Europaplatz Tübingen: barrierefrei und inklusiv

Vor einem Jahr hat Tübingen seinen neu gestalteten Bahnhofsvorplatz, den Europaplatz, eingeweiht: Es wurde Wert gelegt nicht nur auf Barrierefreiheit, sondern auch auf Möglichkeiten für berufliche Inklusion.

Der neu gestaltete Europaplatz kommt gut an in Tübingen – oder vielmehr: Man kommt in Tübingen gut an. Der zentrale Busbahnhof musste etwas zur Seite rücken, vor dem Bahnhof öffnet sich jetzt ein großzügiger Platz. Der Blick fällt auf einen langgezogenen Flachbau mit viel Holz und großen Fenstern. Hier sind eine Fahrradwerkstatt und ein Fahrradparkhaus untergebracht sowie ein helles, freundliches Café mit Seeblick. Der in der Vergangenheit vernachlässigte See wurde aufgewertet mit Wasserspielen, einer Fontäne, Sitzmöglichkeiten und einem barrierefreien Zugang.

Das Besondere an Werkstatt, Garage und Café: Hier arbeiten Menschen mit und ohne Behinderungen zusammen. Um die Radwerkstatt kümmern sich Mitarbeiter der Bruderhausdiakonie, das Inklusionsunternehmen Insiva der Habila zeichnet für den Service rund um das Parkhaus verantwortlich, und die großen und kleinen Gaumenfreuden im Café am See stellt ein weiteres Inklusionsunternehmen bereit: „Arbeit in Selbsthilfe (AiS)“ aus Mössingen. Der Inklusionsgedanke war wichtig bei der Ausschreibung der Neugestaltung des Areals.

 

Rundum-Service für Radler


Wer mit dem Rad zum Tübinger Bahnhof kommt, kann sich über ein umfassendes Serviceangebot freuen. Die Radstation bietet Ersatzteile und – auch kurzfristig buchbare – Reparaturen an. Und wer sich ein Fahrrad, ein E-Bike oder Lastenrad leihen möchte oder wem der Sinn nach einer – selbst zu bewegenden – Fahrradrikscha steht: hier wird man fündig.

In der geräumigen, kameraüberwachten Radgarage im Untergeschoss finden insgesamt 1.100 Zweiräder Platz. Die meisten Plätze sind kostenlos. Mit einem Monats- oder Dauerabo kann man auch gesichertes Parken mit persönlichem Zugangscode buchen. Wer einen Euro am Tag investiert, für den steht der Parkservice zur Verfügung: Ein Mitarbeiter bringt das gute Stück, gern auch beladen mit Einkäufen oder Gepäck, in einen gesonderten, abgeschlossenen Bereich und händigt es auch wieder aus.

Verdreckte Drahtesel mit und ohne Akku werden als weiterer Service in einer Fahrrad-Waschanlage wieder auf Hochglanz gebracht. „Die Anlage arbeitet nachhaltig“, erklärt Moritz Bordt, bei Insiva für die Radgarage zuständig, in der die Waschanlage steht. Benutzt wird ein mildes, ökologisch abbaubares Reinigungsmittel, das Wasser wird für den nächsten Waschgang wieder aufbereitet.

„Wir haben hier drei Mitarbeiter und einen Praktikanten aus der Werkstatt für behinderte Menschen“, sagt Moritz Bordt. Die vielfältigen Tätigkeiten bieten eine gute Chance für Menschen mit Behinderungen, sich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszuprobieren. Bilanz nach einem Jahr in Betrieb: Die Garage erfreut sich großer Beliebtheit, ebenso wie der Reparaturservice.

Das Café am See – mehr als ein Zwischenstopp


Großer Beliebtheit erfreut sich auch das Café am See. Ob Frühstück, Mittagessen, Kaffee und Kuchen oder Abendessen – für jede Tageszeit hat die Speisekarte etwas zu bieten.

Es herrscht stetiges Kommen und Gehen. Hier treffen sich junge Mütter mit ihren Babys zum Plausch, zwei Herren grübeln regelmäßig über einem Schachbrett und eine muntere Runde von Rentnerinnen vergnügt sich bei Gesellschaftsspielen.

„Leerlauf gibt es hier nicht“, kommentiert Marcus Hölz, Geschäftsführer des Inklusionsunternehmens AiS, das das Café betreibt – an sieben Tagen in der Woche, zwölf Stunden am Tag. Das Café hat 80 Plätze, im Sommer kommen noch 70 auf der Terrasse hinzu. „Wir haben den Anspruch, dass alles reibungslos läuft“, betont Regina Gmelin, die Leiterin des Cafés. 60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stehen dafür zur Verfügung, viele in Teilzeit.

Die fünf Beschäftigten mit Behinderungen sorgen für Atmosphäre, meint Regina Gmelin: „Wir lieben sie, unsere Inklusivkräfte!“ Aber sie punkten nicht nur mit Charme, sondern auch mit Leistung: „Am richtigen Platz zeichnen sie sich durch hohe Zuverlässigkeit und Loyalität aus“, weiß Marcus Hölz aus Erfahrung. Schließlich betreibt AiS noch weitere Cafés.

Durch die langen Öffnungszeiten können Arbeitsplätze maßgeschneidert werden. Der Stundenumfang ist variabel, Vorlieben für eine bestimmte Tageszeit können berücksichtigt werden. Beim Personal dürften es gerne noch ein paar Fachkräfte mehr sein. Bei den inklusiven Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern würde AiS außerdem gerne auf bis zu zehn aufstocken. 

Kürzlich war ein Bewerber da. Ein Rollstuhlfahrer, der unbedingt in den Service und nicht etwa in die Küche wollte. Regina Gmelin war zunächst skeptisch, obwohl das Café mit seinen breiten Gängen barrierefrei ist. „Er kam im Sportrollstuhl und hat beim Servieren nicht einen Tropfen verschüttet“, erinnert sich Gmelin beeindruckt an die Arbeitsprobe.

Ein Jahr neuer Europaplatz Tübingen: Hier haben die Bruderhausdiakonie und die beiden Inklusionsunternehmen Insiva und AiS ein inklusives Gesamtpaket geschaffen, das überzeugt.

Text und Bilder: Monika Kleusch

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