Inklusion: ein Thema für alle!
Die Einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber, kurz EAA, unterstützen Arbeitgebende als trägerunabhängige Lotsen bei Fragen zur Ausbildung, Einstellung, Berufsbegleitung und Beschäftigungssicherung von Menschen mit Schwerbehinderung. Und das mit Erfolg, wie unser Beispiel zeigt.
Enrico Randow ist gehörlos. Trotzdem arbeitet der 43-Jährige in der Hamburger Filiale des schwedischen Modehauses H&M und übernimmt alle Aufgaben im Kundenservice, an der Kasse und auch bei der Anprobe. „Das klappt alles super reibungslos“, freut sich Teamleiter Patrick Bleimaier. Zu Beginn seiner Arbeit in der Abteilung habe sich Bleimaier gewundert, wie Enrico als Mensch mit einer Hörbehinderung seine Aufgaben erledigt. „Aber er macht das sehr charmant“, erzählt er. „Er macht die Kunden im Verkauf direkt auf seine Hörbehinderung aufmerksam.“ Randow, der seit 15 Jahren für H&M tätig ist, kann von den Lippen lesen. Mit Hilfe des Smartphones und Gesten kommen Kunden und Verkäufer in den meisten Fällen gut miteinander klar. Sollte es in der Kommunikation dennoch schwierig werden, hole er einen anderen Mitarbeiter aus dem Team hinzu, erzählt Bleimaier.
Auch Julia Heitland hat mit einem Handicap zu kämpfen. Seit ihrer Geburt leide sie an einem offenen Rücken, erzählt sie. Dadurch sei über die Jahre die Hüfte schief geworden und sie habe mit Einschränkungen im rechten Bein zu kämpfen. „Die Bänder sind einfach zu kurz geworden durch das schiefe Auftreten“, erzählt die 42-Jährige. Wenn sie bei der Arbeit Probleme habe, zum Beispiel auf der Leiter mit Gleichgewichtsproblemen zu kämpfen habe, helfen sofort die Kollegen. Heitland trägt in beiden Schuhen Einlagen, um ihr Handicap auszugleichen. „Deshalb muss ich auch immer feste Schuhe tragen – Sandalen im Sommer zum Beispiel funktionieren nicht“, sagt die Frau mit einem Grad der Behinderung von 50.
Alle zwei Wochen gibt es ein Dolmetschergespräch
Heitland ist bereits seit mehr als zwölf Jahren beim schwedischen Textilunternehmen H&M als Visual Merchandiser angestellt. H&M steht für Hennes & Mauritz und wurde 1947 als Damenbekleidungsgeschäft in der südschwedischen Stadt Västerås gegründet. Heute betreibt das Unternehmen mehr als 4.000 Filialen in 76 Ländern weltweit. In der Hamburger Filiale Spitalerstraße des Unternehmens arbeitet Heitland seit vergangenem Jahr – davor war sie für H&M in Bielefeld aktiv. Den Beruf Visual Merchandiser, der frühere Schau- und Werbegestalter, hat Heitland in der Möbelbranche gelernt. In ihrem H&M Team ist Heitland für den „Look“ der Hamburger Filiale verantwortlich. „Das heißt, wir kümmern uns im Team um die Figuren, das Fenster, die Bekleidung und die Umbauten im Laden – also alles, damit der Laden gut aussieht“, erzählt sie.
Als er vor einem Jahr seinen Posten als Teamleiter in der H&M Filiale in der Spitalerstraße angetreten habe, sei ihm gar nicht aufgefallen, dass Heitland mit einem Handicap zu kämpfen habe, sagt Bleimaier. „Beide, Enrico und Julia, erledigen ihre Aufgaben wie alle anderen Teammitglieder auch.“ Alle zwei Wochen gibt es ein Dolmetschergespräch mit Enrico und Julia, der H&M Inklusionsbeauftragten des Bezirks, und einer Führungskraft, um eventuell kompliziertere Prozesse zu erklären und auch konkret zu erfahren, wie es den beiden geht. „Das klappt ganz ausgezeichnet“, so der Teamleiter.
„Wir haben den Blickwinkel der Unternehmer. Neben der Stellenbesetzung beschäftigen wir uns auch mit Themen der Organisations- und Personalentwicklung.“
„Es gibt keine Hürden bei der Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen“
Das Beispiel zeige, dass es keine Hürden bei der Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen, gebe, außer denen, die man sich selbst mache, sagt die Inklusionsbeauftragte für H&M Deutschland, Iris Meuer. Sollten dennoch Fragen zum Themenfeld Inklusion auftauchen, wendet sich Meuer an die Einheitliche Ansprechstelle für Arbeitgeber, kurz EAA, in Hamburg.
Seit dem 1. Januar 2022 ist das Teilhabestärkungsgesetz in Kraft, das an einigen Stellen das SGB IX nachjustiert. Nach Paragraf 185a führen die Integrationsämter in Deutschland einheitliche Ansprechstellen für Arbeitgeber, die EAA, ein. Die Idee: Jeder Arbeitgeber, ob kleines Start-up oder großer Konzern, soll eine feste Ansprechperson für den vermeintlichen Dschungel des Sozialrechts und der Fördermöglichkeiten erhalten. Dort erhält er Beratung, Begleitung und Unterstützung bei der Anstellung und Beschäftigung von Menschen mit Behinderung. Dabei sollen die EAA mehr leisten, als der Integrationsfachdienst (IFD) und die Integrationsämter im Verbund bislang schon geleistet haben.
EAA haben Lotsenfunktion
So sollen die EAA die Kontakte zu den Rehabilitationsträgern wie zum Beispiel der Arbeitsagentur, der Unfallkasse, der Rentenversicherung und auch den IFDs knüpfen und koordinieren. Dabei kommt es vor allem auf eine gute Netzwerkarbeit an. An den Zuständigkeiten der einzelnen Träger ändert sich nichts – die EAA sind nur Kümmerer, Lotsen.
„Wir haben den Blickwinkel der Unternehmer. Unsere Themen sind im Unterschied zu den IFDs etwas breiter aufgestellt: Neben der Stellenbesetzung beschäftigen wir uns auch mit Themen der Organisations- und Personalentwicklung“, sagt Kathrin Zschirnt, EAA-Beraterin in Hamburg und Betreuerin des Klienten H&M. Zschirnt ist begeistert von der Inklusionsbeauftragten Meuer. Die besetze eine Schnittstellenfunktion in dem Textilunternehmen zum Thema Inklusion, schaue aber auch nach außen und hole sich neue Impulse. „Wir sind im ständigen Austausch“, sagt Zschirnt. Dabei kann es um einen speziellen Einzelfall gehen oder Meuer besuche zum Beispiel den Workshop „Neues Arbeiten“ der EAA und schaut, wie sie diese neuen Erkenntnisse für das Thema Inklusion bei H&M Deutschland nutzen kann, so die EAA-Beraterin.
„Wir denken mit und denken weiter“
Man sensibilisiere Unternehmen beim Abbau von vermeintlichen Hürden im Hinblick auf die Einstellung und Beschäftigung von Menschen mit Behinderung, erzählt Zschirnt aus ihrer täglichen Arbeit. „Braucht der Mensch mit Handicap auf dem neuen Arbeitsplatz einen Jobcoach, eine Assistenz, braucht er Begleitung beim Arbeitsweg in den ersten Wochen? Solche Fragen denken wir mit, denken wir weiter und bieten Unterstützung bei der Suche und Umsetzung von Lösungen an.“
Unterstützungsleistungen der EAA können auch Firmen in Anspruch nehmen, die bereits Beschäftigte mit einer Behinderung angestellt haben. Darauf weist Ewa Jakubczak, ab diesem Frühjahr Leiterin der EAA Hamburg hin. „Das können Fragen zur Fördermöglichkeit sein, wie technische Hilfen oder ein Beschäftigtensicherungszuschuss, weil eventuell die Leistung eines Menschen mit Behinderung abbaut“, sagt sie. Man wisse, dass lediglich drei bis vier Prozent der Behinderungen angeboren sind. 21 Prozent der Behinderungen erwerben sich alle während des Berufslebens, wie die Aufstellungen der Krankenkassen zeigten, fügt Zschirnt hinzu. „Inklusion ist wirklich ein Thema für alle“, sagt die engagierte Beraterin.
Nah an der Basis
Iris Meuer beschreibt die Zusammenarbeit mit der EAA als „absolut wertvoll“. Man könne jederzeit anrufen, egal zu welchem Thema. Ob es um Prävention oder um die Teilhabe von Menschen mit Schwerbehinderung gehe – „ich habe einen Partner, der sich auskennt und schnell reagiert.“ Hinzu kämen die Workshops, die Schulungen für die H&M Inklusionsbeauftragten und die Roundtables zur Vernetzung mit anderen Unternehmen. „Die Experten bei der EAA haben ein gutes Einfühlungsvermögen für die Arbeit eines Inklusionsbeauftragten. Das ist eine Kompetenz nah an der Basis, in keiner Weise abgehoben“, sagt die H&M Inklusionsbeauftragte.
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Kontakt und Informationsmöglichkeiten
Die Einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber sind auch für Sie erreichbar! Weitere Informationen und Kontaktmöglichkeiten finden Sie auf der Website der BIH.
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