Forschungsprojekt: Kollege „Schlauer Klaus"
Kompetenzerwerb, Inklusion und Re-Integration durch assistierte Arbeit – kurz: KomIn2Assist – heißt das Forschungsprojekt der Hochschule Offenburg. Das Inklusionsunternehmen Femos ist Koordinator und Praxispartner.
Das Testlabor liegt gleich hinter der IT-Abteilung von Femos in Gärtringen: ein großer, höhenverstellbarer Arbeitstisch, von oben beleuchtet durch eine fast tischgroße Lampe in deren Mitte eine Kamera eingelassen ist. Diese Kamera hat alles im Blick, was auf dem Arbeitstisch vor sich geht.
Das System trägt den freundlichen Namen „Schlauer Klaus“. Es wurde von der Firma Optimum in Karlsruhe entwickelt, Spezialist für kamerabasierte Assistenzsysteme und Prozessautomatisierung. Der Montagetisch und die zugehörige Software sollen für Personen mit Einschränkungen ein selbstbestimmtes Arbeiten möglich machen: Das System gibt Tipps und beantwortet Fragen – auch in verschiedenen Sprachen. Dazu muss zuvor die passende Montageanleitung, genannt „Rezept“, eingespeist werden.
Montage nach Rezept
Emanuel Stingel, der das Forschungsprojekt bei der Femos koordiniert, dreht ein eigenwilliges Gefährt aus Legosteinen in den Händen. „Das ist unser H-Auto“, erklärt er. Er spricht das „Hauto“ aus. Das „Hauto“ wurde von der Offenburger Hochschule entwickelt. Mit seinen vielen unterschiedlichen Bestandteilen dient es als Muster für einen Montageablauf.
Stingel zerlegt das Mustergefährt in seine Einzelteile. Auf einem der beiden Bildschirme vor ihm erscheint das Bild des ersten Bauteils. Stingel legt es in einen Lichtkreis auf der Arbeitsplatte, direkt unter der Kamera. Prompt erscheint das zweite Bauteil auf dem Bildschirm samt richtiger Montageposition. Dank dieser kamerakontrollierten Schritt-für Schritt-Anleitung setzt er in kurzer Zeit das komplette H-Auto wieder zusammen.
Comic-Maus als "Empathic Agent"
Derzeit gibt es neun Rezepte für echte Produkte, etwa für Leiterplattenbestückung oder die Montage eines Temperatursensors. Nun steht die nächste Entwicklungsstufe an. „Der Schlaue Klaus macht reine Qualitätskontrolle“, erklärt Projektkoordinator Stingel. „Wir fügen Gamification hinzu.“ Damit bekommen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter positives Feedback und können zum Beispiel Punkte für gute Arbeit sammeln.
Zur weiteren Unterstützung wird bald ein „empathic Agent“, ein einfühlsamer Helfer zur Verfügung stehen. Er kommt auf dem Bildschirm in Gestalt einer gemütlichen Comic-Maus daher, die den Namen Gregor trägt. Gregor ist Coach und Wissensvermittler. „Wenn ich den Gregor frage, muss ich nicht die Fachkraft fragen“, beschreibt Emanuel Stingel die Idee dahinter. „Den Aufwand der Fachkraft kann ich dadurch deutlich reduzieren. Durch die Assistenz, gekoppelt mit der Qualitätsprüfung und Anleitung, erhalten Menschen mit Behinderung Zugang zu neuen Arbeitsmöglichkeiten.“ Zudem bedeute es mehr Autonomie, Selbstvertrauen und Kompetenzzuwachs für die Anwender.
Regelmäßige Evaluation
Anwender sind die 78 Projektteilnehmerinnen und -teilnehmer der drei Praxispartner. 35 von ihnen arbeiten bei der Femos. Sie werden regelmäßig nach ihren Erfahrungen und Empfehlungen befragt. Dass Helfer Gregor als Mäuserich erscheint, geht zum Beispiel auf eine Befragung der Hochschule Offenburg zurück, in der verschiedene Comic-Figuren vorgestellt wurden. Die Maus machte das Rennen.
Das Forschungsprojekt läuft bis Ende 2025. Bis dahin soll auch eine KI des Partners Optimum das sogenannte Einteachen oder Einlernen unterstützen. Am Ende des Projekts soll ein neuartiges Assistenzsystem stehen, das den Arbeitsprozess an die individuellen Nutzer anpasst. Für Menschen mit Behinderungen bedeutet das in Zukunft die Möglichkeit für ein selbstbestimmtes und qualitätvolles Arbeiten.
Text und Bild 2: Monika Kleusch
Bild 1, 3 und 4: Femos
KomIn2Assist – die Akteure
Als Anwenderunternehmen testen die LebensWerkstatt e.V., Heilbronn, die Intra-Mechanik gGmbH, Dornstetten und die Femos gGmbH in Gärtringen das Assistenzsystem „Schlauer Klaus“. Der Schlaue Klaus ist ein Produkt des Partners Optimum Datamanagement Solutions aus Karlsruhe. Wissenschaftlich begleitet wird die Studie durch das Affective & Cognitive Institute der Hochschule Offenburg.
Das Projekt wird unterstützt durch die Fördermaßnahme „Zukunft der Wertschöpfung – Forschung zur Produktion, Dienstleistung und Arbeit” im Programm „Innovative Arbeitswelten im Mittelstand“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und des Europäischen Sozialfonds.
Laufzeit: 01.01.2023 – 31.12.2025
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