Einiges zu stemmen
Das größte internationale Logistikunternehmen Deutsche Post DHL Group schaut auf die vergangenen Monate der Corona-Pandemie. Herausforderungen wurden gemeistert und die Digitalisierung wurde angekurbelt.
Überblick Deutsche Post DHL Group
Der Konzern Deutsche Post DHL Group hat die Herausforderungen der Corona-Pandemie bisher gut gemeistert. Doch hinter dem Erfolg steht harte Arbeit.
ZB zeigt, wie eine erfolgreiche Zusammenarbeit von Arbeitgeber, SBV und Integrationsämtern auch in der Krise funktioniert.
Der Onlinehandel boomt wie nie zuvor
Die Zahlen stiegen in den letzten Jahren kontinuierlich – und die Corona-Pandemie hat die Entwicklung beschleunigt. Das größte internationale Logistikunternehmen transportierte 2020 nach eigenen Angaben in Deutschland 1,83 Milliarden Pakete und damit deutlich mehr als im Vor-Corona-Jahr 2019. Da waren es 1,59 Milliarden.
Hinter den nackten Zahlen stehen großer Aufwand und viel Engagement. „Wir haben jetzt ein Jahr Pandemieerfahrung. Und es gab einiges zu stemmen bei uns“, erzählt Susanne Kaus, Inklusionsbeauftragte des Gesamtkonzerns. Die Juristin ist seit 1995 bei der Deutschen Post AG und für Tarifpolitik und Mitbestimmung im Konzern zuständig – seit zwei Jahren verantwortet Kaus in Deutschland zudem für alle Gesellschaften im Konzern den Themenbereich Inklusion.
Im Jahr 2020 hatte der Konzern Deutsche Post DHL Group in Deutschland ca. 210.000 Beschäftigte, davon rund 17.000 Menschen mit Behinderungen. Das entspricht einer Beschäftigungsquote von 8 Prozent.
Zwei-Wellen-Verfahren
„Viele unserer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind im operativen Bereich, zum Beispiel in der Zustellung, tätig. Das sind Tätigkeiten, die nicht einfach ins Homeoffice verlagert werden konnten“, sagt Kaus. Als wichtige Maßnahme zum Schutz der Beschäftigten hat die Post im vergangenen Jahr ihren Tagesbetrieb aufgeteilt. Das sogenannte Zwei-Wellen-Verfahren in der Zustellung bedeutet, dass zum Beispiel nur die Hälfte aller Brief- und Paketboten zu ihrer üblichen Frühmorgenzeit mit der Arbeit beginnt. Die anderen Zusteller machen sich zu einem späteren Zeitpunkt auf ihre Zustelltouren.
Auch die zusätzlichen Hygienekonzepte hätten hervorragend funktioniert, sagt Jürgen Finis. Der 58-Jährige arbeitet seit über 40 Jahren bei der Deutschen Post und ist stellvertretende Vertrauensperson der Gesamtschwerbehindertenvertretung (GSBV) der Deutschen Post AG. Zusätzlich ist Finis Vertrauensperson der Niederlassung Betrieb Kassel und kennt das operative Geschäft. Nie sei es zu Engpässen bei der Versorgung mit Schutzmasken oder Desinfektionsmitteln gekommen, sagt er. Zudem seien in Paketzentren besonders wirksame Virenfilter in den Luftheizungen eingebaut worden. Mit speziellen Abstandsmessgeräten sind Kollegen auf die wichtigen Sicherheitsabstände hingewiesen worden. „Die Hygienekonzepte funktionieren hervorragend. Es wurden keine Kosten und Mühen gescheut, um die Kollegen vor Ort vor einer Infektion zu schützen – völlig unabhängig davon, ob der Kollege oder die Kollegin eine Behinderung hat oder nicht“, fasst Finis zusammen.
Bislang keine Schließungen
Der Erfolg gibt den Maßnahmen recht. Weitgehend reibungslos lief der Tagesbetrieb bei der Deutschen Post in der Pandemiezeit. Weder in den 36 Paketzentren noch in den 82 Briefzentren, die im Bundesgebiet und den Bundesländern verteilt sind, kam es bisher zu pandemiebedingten Schließungen. Aufgrund der stark gestiegenen Paketmenge hat die Deutsche Post DHL Group auch viele neue Beschäftigte eingestellt. Die Recruitingtools des Unternehmens wurden schon vor der Pandemiezeit vereinfacht und digitalisiert. „Vieles, was das Bewerbungsverfahren und auch die Vorauswahl von Bewerberinnen und Bewerbern betrifft, läuft heute digital“, sagt Kaus. So können sich Menschen jetzt direkt über das Smartphone bewerben, bei der ersten Kontaktaufnahme werden E-Mails oder das Telefon genutzt und teilweise auch digitale Assessment-Verfahren eingesetzt.
Corona treibt Digitalisierung an
Überhaupt habe die Corona-Pandemie der Digitalisierung im Konzern, wie in anderen Unternehmen auch, einen Entwicklungsschub gegeben, erzählt die Inklusionsbeauftragte. „Allein die Möglichkeiten, im Homeoffice arbeiten zu können, mussten ja pandemiebedingt schnell ausgebaut werden.“ Auch Jürgen Finis gibt ein Beispiel aus seinem praktischen Alltag in der Niederlassung Betrieb Kassel, wo 433 Menschen mit Behinderungen arbeiten. Für den Austausch und für Arbeitsanweisungen an eine gehörlose Mitarbeiterin im Paketzentrum sei noch vor der Corona-Pandemie regelmäßig ein Gebärdendolmetscher engagiert worden. Das sei gelegentlich umständlich gewesen. „Heute kommuniziert der Dolmetscher mit der Beschäftigten per Videokonferenz. Die Übersetzung wird uns direkt auf dem Tablet angezeigt“, sagt Finis. Für die Zusammenarbeit mit dem Landeswohlfahrtsverband Hessen, Integrationsamt Kassel, hat Finis nur lobende Worte. „Das läuft noch besser als spitzenmäßig“, sagt er. Dies vor allem in Pandemiezeiten, präzisiert er. „Wir hatten nie das Gefühl, in diesen besonderen Zeiten im Stich gelassen zu werden. Wirklich vorbildlich, was Erreichbarkeit und Rückmeldung betrifft“, freut er sich.
„Das läuft noch besser als spitzenmäßig. Wir hatten nie das Gefühl, in diesen besonderen Zeiten im Stich gelassen zu werden.“
Gute Zusammenarbeit
Auch Susanne Kaus und Ina Spörrer, Vorsitzende der Konzern- und Gesamtschwerbehindertenvertretung im Rheinland, arbeiten gut und gerne mit dem LVR-Inklusionsamt in Köln zusammen. Konkret habe man 2019 ein Pilotprojekt zum E-Learning aufgesetzt. „Das waren digitale Austauschtermine zu unterschiedlichen Themen, u. a. zum Betrieblichen Eingliederungsmanagement – interessant vor allem für die Inklusionsbeauftragten aus dem Konzern“, sagt Kaus. Arbeitgeber sind durch das Sozialgesetzbuch (SGB) IX verpflichtet, längerfristig oder wiederholt arbeitsunfähigen Beschäftigten Maßnahmen der betrieblichen Eingliederung anzubieten. Dieses Betriebliche Eingliederungsmanagement, kurz BEM, dient zur Prävention erneuter Ausfälle von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Die Resonanz auf den digitalen Austausch sei durchgehend positiv gewesen. So positiv, dass der LVR BEM-Schulungen und -Beratungen nun als eines der ersten Fachthemen in unterschiedlichen Online-Formaten anbiete, so die Konzern-Inklusionsbeauftragte. Aktuell schaue man gemeinsam mit dem LVR, welche weiteren Themen sich besonders für ein digitales Vermittlungsformat eignen. Als Inklusionsbeauftragte hat Susanne Kaus verschiedene Aufgaben im Logistikkonzern. Dazu gehört die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften bei Themen rund um Schwerbehinderung. Auch ist sie für das jährliche Anzeigeverfahren zur Feststellung von Ausgleichsabgaben verantwortlich. Gleichzeitig ist Kaus zentrale Ansprechpartnerin für die Konzern-SBV und Gesamt-SBV der Deutschen Post AG, mit denen sie zusammen Inklusionsthemen weiterentwickelt. „Der Austausch funktioniert sehr gut“, sagt der stellvertretende GSBV-Vorsitzende Finis, „das ist ja nicht überall der Fall.“
Tägliche Skype-Sitzungen
So ist Finis in seiner Niederlassung beim Thema Arbeits- und Infektionsschutz immer eingebunden worden. Das gelte auch für die aktualisierte Gefährdungsbeurteilung während der Corona-Pandemie, sagt die stellvertretende GSBV-Vertrauensperson Finis. „Teilweise hatten wir sogar tägliche Sitzungen per Skype, in denen wir immer unsere Ideen und Vorschläge einbringen konnten“, erläutert er.
Auch Susanne Kaus macht deutlich, dass die Gefährdungsbeurteilung für die Deutsche Post AG ein Schwerpunktthema während der Pandemie war und ist. „Wie die gesamte Gesellschaft haben auch wir viel gelernt. Auf veränderte Pandemie-Bedingungen mussten auch wir teilweise sehr schnell reagieren“, sagt sie. Die Zusammenarbeit mit der Konzern- und Gesamt-SBV und den Betriebs-SBVs im Konzern habe sehr gut funktioniert. Aber durch die besondere Situation der Corona-Pandemie sei die Inklusion nicht in den Hintergrund gerückt, darauf weist Kaus hin. „Das Thema Inklusion ist bei uns als wichtiger Pfeiler in der Konzernstrategie verankert. Deshalb ist es dem Konzern Deutsche Post DHL Group jetzt und auch zukünftig wichtig, ein integratives und inklusives Arbeitsumfeld zu bieten.“
Kenne die Risiken
Nützliche Infos zum Thema Gefährdungsbeurteilung stellt die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin online bereit:
baua.de > gefaehrdungsbeurteilung
Schlagworte:
Inklusionsbetrieb
,
Interview
,
Großkonzern
,
Praxisbeispiel