Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderung

Mit dem Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Be­hin­de­run­gen wurde die erste universelle Menschenrechtsquelle für Personen mit Be­hin­de­rung geschaffen. Hauptziele der sogenannten Behindertenrechtskonvention sind soziale Inklusion und umfassender Diskriminierungsschutz.

Am 3.5.2008 ist das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (verkürzt auch: Behindertenrechtskonvention oder UN-BRK/VN-BRK) in Kraft getreten. Als einer der ersten Staaten hat Deutschland das Übereinkommen – zusammen mit dem dazugehörigen Fakultativprotokoll – am 30.3.2007 unterzeichnet. Die Be­hin­der­ten­rechts­kon­ven­ti­on ist der erste universelle Völkerrechtsvertrag, der den an­er­kann­ten Katalog der Menschenrechte, wie er in der internationalen Men­schen­rechts­char­ta zum Ausdruck kommt, auf die Situation von Menschen mit Be­hin­de­run­gen anpasst. Die Behindertenrechtskonvention gliedert sich in 2 Völ­ker­rechts­ver­trä­ge, das Übereinkommen mit 50 Artikeln und das Fa­kul­ta­tiv­pro­to­koll mit 18 Artikeln. Mit der Verabschiedung der Behindertenrechtskonvention haben die Vereinten Nationen nicht nur die erste verbindliche universelle Menschenrechtsquelle für Menschen mit Behinderungen geschaffen, sondern zugleich die sie betreffenden Fragestellungen in das gesamte, allgemeingültige Menschenrechtssystem der Vereinten Nationen eingeordnet.

Begriff der Behinderung (Artikel 1 Satz 2)

Die Behindertenrechtskonvention definiert Behinderung als soziales Konstrukt. Dieses ent­steht aus der Wechselwirkung zwischen Menschen mit langfristigen Beeinträchtigungen einerseits und einstellungs- und umweltbedingten Barrieren in der Gesellschaft andererseits, die eine volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe verhindern. Es geht also beim Umgang mit Behinderung um den Perspektivenwechsel von der Fürsorge zur Selbst­be­stim­mung, vom Objekt- zum Sub­jekt­sta­tus, vom „Problemfall“ zum Träger von eigenen Rechten.

Leitgedanke

Ausgehend von diesem Behinderungsbegriff fordert die Behindertenrechtskonvention die soziale Inklusion und einen umfassenden Diskriminierungsschutz für Menschen mit Be­hin­de­run­gen. Als Inklusion wird die von Anfang an gegebene, selbstverständliche, selbst­be­stimm­te und gleich­be­rech­tig­te Teilhabe von Menschen mit Behinderungen an allen gesellschaftlichen Bereichen „auf Augenhöhe“ mit Menschen ohne Behinderungen be­zeich­net. Sie unterscheidet sich damit von der Integration. Diese geht davon aus, Menschen – zum Beispiel mit Be­hin­de­run­gen –, die außerhalb von gesellschaftlichen Sys­te­men stehen, (nachträglich) in diese Systeme wie zum Beispiel Re­gel­schu­le oder Ar­beits­welt aufzunehmen.

8 Grundprinzipien

Artikel 3 der Behindertenrechtskonvention enthält 8 Prinzipien, die die Kernaussagen des Über­ein­kom­mens darstellen und den Auslegungsrahmen für die einzelnen normativen Be­stim­mun­gen der Behindertenrechtskonvention abstecken. Dabei handelt es sich um:

  1. Respekt vor der Würde und individuellen Autonomie, einschließlich der Freiheit, selbst­be­stimm­te Entscheidungen zu treffen
  2. Verbot der Diskriminierung
  3. volle und effektive Teilhabe an der Inklusion in die Gesellschaft
  4. Achtung vor der Unterschiedlichkeit und Akzeptanz von Menschen mit Behinderungen als Teil der menschlichen Verschiedenartigkeit und Humanität
  5. Chancengleichheit
  6. Barrierefreiheit
  7. Gleichheit zwischen Menschen aller Geschlechter
  8. Respekt vor den sich entwickelnden Fähigkeiten von Kindern mit Behinderungen und Achtung ihres Rechts auf Wahrung ihrer speziellen Identität.

Rechtliche Verpflichtungen

Mit diesen Leitprinzipien stellt sich die Behindertenrechtskonvention als Konkretisierung der Rechte von Menschen mit Behinderungen dar. Sie schafft keine neuen (einklagbaren) Spe­zi­al­rech­te oder Ansprüche für Menschen mit Behinderungen. Die Leitprinzipien sind al­ler­dings bei der Auslegung gesetzlicher Bestimmungen zu beachten. Die Be­hin­der­ten­rechts­kon­ven­ti­on verpflichtet die Vertragsstaaten, unter Ausschöpfung ihrer verfügbaren Mittel, Maßnahmen wie gesetzliche Regelungen oder Förderprogramme zu tref­fen, um künftig die Verwirklichung der wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und Bil­dungs­rech­te von Menschen mit Behinderungen möglichst umfassend zu gewährleisten. So wurde beispielsweise auch die Reform des SGB IX (Sozialgesetzbuch) im Lichte der UN-BRK durchgeführt.

Rehabilitation

Mit der Rehabilitation befasst sich Artikel 26 der Behindertenrechtskonvention. Die Ver­trags­staa­ten verpflichten sich insoweit, wirksame und geeignete Maßnahmen zu er­grei­fen, damit Menschen mit Behinderungen ein Höchstmaß an Unabhängigkeit, um­fas­sen­den körperlichen, geistigen, sozialen und beruflichen Fähigkeiten sowie die volle Teilhabe an allen Aspekten des Lebens erreichen und bewahren können.

Teilhabe am Arbeitsleben

Artikel 27 befasst sich mit Arbeit und Beschäftigung. Die Vertragsstaaten erkennen das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Arbeit an. Es beinhaltet das Recht auf die Mög­lich­keit, den Le­bens­un­ter­halt durch eigene Arbeit zu bestreiten. Dies bedingt einen of­fe­nen, inklusiven und für Menschen mit Behinderungen zugänglichen Arbeitsmarkt, in dem sie ihr Arbeitsumfeld frei wählen können. Die Vertragsstaaten verpflichten sich, die Ver­wirk­li­chung des Rechts auf Arbeit für Menschen mit Behinderungen zu sichern und zu fördern, unter anderem durch den Erlass von entsprechenden Rechtsvorschriften. In den einzelnen Regelungen des Artikel 27 Absatz 1 Buchstabe a–k geht es um verschiedene As­pek­te der Teilhabe am Arbeitsleben auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Die Be­hin­der­ten­rechts­kon­ven­ti­on nennt hier unter anderem

  • ein Diskriminierungsverbot,
  • das Recht auf gerechte Arbeitsbedingungen (zum Beispiel hinsichtlich des Ar­beits­ent­gelts),
  • den Zugang zum Arbeitsmarkt (unter anderem durch
  • die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen im öffentlichen Dienst sowie
  • die behinderungsgerechte Gestaltung der Arbeitsbedingungen.

Vor allem mit den Regelungen des SGB IX hat Deutschland insoweit bereits vielfältige ge­setz­li­che Bestimmungen geschaffen, die wesentliche Bereiche der Vorgaben des Ar­ti­kel 27 Be­hin­der­ten­rechts­kon­ven­ti­on in Bezug auf Arbeit und Beschäftigung in in­ner­staat­li­ches Recht umsetzen (insbesondere §§ 49, 50, 168 und folgende sowie §§ 185 und 187 SGB IX).

Fakultativprotokoll

Das von Deutschland ebenfalls unterzeichnete Fakultativprotokoll zur Be­hin­der­ten­rechts­kon­ven­ti­on enthält – ähnlich wie andere Menschenrechtsverträge – ein In­di­vi­du­al­be­schwer­de­ver­fah­ren. Damit können sich einzelne Menschen oder Gruppen gegen erlebte Rechts­ver­let­zun­gen in Bezug auf die Menschenrechte von Menschen mit Be­hin­de­run­gen wehren, indem sie den Ausschuss der Vereinten Nationen für die Rechte von Menschen mit Behinderungen anrufen können.

Stand: 30.09.2022

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