er durch einen Wegeunfall einen Großteil seiner Sehkraft und wurde an die neue Stelle versetzt, da die Arbeit dort auch mit Hilfsmitteln wie einer Lupe gut funktioniert. Seine Erfahrung und Empathie zahlen sich aus. Er lernte Asaf Öztürk ein – und die beiden freundeten sich an. „Ein echtes Dreamteam“, sagt die BEM-Beauftragte des Eisenwerks, Monika Kern. Ein gutes und durchdachtes betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) hat die beiden zusammengebracht – und darauf ist Monika Kern stolz.
BEM aus Überzeugung
Kern ist seit 2018 BEM-Beauftragte des Eisenwerkes. Sie hatte damals selbst den Vorschlag gemacht, das Thema hauptberuflich zu betreuen. Seitdem hat sie durch viele kleine und große Veränderungen einiges erreichen können. Die wichtigste Errungenschaft ist wahrscheinlich die BEM-Betriebsvereinbarung, die das Eisenwerk verabschiedet hat. Damit ist der BEM-Prozess geordnet und systematisiert und Mitarbeiter, Betriebsrat und Schwerbehindertenvertretung haben eine Handhabe, wenn es um Mitarbeiter mit einer Schwerbehinderung oder länger erkrankte Beschäftigte geht. Gleichermaßen wichtig ist das Arbeitsplatzkataster, das das Eisenwerk angelegt hat. Dort sind alle Arbeitsplätze im Eisenwerk mit ihren Anforderungen verzeichnet. So ist ein behinderungs-, krankheits- oder altersbedingter Wechsel viel leichter möglich, da nicht mehr alle Informationen zum Arbeitsplatz erst eingeholt werden müssen, sondern bereits vorliegen. Kerns Verdienst ist auch das kleine, aber funktionale BEM-Team. Es besteht aus Kern selbst als Vertreterin des Arbeitsgebers, einem Betriebsarzt, einem Betriebsrat und dem Schwerbehindertenvertreter.
Vertrauensperson
Frank Hofer hat mit 17 Jahren begonnen, im Eisenwerk Brühl zu arbeiten, „und nun gehe ich stramm auf die 60 zu!“, lacht er. Das Eisenwerk Brühl hat insgesamt um die 1.600 Mitarbeiter, davon über 150 Beschäftigte mit Schwerbehinderung oder ihnen Gleichgestellte. Anlass für BEMs gibt es häufiger, denn die Arbeit ist körperlich herausfordernd und der Altersdurchschnitt mit 46 Jahren recht hoch. Kommt es zu einem BEM-Verfahren, dann muss das BEM-Team den betroffenen Mitarbeiter ins Boot holen. Denn das ist ganz wichtig am BEM: Ohne den Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin geht es nicht. Beschäftigte müssen dem Prozess zustimmen und können auch jederzeit abbrechen. Teilweise, wenn es beispielsweise um Suchterkrankungen geht, kann es in der BEM-Runde auch schon mal sehr emotional werden. Meistens geht es aber sachlich und zielorientiert zu. Die Teammitglieder tauschen sich aus zu Beschwerden und Einschränkungen des betroffenen Mitarbeiters und überlegen sich Lösungen. Das können neue Arbeitsmittel sein, die Erleichterung verschaffen, zum Beispiel eine Stehhilfe bei Menschen mit Arthrose. Das kann eine verkürzte Arbeitszeit sein, wenn ein depressiver Mitarbeiter sich nicht mehr so gut konzentrieren kann. Das können aber auch Arbeitsplatzwechsel sein. So wie bei Asaf Öztürk und Frank Esser.
Die Beschäftigten finden’s gut
Esser macht seinen Job gerne, das merkt man ihm an - seit er den neuen Kollegen Öztürk an der Seite hat, sogar noch ein bisschen lieber. Er kann seine Sehbehinderung durch seine elektronische Lupe gut ausgleichen. Wenn es einmal zu Schwierigkeiten kommt, greift ihm sein Kollege Öztürk unter die Arme. Esser wiederrum punktet mit 15 Jahren Arbeitserfahrung an der Waage. Die beiden haben unterschiedliche Schwerbehinderungen und sind auch auf unterschiedlichen Wegen zu ihren neuen Stellen gekommen. Esser noch „oldschool“ ohne BEM, Öztürk 2020 mit dem BEM-Prozess. Die Vorteile des neuen, systematischen Vorgehens haben sich bei letzterem gezeigt. Da zunächst nicht klar war, ob die Stelle an der Waage für Öztürk passen würde, hat eine sogenannte Arbeitserprobung stattgefunden. Die Kosten für den Lohn während dieser halbjährigen Probezeit liefen über eine spezielle BEM-Kostenstelle. Dadurch soll die Arbeitserprobung auch für die aufnehmenden Abteilungen interessant und attraktiv gemacht werden. Und das funktioniert.
Aus Freude an der Freude
Wenn BEM funktioniert, dann profitieren alle. Das neue BEM ist im Eisenwerk Brühl insgesamt sehr gut angenommen worden. Im Sommer 2020 gab es dafür sogar eine Auszeichnung. Das LVR-Inklusionsamt vergab eine mit 10.000 Euro dotierte BEM-Prämie an das Brühler Eisenwerk. Die Zusammenarbeit mit dem Inklusionsamt und dem Integrationsfachdienst funktioniert gut. Monika Kern fühlt sich gut unterstützt. Über die Prämie freut sie sich besonders. Die wichtigste Wertschätzung ihrer Arbeit kommt aber von den Mitarbeitern selbst. Wenn diese zufrieden sind, ist es Monika Kern auch.
Betriebliches Eingliederungsmanagement: 5 FAQ
Wie ein BEM läuft, wer mitmacht und wo es Unterstützung gibt.
So geht BEM
Das Eisenwerk in Bildern
Das Eisenwerk
Das Eisenwerk in Brühl produziert seit über 90 Jahren Werkstücke aus Eisen. Ursprünglich wurde das Produktprogramm durch Motorblöcke und Zylinderköpfe bestimmt. Aktuell richtet sich das Eisenwerk neu aus und erweitert die Produktpalette, um das Know-How auch in viele weitere Anwendungen einzubringen.
Vorbildliches Betriebliches Eingliederungsmanagement
Das sind die 5 Preisträger 2020
Das LVR-Inklusionsamt zeichnet Arbeitgeber der privaten Wirtschaft und des öffentlichen Dienstes seit 2007 für ihr erfolgreiches BEM aus. Bis zu fünf Preisträger erhalten jedes Jahr Prämien von jeweils 10.000 Euro. Die Übergabe der diesjährigen Auszeichnungen erfolgte im Rahmen einer kleinen Feierstunde in den jeweiligen Betrieben bzw. Dienststellen.
Sie haben Interesse an einer Teilnahme? Hier geht’s zu den Kriterien zur Vergabe der BEM-Prämie!
Und das sind die fünf Besten dieses Jahres: