Mensch-Roboter-Kollaboration bei Ford
Kollege Roboter
Im Motorenwerk der Firma Ford in Köln arbeitet seit einigen Monaten ein neuer Kollege und unterstützt zwei Mitarbeiter mit Schwerbehinderung bei ihrer Arbeit am Band. Der Neue ist ein sogenannter kollaborierender Roboter. Das LVR-Inklusionsamt und die RWTH Aachen waren an der Umgestaltung des Arbeitsplatzes maßgeblich beteiligt.
Gemeinsam haben wir einen einzigartigen kollaborativen Arbeitsplatz in der Industrie umgesetzt. Ich kenne kaum solch erfolgreich umgesetzte Kollaborationsarbeitsplätze.
Der "Neue"
In der großen Halle des Motorenwerks in Köln Niehl herrscht emsiges Treiben. Die Motoren fahren auf dem Band kreuz und quer durch die Halle, Mensch und Roboter arbeiten Teile ein, Lieferfahrzeuge bringen neues Material an die Arbeitsplätze. In dem Trubel geht der neue kleine Roboterkollege der Fordwerke fast unter, obwohl er leuchtendorange ist. Ein kollaborierender Roboter, kurz Kobot, übernimmt an einer Stelle der Fertigungsstraße neuerdings zwei Handgriffe. Das klingt nach wenig, aber: Diese Handgriffe wären für die menschlichen Mitarbeiter auf Dauer zu anstrengend – und so entstand mit der Unterstützung durch den Roboter ein Arbeitsplatz für zwei Mitarbeiter mit Schwerbehinderung.
Einer davon ist Dietmar Brauner. Der langjährige Fordmitarbeiter arbeitet seit April 2021 mit dem Kobot zusammen und freut sich, dass er nun einen Arbeitsplatz gefunden hat, der zu seinen Fähigkeiten passt. Die schweren Handgriffe nimmt ihm der Kobot ab, den Rest schafft er selbst. Brauner sagt, dass er von Anfang an neugierig gewesen sei, in dem Projekt mitzuarbeiten und dass es sehr gut angelaufen sei.
Keine Scheu
Dass er keine Scheu vor dem neuen Kobot hatte, sei ein großer Vorteil gewesen, erklärt Vanessa Lemoch, die das Kobot-Projekt bei Ford leitet. Das Besondere an dem Kobot ist, dass er ohne räumliche Trennung und ohne Schutzzaun direkt neben dem Mitarbeiter arbeitet. Deshalb braucht der Roboter spezielle Sensorik. Im Falle einer unfreiwilligen Berührung stoppt er beispielsweise sofort, um den Mitarbeiter nicht zu verletzen. Das sei auch einer der Knackpunkte bei der Einführung gewesen, erklärt Lemoch. Die Fertigungsabläufe mussten an den Kobot angepasst werden. Dieser arbeitet relativ langsam – auch ein Schutzmechanismus – und das Band musste entsprechend getaktet werden.
Die Mitarbeiter hingegen waren recht schnell überzeugt – das liegt womöglich auch an der weichen, rundlichen Form des Kobot. Er wirkt nicht bedrohlich oder gefährlich, trotz des fehlenden Zauns, und arbeitet seit nunmehr über vier Monaten einträchtig mit seinen beiden menschlichen Kollegen zusammen.
Bewährungsprobe
Die Feuerprobe ist gelungen, findet Oliver Färber, Werksleiter im Kölner Motorenwerk, und betont, dass dies nur der Anfang sei. Damit es nicht bei dem einen Kobot und den zwei Arbeitsplätzen bleibt, wurde die RWTH Aachen ins Boot geholt. Gemeinsam mit allen Beteiligten wird aktuell analysiert, wie man die Erfahrungen rund um Kobot Nummer eins auf weitere Arbeitsplätze übertragen kann. Prof. Mathias Hüsing, der das Projekt von Seiten der RWTH Aachen begleitet, erklärt, dass es bisher wenige solch kollaborative Arbeitsplätze gebe. Er fragt: „Warum dieser Mangel?" Um anderen Unternehmen die Gestaltung von Kollaborationsarbeitsplätzen zu ermöglichen, analysiert die RWTH Aachen die Prozessplanung bei Ford und entwickelt daraus Empfehlungen.
Nachahmung erwünscht
Und genau das sei das langfristige Ziel des Projektes, betont auch Christoph Beyer, Chef des LVR-Inklusionsamtes. Neben den geschaffenen Arbeitsplätzen für Menschen mit Schwerbehinderung ist der Nachahmungseffekt explizit gewünscht. Das LVR-Inklusionsamt war von Anfang an bei der Planung involviert und unterstütze mit Expertise und einem Förderbetrag in Höhe von 372.000 Euro, der in die Anschaffung des Kobot und die nötigen Anpassungen floss.
Die Zusammenarbeit war, das betonen alle Beteiligten, immer konstruktiv und wertschätzend und habe super funktioniert. So wurden die beiden Mitarbeiter bereits einbezogen und auf die körpernahe Arbeit des Kobot vorbereitet, bevor der Roboter angeschafft wurde.
Beyer wünscht sich, dass auch andere Unternehmen und Organisationen solch eine Kooperation in Betracht ziehen, um Mitarbeitende mit Schwerbehinderung im Job zu halten oder sogar einstellen zu können. Das LVR-Inklusionsamt ist, so versichert Beyer, für Beratung und Unterstützung zur Stelle.
Das Kobot-Projekt: Gemeinsame Sache
Die Ford-Werke GmbH ist ein deutscher Automobilhersteller und Mobilitätsanbieter mit Sitz in Köln. Das Unternehmen beschäftigt an den deutschen Standorten mehr als 20.000 Mitarbeiter*innen.
Seit 2018 wird das Kobot-Projekt gemeinsam mit dem LVR-Inklusionsamt realisiert. Für weitere Analysen und die Adaption des Projektes in anderen Bereichen und Branchen ist seit Juni 2020 auch die RWTH Aachen mit dabei.
3 Fragen an Prof. Dr.-Ing. Mathias Hüsing
Wie verlief Ihre Zusammenarbeit mit Ford und dem LVR?
Die Zusammenarbeit mit Ford und dem LVR funktioniert reibungslos und prima. Angeforderte Dokumente für die wissenschaftliche Auswertung seitens Ford werden zügig zur Verfügung gestellt und der Austausch ist immer sehr interessant. Auch die Finanzierung seitens des LVR ist stets flexibel. Durch die gute Zusammenarbeit können die Umstände der Corona-Pandemie ohne Probleme bewältigt werden.
Welche Vorteile sehen Sie im Kobot?
Der Kobot eignet sich vor allem für repetitive, belastende und ermüdende Aufgaben. Insgesamt können so Erkrankungen vorgebeugt, Ausfalltage verringert und die Zufriedenheit der Beschäftigten gesteigert werden. Dabei sehen wir den Kobot als Assistenzmedium für Menschen.
In welchem Kontext können Sie sich den weiteren Einsatz von Kobots vorstellen?
Die zukünftigen Einsatzszenarien sind schwierig abzuschätzen, da Kobots immer wieder in verschiedensten und neuen Kontexten eingesetzt werden. Hinzu kommt, dass die Kollaboration noch ausbaufähig ist. Die meisten Kobots werden wie Industrieroboter ohne trennenden Schutzzaun betrieben. Die höchste Kollaborationsstufe jedoch ist die synchrone Zusammenarbeit am selben Bauteil. Hier gibt es also noch ein großes Potential. Fortschritte in Sensortechnologien und Künstlicher Intelligenz wird die Sicherheit der Kobots in Zukunft entscheidend verbessern. Wir stellen uns den Einsatz von Kobots in modernen Arbeitsplätzen vor, bei denen Menschen bestmöglich unterstützt werden und die Roboter über Sprachsteuerung und Intentionserkennung proaktiv an der vorliegenden Aufgabe beteiligen können.
Das Projekt in Bildern
Informationen zur technischen Beratung
Wenn Sie sich beraten lassen möchten oder weiterführende Informationen zu technischer Unterstützung benötigen, können Sie sich auf den Seiten des LVR-Inklusionsamtes informieren.
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