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„Kleine und mittelgroße Unternehmen ansprechen“

Eine wichtige Zielgruppe der Einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber sind kleine und mittelständige Unternehmen. ZB sprach mit zwei Fachberater*innen aus Hessen und Rheinland-Pfalz über die Herausforderungen und Chancen der neu geschaffenen Unterstützungsmöglichkeiten.

EAA in Hessen

EAA-Fachberaterin Susanne Tölzel

Susanne Tölzel, 55, ist EAA-Fachberaterin bei der Werkgemeinschaft Wiesbaden e.V.. Sie kommt aus der Konsumgüterindustrie und hat als Kundenberaterin in Sales- und Marketingabteilungen gearbeitet. Sie hat auch mit den unterschiedlichsten Unternehmensbranchen Kontakt gehabt, und kennt den Druck, mit dem Arbeitgeber täglich zu kämpfen zu haben.

Frau Tölzel, Sie arbeiten seit Mitte 2022 als EAA bei der Werkgemeinschaft Wiesbaden e.V. Wo liegen momentan Ihre Schwerpunkte?

Aktuell kontaktiere ich viele kleinere und mittelständischen Betriebe, die keine großen Personalabteilungen haben und bislang wenige Berührungspunkte mit dem Thema Inklusion hatten. Gleichzeitig haben diese Unternehmen auch nicht immer die Kapazitäten, sich mit diesem vermeintlich komplexen Thema auseinanderzusetzen. Bei dieser Zielgruppe machen die EAA richtig Sinn, weil ich das Thema Inklusion bekannt machen und sowohl Unterstützung als auch Entlastung anbieten kann.

Haben Sie schon viele Gespräche geführt?

Anfragen kommen immer häufiger jetzt – das funktioniert schon sehr gut, was mich sehr freut. Aber ich stelle auch immer wieder fest, dass man sein Netzwerk auch immer erweitern kann. Ich versuche immer an Multiplikatoren heranzukommen, um die EAA bekannter zu machen. Unterstützungen erhalte ich zum Beispiel von der Gründungsberatung der Stadt Wiesbaden. Über diesen Kontakt, habe ich auch Zugang zu einem Gründer-Hub erhalten. Hier kommen Unternehmensgründer aber auch alteingesessene Firmenlenker zusammen.

Gab es Überraschungen in den ersten Monaten der Arbeit als EAA?

Ganz interessant für unsere Arbeit in der Akquise sind Steuerbüros. Vor allem kleinere und mittlere Betriebe lassen sehr oft die Lohnbuchhaltung und die Abführung der Ausgleichausgabe von Steuerberatern erledigen. Gleichzeitig sind sie für die Arbeitsgeber ein Sparringspartner für die wirtschaftlichen Belange des Unternehmens. Und die Unterstützungs- und Förderlandschaft der Inklusion hat ja auch einen finanziellen Aspekt – machen wir uns da nichts vor. Deshalb glaube ich, dass Steuerberatungsbüros wichtige Multiplikatoren und Ansprechpartner für uns EAAs sein können.

Wie funktioniert in Wiesbaden die Zusammenarbeit der EAA mit den unterschiedlichen Rehabilitationsträgern, wie Rentenversicherung oder Arbeitsagentur?

Das ist eine gute Zusammenarbeit mit allen Trägern. Vor allem die Arbeitsagentur hier vor Ort begrüßt ausdrücklich die Einrichtung der EAA. Auch wenn die Behörde eigene Firmen- und Arbeitgeberservices anbietet, fehlt doch am Ende des Tages die personelle Kapazität, auf so viele Unternehmen individuell einzugehen. Ich glaube, dass wir einen großen Beitrag leisten, damit die Rehabilitanten der beiden großen Träger wieder im ersten Arbeitsmarkt Fuß fassen. Hinzu kommt, dass wir aktuell einen absoluten Arbeitnehmermarkt haben – Unternehmen sind händeringend auf der Suche nach Fachkräften. Damit steigt auch die Bereitschaft der Arbeitgeber Menschen mit Behinderung einzustellen.

Waren Sie bereits erfolgreich in den vergangenen Monaten?

Wir waren natürlich primär damit beschäftigt zunächst einmal das Instrument der EAA bekannt zu machen in der Region. So hat mich dann die Gründungsberatung der Stadt Wiesbaden angerufen und von einer Gründerin, einer Näherin, berichtet, die viele Aufträge an Land gezogen hatte. Die wollte eigentlich ein paar Aufträge an eine Werkstatt für Behinderte abgeben. Aus einer Teambesprechung hier bei uns im Haus kannte ich den Fall einer Hörbehinderten, die eigentlich einen Bürojob suchte. Ich wusste aber auch, dass diese Arbeitssuchende eine ausgebildete Näherin war. Dann habe ich der Gründerin vorgeschlagen, eine neue Stelle zu schaffen – und das hat auch funktioniert. Den Fall habe ich dann an den IFD hier im Haus abgegeben.

Sie sprachen vom IFD - wie funktioniert die Zusammenarbeit mit den EAA bei der Werkgemeinschaft Wiesbaden e.V.? Hat sich hier eine Konkurrenzsituation entwickelt?

Ganz im Gegenteil – wir spielen uns eher die Bälle zu. Das funktioniert ganz ausgezeichnet. IFDs arbeiten immer Einzelfall bezogen. EAAs haben einen anderen Fokus – den Arbeitgeber. Aus unseren gemeinsamen Teambesprechungen kenne ich den ein und anderen Fall von Arbeitssuchenden. Damit kann ich dann konkret im Gespräch mit den Arbeitgebern – wie im Fall der Näherin – Vorschläge machen.

EAA im Westerwald

Tim Herrmann

Tim Herrmann, 52, arbeitet als EAA beim Diakonischen Werk im Westerwaldkreis. Hermann arbeitet bereits seit 2001 im Integrationsfachdienst beim Träger. Zuständig ist Herrmann als EAA für den Westerwald- und Rhein-Lahn-Kreis.

Herr Herrmann, sie sind am 1.6.2022 gestartet als EAA in der Außenstelle Montabaur. Welche Herausforderungen hatten Sie zu meistern?

Wir sind direkt im Juli 2022 durch das Integrationsamt Mainz geschult worden. Da trafen sich alte Hasen – ich habe ja bereits sechs Jahre für den IFD in Montabaur gearbeitet – und Neueinsteiger. Das war sehr hilfreich. Ein paar Wochen später folgte eine Schulung der Rentenkasse und der Arbeitsagentur, in der die Leistungen im Mittelpunkt standen. Das hat sehr geholfen.

Wie gehen Sie vor, um Arbeitgeber anzusprechen und zu erreichen?

Das ist breit gefächert bei uns. Im Kern geht es bei den EAAs immer um eine gute Vernetzung. Zunächst habe ich Kontakte zur IHK, zur Kreishandwerkerschaft, zum Arbeitgeberservice der Arbeitsagentur und zur Rentenversicherung geknüpft. Dann habe ich eine Ausbildungsmesse in Lahnstein besucht und Unternehmen angesprochen, die ich noch aus meiner Zeit bei IFD kannte. Gleichzeitig habe ich auch die ein und andere Kaltakquise gewagt, wenn ich gesehen habe, dass Unternehmen viele Leute per Stellenanzeige suchen. Auch spreche ich viel mit den Bürgermeistern auch in den kleineren Ortschaften, um die Sache der EAA vorzustellen.

Und diese Aktionen tragen bereits Früchte?

In der Tat – kommende Woche bin ich zum Beispiel vom Unternehmensverband zum Unternehmensfrühstück eingeladen worden. Dort sind rund 30 Betriebe vertreten und ich kann mich und die Sache des EAA vorstellen.

Welchen Fokus haben Betriebe in ihrer Region in Bezug auf die Inklusion?

Unternehmen bei uns im Westerwaldkreis haben einen Fokus auf die Beschäftigten, die bereits im Unternehmen sind. Wie gehe ich mit den Erkrankungen und Fehlzeiten der Angestellten und Arbeiter um, wenn bereits Handicaps aufgetreten sind? Was kann ich tun, welche Fördermöglichkeiten gibt es? Das sind Fragen, mit denen ich mich auseinandersetze und schaue, wo ich im konkreten Fall unterstützen kann.

Der Aufbau eines Netzwerks kostet Zeit – waren Sie trotzdem bereits erfolgreich?

Ganz aktuell hat jetzt eine Unternehmerin aus dem Westerwaldkreis kurzfristig eine Rollstuhlfahrerin eingestellt. Dieser Mensch mit Behinderung spricht perfekt englisch – ist mit einem Amerikaner verheiratet. Die Unternehmerin brauchte genau diese Expertise, weil sie auf der Suche nach einem Beschäftigten war, der die englische Korrespondenz übernimmt. Hier hat es also genau gepasst. In dem konkreten Fall ist zum Beispiel noch viel zu klären, um den Arbeitsplatz behinderungsgerecht zu gestalten. Da geht es aktuell um den Einbau von automatischen Türöffnern, damit sich die neue Angestellte autonom im Unternehmensgebäude bewegen kann. Da unterstütze ich mit meinem Fachwissen und das kostet dann ein wenig Zeit, weil auch viele Anträge - in dem Fall an die Arbeitsagentur - gestellt werden und so weiter. Das Ergebnis ist noch offen.

Kontakt und Informationsmöglichkeiten

Die Einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber sind auch für Sie erreichbar! Weitere Informationen und Kontaktmöglichkeiten finden Sie auf der Website der BIH.

Schlagworte:
Interview , EAA

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