Pflegezeit
Die gesetzlich geregelte Pflegezeit ermöglicht, pflegebedürftige nahe Angehörige bis zu 6 Monate in häuslicher Umgebung zu pflegen. Oder ein Arbeitnehmer kann bis zu 10 Tage freinehmen, um Pflege für einen Angehörigen zu organisieren. Während der Pflegezeit besteht ein besonderer Kündigungsschutz.
Arbeitnehmer, die einen nahen Angehörigen pflegen wollen, haben unter bestimmten Voraussetzungen einen Rechtsanspruch gegen ihren Arbeitgeber darauf,
- der Arbeit bis zu 10 Tage fernzubleiben und
- für eine bis zu 6 Monate dauernde Pflegezeit von der Arbeit freigestellt zu werden.
Durch die gesetzlich geregelte Pflegezeit (vergleiche Pflegezeitgesetz [PflegeZG]) wird die Möglichkeit eröffnet, pflegebedürftige nahe Angehörige in häuslicher Umgebung zu pflegen. Die Vereinbarkeit von Beruf und familiärer Pflege wird verbessert. Das Recht, sich kurzfristig bis zu 10 Tage frei zu nehmen, soll es Angehörigen ermöglichen, eine plötzlich eingetretene Pflegesituation zu organisieren und zu strukturieren.
Arbeitsbefreiungsansprüche – kurzzeitiges Fernbleiberecht und Pflegezeit
Muss für einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen in einer akut aufgetretenen Pflegesituation eine bedarfsgerechte Pflege organisiert oder eine pflegerische Versorgung in dieser Zeit sichergestellt werden, haben Beschäftigte das Recht, bis zu 10 Arbeitstage der Arbeit fernzubleiben (§ 2 Absatz 1 PflegeZG). Diese Regelung gilt unabhängig von der Betriebsgröße. Die Wahrnehmung dieses Fernbleiberechts setzt voraus, dass der Beschäftigte dem Arbeitgeber die Verhinderung an der Arbeitsleistung und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitteilt. Diese Mitteilung kann formlos erfolgen. Auf Verlangen ist dem Arbeitgeber allerdings eine ärztliche Bescheinigung über die Pflegebedürftigkeit des nahen Angehörigen und die Erforderlichkeit der entsprechenden Maßnahmen vorzulegen (§ 2 Absatz 2 PflegeZG).
Arbeitnehmer, die bei Arbeitgebern mit in der Regel 16 oder mehr Beschäftigten tätig sind, haben zudem Anspruch darauf, von ihrer Arbeitsleistung vollständig oder teilweise freigestellt zu werden, wenn sie einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung pflegen (§ 3 Absatz 1 PflegeZG). Wer diese Pflegezeit beanspruchen will, muss dies dem Arbeitgeber spätestens 10 Arbeitstage vor Beginn schriftlich ankündigen und gleichzeitig mitteilen, für welchen Zeitraum und in welchem Umfang die Arbeitsbefreiung in Anspruch genommen werden soll. Der Beschäftigte hat die Pflegebedürftigkeit des nahen Angehörigen durch Vorlage einer Bescheinigung der Pflegekasse oder des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung nachzuweisen (§ 3 Absatz 2 PflegeZG). Der Beschäftigte kann die Pflegezeit auch nur teilweise in Anspruch nehmen. In diesem Fall haben Arbeitgeber und Beschäftigter eine schriftliche Vereinbarung über die Verringerung und die Verteilung der verbleibenden Arbeitszeit zu treffen (§ 3 Absatz 4 PflegeZG).
Beginn und Dauer der Pflegezeit (§ 4 PflegeZG)
Der Beginn der Pflegezeit hängt ab von dem Zeitpunkt des Zugangs der form- und fristgerechten Ankündigung beim Arbeitgeber. Die Pflegezeit beträgt für jeden pflegebedürftigen nahen Angehörigen längstens 6 Monate (Höchstdauer). Für einen kürzeren Zeitraum in Anspruch genommene Pflegezeit kann bis zur Höchstdauer verlängert werden, wenn der Arbeitgeber zustimmt. Ist der nahe Angehörige nicht mehr pflegebedürftig oder die häusliche Pflege des nahen Angehörigen unmöglich oder nicht mehr zumutbar, endet die Pflegezeit 4 Wochen nach Eintritt der veränderten Umstände. Über diese veränderten Umstände ist der Arbeitgeber unverzüglich zu unterrichten. Ansonsten kann die Pflegezeit nur dann vorzeitig beendet werden, wenn der Arbeitgeber einverstanden ist.
Vergütungsanspruch und Sozialversicherung
Das Pflegezeitgesetz sieht weder für die kurzzeitige Arbeitsverhinderung noch für die Pflegezeit einen Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Entgeltfortzahlung während der Zeit der Arbeitsverhinderung vor (vergleiche § 2 Absatz 3 PflegeZG). Der Arbeitgeber ist deshalb zur Fortzahlung der Vergütung nur verpflichtet, soweit sich eine solche Verpflichtung aus anderen gesetzlichen Vorschriften (eventuell aus § 616 BGB) oder aus einer Vereinbarung (zum Beispiel Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung beziehungsweise Dienstvereinbarung) ergibt. Die Arbeitsbefreiungsansprüche nach dem Pflegezeitgesetz ähneln daher einem unbezahlten Sonderurlaub.
Sozialversicherungsrechtlich bleibt der Beschäftigte bei der kurzzeitigen Freistellung nach § 2 PflegeZG weiterhin in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung versichert, da die – höchstmögliche – Freistellung von 10 Arbeitstagen die Monatsfrist des § 7 Absatz 3 Satz 1 SGB IV unterschreitet. Anders verhält es sich dagegen bei der Pflegezeit im Sinne des § 3 PflegeZG. Falls der Beschäftigte nicht über einen Angehörigen nach § 10 SGB V familienversichert ist, muss er sich in der Krankenversicherung freiwillig versichern. Bei Herabsetzung der wöchentlichen Arbeitszeit durch die Inanspruchnahme einer Teil-Pflegezeit (siehe oben) besteht die Möglichkeit, sich von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung befreien zu lassen (§ 8 Absatz 2 Nummer 2a SGB V). Die Pflichtversicherung in der Rentenversicherung bleibt jedoch bestehen (vergleiche § 3 Satz 1 Nummer 1a SGB VI), dasselbe gilt für die Arbeitslosenversicherung (vergleiche § 26 Absatz 2b SGB III).
Besonderer Kündigungsschutz
Der in § 5 PflegeZG enthaltene Kündigungsschutz besagt, dass der Arbeitgeber das Beschäftigungsverhältnis von der Ankündigung bis zur Beendigung der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung nach § 2 PflegeZG oder der Pflegezeit nach § 3 PflegeZG nicht kündigen darf. Dieser Kündigungsschutz ist von keiner Wartezeit abhängig. Er soll den Beschäftigten die Sorge vor dem Verlust des Arbeitsplatzes im Falle der Inanspruchnahme der Arbeitsbefreiung nehmen. In besonderen Fällen – zum Beispiel bei der Stilllegung eines Betriebs – kann eine Kündigung ausnahmsweise von der für den Arbeitsschutz zuständigen obersten Landesbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle genehmigt werden.
Stand: 30.09.2022