Gut beraten
Ein guter Start in den Beruf ist die halbe Miete für den weiteren Lebensweg. Ganz besonders gilt das für Menschen mit Behinderung. Als Fachberaterin für inklusive Bildung bei der IHK Düsseldorf hat Gisela Kwiatek schon viele junge Menschen zu einem Schul- oder Berufsabschluss geführt.
Seit 14 Jahren engagiert sich die erfahrene Sozialarbeiterin, die in Düsseldorf und darüber hinaus gut vernetzt ist, für junge Menschen mit und ohne Beeinträchtigung. Im Auftrag des LVR-Inklusionsamtes fungiert die Fachberaterin als Lotsin zwischen der Berufsorientierung in der Schule und der betrieblichen Ausbildung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.
„Zu meinen Aufgaben gehört auf der einen Seite die Beratung von Jugendlichen mit und ohne Behinderung“, sagt Gisela Kwiatek. Bei den Menschen mit Behinderung gehe es häufig um Autismus-Spektrum-Störungen oder um kognitive Beeinträchtigungen. Unabhängig von der Art der Behinderung oder ob überhaupt eine Behinderung vorliege oder nicht, informiert die Fachberaterin die jungen Menschen über weiterführende Schulen und über mögliche Ausbildungen.
„Zunächst einmal versuche ich herauszufinden, ob die Jugendlichen etwaige Vorlieben haben oder gar für etwas brennen“, sagt die engagierte Sozialarbeiterin. Dazu schlägt sie dann passende Berufsbilder vor. In Zusammenarbeit mit dem ebenfalls vom LVR beauftragten Integrationsfachdienst (IFD) vermittelt Gisela Kwiatek auch Praktika in Betrieben auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.
Gute Vernetzung der IHK und des IFD hilft jungen Berufsstartenden
Der kognitiv beeinträchtigte Maurice Sondram ist einer von Gisela Kwiateks aktuellen Klienten. Gemeinsam mit dem IFD vermittelte die Fachberaterin ihm bereits verschiedene Praktika in Betrieben.
„Mein aktueller Berufswunsch ist Einzelhandelskaufmann oder zumindest Verkäufer“, sagt der 18-Jährige mit strahlenden Augen. Bei einem Praktikum, das er bei C&A absolvierte, hat Maurice Sondram seine Leidenschaft für den Verkauf entdeckt. Allerdings reicht sein Förderschulabschluss für eine Ausbildung zum Verkäufer nicht aus. Auch dafür hat Gisela Kwiatek eine Lösung. Gebeugt über Broschüren verschiedener Bildungseinrichtungen beraten die beiden, an welcher Schule Maurice Sondram den Hauptschulabschluss nachholen kann. Erleichterung und Freude auf den nächsten Schritt zu seinem Ziel machen sich auf dem Gesicht des jungen Mannes breit. Ein zuversichtliches Lächeln spielt um seinen Mund. „Ich wechsle nach der Förderschule auf jeden Fall zum Berufskolleg, um meinen Hauptschulabschluss nachzuholen!“ bekräftigt Maurice Sondram fest entschlossen.
Während der Hauptschulausbildung wird der junge Mann weiterhin von seiner Fachberaterin betreut. Gerade während der Hauptschule ist nach den Erfahrungen von IHK und IFD eine intensive Betreuung nötig, um frühzeitig gegensteuern zu können, wenn die schulischen Leistungen nicht ausreichend sind. Denn auch ohne Hauptschulabschluss gibt es Möglichkeiten, eine von den Kammern anerkannte betriebliche Ausbildung zu absolvieren.
Alternativen, wenn es mit dem Schulabschluss nicht klappt
„Eine gute Alternative zur regulären Ausbildung ist der Fachpraktiker oder die Fachpraktikerin“, sagt Dr. Jürgen Holtkamp, Bereichsleiter Ausbildungsberatung und -vermittlung bei der IHK Düsseldorf. Diese theoriereduzierte Ausbildung gibt es bei der IHK Düsseldorf derzeit für sieben Berufe, von der Küche und Hauswirtschaft über die Metallverarbeitung bis hin zum Verkauf. Gerade wird der oder die Fachpraktiker*in als Hotelkraft aus der Taufe gehoben. „Wir sind mit den Kammern und dem Hotel- und Gaststättenverband DEHOGA über die Ausbildungsinhalte im Gespräch“, freut sich Dr. Holtkamp über eine weitere Ausbildungsmöglichkeit für Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung. Denn die Fachpraktikerausbildung bietet individuell angepasste Fördermöglichkeiten, zum Beispiel durch Jobcoaching und flexible Lernmethoden – und gleichzeitig hebt sie neue Potentiale für die Branchen, die nach Mitarbeitenden suchen. Bei der Abschlussprüfung vor einer Handwerks- oder Industrie- und Handelskammer gibt es für die betroffenen Prüflinge besondere Nachteilsausgleiche, zum Beispiel etwas mehr Zeit.
Die Ausbildungen zum Fachpraktiker oder zur Fachpraktikerin sind nach § 66 BBiG von den Kammern anerkannt und dauern zwei bis drei Jahre. Sie kann betrieblich, aber auch überbetrieblich in Berufsbildungswerken oder bei anderen Trägern durchgeführt werden. Das Recht auf eine anerkannte Ausbildung ist in § 64 BBiG ausdrücklich geregelt. Jugendliche, die wegen einer Lernbeeinträchtigung oder einer anderen Behinderung nicht in der Lage sind, eine reguläre Ausbildung zu absolvieren, haben einen Rechtsanspruch auf eine Berufsausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf. Es müssen jedoch mehrere Voraussetzungen erfüllt sein:
- Nachweis eines Ausbildungsplatzes im angestrebten Beruf
- Feststellung der fehlenden Eignung für eine Regelausbildung. Diese wird vom Berufspsychologischen Service der zuständigen Agentur für Arbeit ausgestellt.
- Im Ausbildungsbetrieb oder bei einem externen Bildungsträger muss eine rehabilitationspädagogische Zusatzqualifikation, kurz ReZa, vorliegen.
„Bei allen Fragen und möglichen Schwierigkeiten rund um die Fachpraktikerausbildung ist die Fachberatung für inklusive Bildung die richtige Anlaufstelle“, sagt Dr. Holtkamp. „Wenn es im Ausbildungsbetrieb etwa an der ReZa mangelt – was häufig vorkommt – vermitteln wir über den IFD einen externen Bildungsträger mit dieser Qualifikation, der die Ausbildung im Betrieb begleitet“, benennt Gisela Kwiatek einen häufigen Stolperstein.
Förderung wird weiter ausgebaut
Die vom LVR-Inklusionsamt geförderte Fachberatung für inklusive Bildung der IHK in Düsseldorf und Köln hat bereits vielen jungen Menschen den Weg in die Zukunft geebnet. Das LVR-Inklusionsamt ist dabei, dieses Angebot mit weiteren Kammern im Rheinland zu etablieren. So werden durch den Ausbau des Beratungsangebotes in Kürze noch viel mehr junge Menschen ihre Zukunft aktiv gestalten können.
Auch Maurice Sondram hat die Fachberatung für inklusive Bildung schon sehr geholfen. Er blickt zuversichtlich auf seine künftige Berufslaufbahn und freut sich auf den nächsten Schritt in seiner Karriereplanung.
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Fachberatung für inklusive Bildung – effektive Kooperation zwischen LVR und IHK
Die Fachberatungen für inklusive Bildung bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) gibt es seit 2020 an bislang drei Kammern im Rheinland. Die erfolgreiche Kooperation zwischen IHK und LVR-Inklusionsamt wird aktuell auf weitere Kammerbezirke ausgedehnt. Denn das Konzept wird gut angenommen: Während die Kammern ihre Kontakte zu Arbeitgebern und viel Erfahrung mit der Ausbildungsberatung einbringen, kann das LVR-Inklusionsamt mit seiner Expertise in der inklusiven Bildung und Berufsorientierung punkten. So arbeiten die Fachberatenden der IHK bei der Betreuung der Klientinnen und Klienten eng mit dem Integrationsfachdienst des LVR-Inklusionsamtes zusammen. Zudem kann es über das Programm KAoA-Star ausbildungsinteressierte Schülerinnen und Schüler vermitteln.
Die Kosten für je eine Vollzeitstelle der inklusiven Fachberatung bei den IHKen trägt das LVR-Inklusionsamt. Bei der Besetzung dieser Stellen ist es beteiligt und achtet auf die fachliche Qualifikation bei der Beratung von Menschen mit Behinderung. Außerdem hält es die Beratungskräfte über gesetzliche Änderungen auf dem Laufenden und sorgt mit Fortbildungen für aktuelle Fachkenntnisse.
Weitere Informationen und Kontaktdaten zu den Fachberatungen gibt es auf der Website des LVR-Inklusionsamtes unter: