
Rücknahme einer Einstellungszusage nach gesundheitlicher Untersuchung
Das Arbeitsgericht Siegburg wies die Klage eines Bewerbers mit Schwerbehinderung auf Entschädigung ab. Grund dafür war, dass nicht die Behinderung des Bewerbers, sondern das negative Ergebnis einer gesundheitlichen Untersuchung dazu führte, dass der Arbeitgeber die Einstellungszusage zurücknahm.
I. ArbG Siegburg, Urteil vom 20.03.2024, Az. 3 Ca 1654/23 (aktuell in Berufung)
Worum ging es?
Ein Bewerber mit Schwerbehinderung (Diabetes Typ 1) hatte sich auf eine Ausbildungsstelle beworben. Der Beklagte gab ihm eine Einstellungszusage, allerdings unter Vorbehalt. Diese war an zwei Bedingungen geknüpft:
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Die Vorlage eines unbedenklichen polizeilichen Führungszeugnisses
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Das Bestehen einer ärztlichen Untersuchung zur gesundheitlichen Eignung für die Stelle
Der vom Arbeitgeber beauftragte Betriebsarzt kam nach der Untersuchung zu dem Ergebnis, dass der Bewerber für die Ausbildung gesundheitlich nicht geeignet sei. Das widersprach der Einschätzung der behandelnden Ärzte des Bewerbers. Daraufhin nahm der Arbeitgeber die Einstellungszusage zurück. Der Bewerber klagte und verlangte eine Entschädigung, weil er sich aufgrund seiner Behinderung diskriminiert fühlte. Er argumentierte, dass die Einschätzung des Betriebsarztes nicht korrekt sei und nicht auf dem aktuellen Stand der medizinischen Erkenntnisse beruhe.
"Ein Arbeitgeber darf die Einstellung von der gesundheitlichen Eignung eines Bewerbers abhängig machen."
Urteil des Gerichts
Das Arbeitsgericht entschied gegen den Kläger. Es lehnte die Entschädigungsforderung mit der Begründung ab, dass kein Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vorliege. Die wichtigsten Punkte des Urteils:
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Keine Diskriminierung wegen der Behinderung: Der Arbeitgeber hatte die Behinderung bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigt. Im Gegenteil: Die Tatsache, dass der Bewerber überhaupt eine Einstellungszusage erhalten hatte, zeigte, dass der Arbeitgeber ihn trotz seiner Behinderung einstellen wollte.
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Entscheidung basierte auf gesundheitlicher Eignung: Die Rücknahme der Zusage erfolgte allein aufgrund der negativen Einschätzung des Betriebsarztes zur gesundheitlichen Eignung. Der Arbeitgeber hatte die Einstellung von diesem Ergebnis abhängig gemacht – wie bei jedem anderen Bewerber auch.
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Unterschiedliche Beurteilungen des Gesundheitszustands: Zwar basierte die negative Beurteilung des Arztes auf der Erkrankung des Bewerbers, die zugleich Ursache seiner Behinderung ist. Doch das Gericht stellte klar, dass der Arbeitgeber nicht für die Einschätzung des Arztes haftet. Es gab keine Hinweise darauf, dass der Arbeitgeber schwerbehinderte Bewerber systematisch anders behandelt.
Was bedeutet das Urteil für Bewerber?
Das Urteil stellt klar: Ein Arbeitgeber darf die Einstellung von der gesundheitlichen Eignung eines Bewerbers abhängig machen.
Selbst wenn ein schwerbehinderter Bewerber eine Zusage erhält, liegt keine Diskriminierung vor, wenn diese Zusage aufgrund einer negativen medizinischen Beurteilung zurückgenommen wird – selbst dann, wenn die Beurteilung auf der Behinderung basiert. Der Arbeitgeber muss sich die Einschätzung eines beauftragten Arztes nicht zurechnen lassen.
Der Kläger legte gegen das Urteil Berufung ein.
Rechtsgrundlage
§ 15 Abs. 2 AGG
„Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. […]“
§ 7 Abs. 1 AGG
„Beschäftigte dürfen nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden; dies gilt auch, wenn die Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines in § 1 genannten Grundes bei der Benachteiligung nur annimmt. Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des Absatzes 1 verstoßen, sind unwirksam. Eine Benachteiligung nach Absatz 1 durch Arbeitgeber oder Beschäftigte ist eine Verletzung vertraglicher Pflichten.“
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