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Aktuelles Urteil:
Pflicht zum Präventionsverfahren

Kündigungen, die gegen § 164 Abs. 2 SGB IX verstoßen, sind rechtsunwirksam. Arbeitgeber sind auch während der Probezeit verpflichtet, ein Präventionsverfahren nach § 167 Abs. 1 SGB IX durchzuführen.

ArbG Köln, Urteil vom 20. Dezember 2023 – 18 Ca 3954/23

Worum geht es?

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Kündigung. Ein Beschäftigter mit einem GdB von 80 unter anderem wegen eines frühkindlichen Hirnschadens klagte. Er war seit dem 01.01.2023 bei der beklagten Kommune als "Beschäftigter im Bauhof" angestellt und befand sich noch in der Probezeit. Der Kläger wurde während seiner Beschäftigung in verschiedenen Kolonnen des Bauhofs eingesetzt. Ab Ende Mai 2023 war er aufgrund eines Unfalls krankgeschrieben. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis nach Anhörung der Interessenvertretungen ordentlich zum 31.07.2023.

Der Kläger führt auf, behinderungsbedingt nicht so lernfähig wie ein regulärer Arbeitnehmer zu sein. Er benötige Routinen. Die Beklagte hätte ihm vor Ausspruch der Kündigung eine leidensgerechte Beschäftigung anbieten müssen.  Das Arbeitsgericht gab der Kündigungsschutzklage statt. Es führte aus, die Kündigung sei gemäß § 134 BGB und § 164 Abs. 2 SGB IX rechtsunwirksam und diskriminiere den Kläger wegen seiner Behinderung. Die Beklagte habe ihren Pflichten, ein Präventionsverfahren durchzuführen, nicht genügt. Sie hätte, als sie bemerkte, dass der schwerbehinderte Kläger sich während der "Probezeit" nicht bewährte, Präventionsmaßnahmen ergreifen und die Schwerbehindertenvertretung sowie das Integrationsamt präventiv einschalten müssen. Mit diesen hätte sie alle Möglichkeiten und alle zur Verfügung stehenden Hilfen zur Beratung und mögliche finanzielle Leistungen erörtern müssen. Dann hätte sie Änderungen des Arbeitsumfelds und der Arbeitsorganisation identifizieren können, mit denen die aufgetretenen Schwierigkeiten hätten beseitigt werden können.

 

„Die Beklagte war zu Maßnahmen nach § 167 Abs. 1 SGB IX verpflichtet, auch ohne dass der Kläger dies von ihr gefordert hätte.“

Entgegen der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Vorgängernorm sei der Arbeitgeber auch während der Probezeit (Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG) verpflichtet, ein Präventionsverfahren durchzuführen.  Der Umstand, dass für die Kündigung Schwerbehinderter eine Beteiligung des Integrationsamts nach sechsmonatigem Bestand des Arbeitsverhältnisses notwendig sei, rechtfertige keinen Rückschluss darauf, dass eine entsprechende Einschränkung auch für das Präventionsverfahren bestehe. Schutz- und Nebenpflichten des Arbeitgebers setzten nicht die Absolvierung einer "Wartefrist" voraus. Die Beklagte war zu Maßnahmen nach § 167 Abs. 1 SGB IX verpflichtet, auch ohne dass der Kläger dies von ihr gefordert hätte.

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