Statue der Justitia vor blauem Hintergrund mit rotem Kreis.

Aktuelles Urteil: Begrenzte Pflicht zur Rücksichtnahme

Ist ein Arbeitnehmer aus in seiner Person liegenden Gründen nicht mehr in der Lage, die vom Arbeitgeber aufgrund seines Direktionsrechts nach § 106 Satz 1 GewO näher bestimmte Leistung zu erbringen, kann es die Rücksichtnahmepflicht aus § 241 Absatz 2 BGB gebieten, dass der Arbeitgeber von seinem Direktionsrecht erneut Gebrauch macht. Er ist verpflichtet, dem leistungsgeminderten Arbeitnehmer dann innerhalb des arbeitsvertraglich vereinbarten Rahmens eine Tätigkeit zu übertragen, zu deren Erbringung dieser noch in der Lage ist. Eine Verpflichtung zur vertragsfremden Beschäftigung begründet das Gebot der Rücksichtnahme aber nicht. Ist im Arbeitsvertrag der Arbeitsort fest geregelt, ist kein Raum für die Ausübung des Direktionsrechts in örtlicher Hinsicht.

Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 12. Januar 2022; 3 Sa 540/21

Die Beklagte betreibt eine Augenklinik in B sowie zwölf weitere medizinische Versorgungszentren. Die schwerbehinderte Klägerin ist dort als medizinische Fachangestellte mit 30 Wochenstunden beschäftigt. Ihr arbeitsvertraglich vereinbarter Einsatzort ist die Zweigpraxis in Ba sowie die angeschlossene Praxis in A. Die langzeiterkrankte Klägerin möchte im Homeoffice beschäftigt werden, wo sie mit verschiedenen Aufgaben wie Telefonzentrale, Terminvereinbarung, Terminkoordination sowie allgemeinen organisatorischen Tätigkeiten betraut werden will.

Das LAG Köln bestätigte das ihre Klage abweisende Urteil des Arbeitsgerichts. Es führt aus, dass ein Anspruch der Klägerin auf einen Arbeitsplatz im Homeoffice nicht aus § 241 Absatz 2 BGB in Verbindung mit dem Direktionsrecht des Arbeitgebers gemäß § 106 Satz 1 GewO folge. Begrenzt würde die Verpflichtung der Arbeitgeberin durch den jeweiligen Vertragsgegenstand. Hier sei nämlich Voraussetzung, dass der Arbeitgeberin die entsprechende Neubestimmung der auszuübenden Tätigkeit sowohl rechtlich möglich als auch zumutbar ist. Eine Verpflichtung zur vertragsfremden Beschäftigung begründe das Gebot der Rücksichtnahme nicht. Die Arbeitgeberin könne im Rahmen der Rücksichtnahmepflicht lediglich gehalten sein, dem Wunsch der Arbeitnehmerin nach einer Vertragsanpassung nachzukommen. Dies gelte insbesondere, wenn anderenfalls ein dauerhaftes Unvermögen der Arbeitnehmerin drohe.

„Eine Verpflichtung zur vertragsfremden Beschäftigung begründet das Gebot der Rücksichtnahme aber nicht.“

Ein Anspruch der Klägerin folge aber auch nicht aus § 164 Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 SGB IX. Zwar hat ein Mensch mit Schwerbehinderung nach dieser Vorschrift einen Anspruch darauf, behinderungsgerecht beschäftigt zu werden. Dies gilt aber nicht, wenn die Erfüllung des Anspruchs für den Arbeitgeber nicht zumutbar oder mit unverhältnismäßigen Aufwendungen verbunden ist. Der Arbeitgeber müsse keinen zusätzlichen, bisher nicht vorhandenen und nicht benötigten Arbeitsplatz dauerhaft einrichten.

Weitere Artikelseiten mit Urteilen

Statue der Justitia vor blauem Hintergrund mit rotem Kreis.

Aktuelles Urteil: Übernahme Schulungskosten

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat entschieden, dass eine Personalvertretung in einem Luftfahrtunternehmen selbst wählen darf, welches Schulungsformat sie bevorzugt. Das Unternehmen muss die dadurch entstehenden Kosten übernehmen, auch wenn diese höher sind als bei alternativen Schulungsformen.

Statue der Justitia vor blauem Hintergrund mit rotem Kreis.

Aktuelles Urteil: Pflicht zum Präventionsverfahren

Kündigungen, die gegen § 164 Abs. 2 SGB IX verstoßen, sind rechtsunwirksam. Arbeitgeber sind auch während der Probezeit verpflichtet, ein Präventionsverfahren nach § 167 Abs. 1 SGB IX durchzuführen.

Statue der Justitia vor blauem Hintergrund mit rotem Kreis.

Aktuelles Urteil: Arbeitsassistenz und Rentenalter

Auch nach Erreichen der Regelaltersgrenze, also des Rentenalters, besteht ein Anspruch auf eine notwendige Arbeitsassistenz zu einer selbstständigen Tätigkeit.

Statue der Justitia vor blauem Hintergrund mit rotem Kreis.

Aktuelles Urteil: Ersatztermin zum Vorstellungsgespräch

Öffentliche Arbeitgeber sind rechtlich verpflichtet, schwerbehinderte Bewerber zu Vorstellungsgesprächen einzuladen.

Illustration von Justitia

Aktuelles Urteil: Behinderungsgerechte Tätigkeit

Bevor ein Arbeitgeber eine Kündigung ausspricht, muss er einem schwerbehinderten oder gleichgestellten Arbeitnehmer eine behinderungsgerechte Tätigkeit auf einem freien Arbeitsplatz anbieten.

Illustration von Justitia

Aktuelles Urteil: Gleichstellung

Die Gleichstellung eines behinderten Menschen mit einem schwerbehinderten Menschen setzt voraus, dass ohne die Gleichstellung ein geeigneter Arbeitsplatz im Sinne des § 156 SGB IX nicht erlangt oder erhalten werden kann.

Illustration von Justitia

Aktuelles Urteil: Dienststellen und SBV-Wahl

Die Zusammenfassung von Dienststellen nach § 177 Absatz 1 Satz 4 SGB IX setzt nicht voraus, dass die zusammenzufassenden Dienststellen jeweils weniger als fünf schwerbehinderte Mitarbeiter beschäftigen.

Illustration von Justitia

Verstoß gegen Wahlgrundsätze

Eine Wahl der Schwerbehindertenvertretung ist nichtig, wenn gegen allgemeine Wahlgrundsätze so grob und offensichtlich verstoßen wurde, dass auch der Anschein einer Wahl nicht mehr vorliegt.

Illustration von Justitia

Anhörung ist mehr als Unterrichten

Eine Anhörung der Schwerbehindertenvertretung geht über das bloße Unterrichten hinaus.

Illustration von Justitia

Unterschreiten der Mitarbeiterzahlen

Das Amt der Schwerbehindertenvertretung endet nicht vorzeitig, wenn die für ihre Wahl notwendige Mindestanzahl von fünf nicht nur vorübergehend beschäftigten schwerbehinderten Beschäftigten im Betrieb oder in der Dienststelle während der Amtszeit unterschritten wird.

Illustration der Justitia

Krankheitsbedingte Kündigung

Die Zustimmung des Integrationsamts zu einer krankheitsbedingten Kündigung begründet nicht die Vermutung, dass ein (unterbliebenes) betriebliches Eingliederungsmanagement die Kündigung nicht hätte verhindern können.

Illustration von Justitia

Urteil: Weitergabe von Kontaktdaten

Ist die Arbeitgeberin verpflichtet, der Gesamtschwerbehindertenvertretung die Kontaktdaten aller auch nichtbehinderter Beschäftigter mitzuteilen?

Schlagworte:
Urteil

Das könnte Sie auch interessieren


Statue der Justitia vor blauem Hintergrund mit rotem Kreis.
Aktuelle Urteile

Aktuelles Urteil: Übernahme Schulungskosten

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat entschieden, dass eine Personalvertretung in einem Luftfahrtunternehmen selbst wählen darf, welches Schulungsformat sie bevorzugt. Das Unternehmen muss die dadurch entstehenden Kosten übernehmen, auch wenn diese höher sind als bei alternativen Schulungsformen.

Statue der Justitia vor blauem Hintergrund mit rotem Kreis.
Aktuelle Urteile

Aktuelles Urteil: Pflicht zum Präventionsverfahren

Kündigungen, die gegen § 164 Abs. 2 SGB IX verstoßen, sind rechtsunwirksam. Arbeitgeber sind auch während der Probezeit verpflichtet, ein Präventionsverfahren nach § 167 Abs. 1 SGB IX durchzuführen.

Statue der Justitia vor blauem Hintergrund mit rotem Kreis.
Aktuelle Urteile

Aktuelles Urteil: Arbeitsassistenz und Rentenalter

Auch nach Erreichen der Regelaltersgrenze, also des Rentenalters, besteht ein Anspruch auf eine notwendige Arbeitsassistenz zu einer selbstständigen Tätigkeit.