Kündigungsschutz

Menschen mit Schwerbehinderung haben neben dem allgemeinen einen besonderen Kündigungsschutz, der im Sozialgesetzbuch IX geregelt ist. Arbeitgeber müssen vor dem Ausspruch einer Kündigung die Zustimmung des Integrationsamtes einholen.

Der besondere Kündigungsschutz für schwerbehinderte Menschen nach den §§ 168–175 SGB IX ist ein Kernstück des Schwerbehindertenrechts (Teil 3 SGB IX).

Den besonderen Kündigungsschutz nach § 168 SGB IX genießt ein Arbeitnehmer nur, wenn es sich bei ihm um einen schwerbehinderten Menschen nach § 2 Absatz 2 SGB IX handelt (Schwerbehinderung). Danach sind Menschen schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung (GdB) von wenigstens 50 (Schwerbehinderung) vorliegt. Den besonderen Kün­di­gungs­schutz genießen daneben auch Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 30, die nach § 2 Absatz 3 SGB IX einem schwerbehinderten Menschen von der Agentur für Arbeit gleichgestellt wurden (Gleichstellung).

Nach § 173 Absatz 3 SGB IX finden die Vorschriften des Kündigungsschutzes keine An­wen­dung, wenn zum Zeitpunkt der Kündigung die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch nicht nachgewiesen ist. Ein Nachweis liegt vor, wenn das Versorgungsamt oder die nach Landesrecht zuständige Behörde einen Grad der Behinderung von mindestens 50 festgestellt hat oder ein Gleichstellungsbescheid der Agentur für Arbeit vorliegt. Eine vorherige Vorlage des Bescheides beim Arbeitgeber ist nicht notwendig. Kündigungsschutz besteht auch, wenn die Schwerbehinderung offenkundig ist.

Keine Anwendung finden die Vorschriften des besonderen Kündigungsschutzes nach § 173 Absatz 3 SGB IX auch, wenn das Versorgungsamt oder die nach Landesrecht zuständige Behörde nach Ablauf der Frist des § 152 Absatz 1 Satz 2 SGB IX eine Feststellung wegen fehlender Mitwirkung nicht treffen konnte.

Voraussetzungen

Der besondere Kündigungsschutz gilt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts unter folgenden Voraussetzungen:

  • Es muss ein Antrag auf Gleichstellung oder Feststellung der Schwer­be­hin­der­ten­ei­gen­schaft gestellt worden sein. Dies muss mindestens 3 Wochen vor Zugang der Kün­di­gungs­er­klä­rung erfolgt sein.
  • Das Versorgungsamt oder die nach Landesrecht zuständige Behörde beziehungsweise die Agentur für Arbeit hat innerhalb der 3-Wochenfrist keine Entscheidung getroffen. Dies beruht nicht allein auf fehlender Mitwirkung des Antragstellers.
  • Wenn eine Feststellung des Versorgungsamtes beziehungsweise der nach Landesrecht zuständigen Behörde über einen Grad der Behinderung unter 50 beziehungsweise eine ablehnende Entscheidung der Agentur für Arbeit erstinstanzlich erfolgt ist, kann der Arbeitnehmer den besonderen Kündigungsschutz auch dann in Anspruch nehmen, wenn gegen die erstinstanzliche Entscheidung Rechtsmittel eingelegt worden sind. Das heißt, dass diese noch nicht bestandskräftig ist.

Zustimmung des Integrationsamtes als besonderer Kündigungsschutz

Der Arbeitgeber benötigt zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen die vorherige Zustimmung des Integrationsamtes (§ 168 SGB IX).Die erforderliche Zustimmung ist der wesentliche Inhalt des besonderen Kündigungsschutzes.

Erst wenn die Entscheidung des Integrationsamtes in Form der Zustimmung vorliegt (Kün­di­gungs­schutz­ver­fah­ren), kann der Arbeitgeber die Kündigung wirksam erklären.

Die ohne vorherige Zustimmung des Integrationsamtes ausgesprochene Kündigung ist un­wirk­sam.

Sie kann auch nicht nachträglich durch das Integrationsamt genehmigt werden. Wenn der besondere Kündigungsschutz nach den Feststellungen des Integrationsamtes keine Anwendung findet, wird ein sogenanntes Negativattest erteilt. Dieses hat die Wirkung einer erteilten Zustimmung und berechtigt den Arbeitgeber zur Kündigung. Die Zustimmung ist notwendig für die ordentliche (§§ 168 und folgende SGB IX) und die außerordentliche Kündigung (§ 174 SGB IX) durch den Arbeitgeber.

Zustimmungsfrei ist die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum Beispiel durch

Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen ist hingegen zu­stim­mungs­pflich­tig, wenn sie bei

ohne Kündigung erfolgt (erweiterter Beendigungsschutz, § 175 SGB IX).

Aus Gründen der Rechtssicherheit wird jedoch empfohlen, in diesen Fällen alle Grün­de, die zur Rechtsunwirksamkeit der Kündigung führen können, damit ins­be­son­de­re auch die fehlende Zustimmung des Integrationsamtes, innerhalb von 3 Wochen ab Zugang der Kündigung mit der Kündigungsschutzklage geltend zu machen.

Verzichtet der schwerbehinderte Mensch etwa durch eigene Kündigung oder durch Abschluss eines Aufhebungsvertrags auf den besonderen Kündigungsschutz oder schließt er einen Abwicklungsvertrag, hat er nach seinem Ausscheiden aus dem Betrieb möglicherweise finanzielle Nachteile in Kauf zu nehmen, wie zum Beispiel eine Sperrzeit für die Zahlung des Arbeitslosengeldes.

Ausnahmeregelungen

Einige Ausnahmen von der notwendigen Zustimmung des Integrationsamtes bei einer Kündigung durch den Arbeitgeber enthält § 173 SGB IX. Hiernach ist unter anderem die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen innerhalb von 6 Monaten seit Bestehen des Arbeitsverhältnisses zustimmungsfrei (§ 173 Absatz 1 Nummer 1 SGB IX). Es genügt, wenn der Arbeitgeber die Kündigung innerhalb der 6‑Monatsfrist erklärt, selbst wenn die Kün­di­gungs­frist danach endet. Zustimmungsfrei sind unter bestimmten Voraussetzungen auch Kündigungen von schwerbehinderten Menschen, die sozial abgesichert sind (§ 173 Absatz 1 Nummer 3 SGB IX); ferner Kündigungen der in § 173 Absatz 1 Nummer 2 und Absatz 2 SGB IX genannten Beschäftigungsverhältnisse.

Zustimmung des Integrationsamtes bei Beendigung von Arbeitsverhältnissen (Tabelle)

Zustimmung erforderlich
Kün­di­gung durch Ar­beit­ge­berSon­der­fall (Oh­ne Kün­di­gung)
Or­dent­li­che Kün­di­gungAu­ßer­or­dent­li­che Kün­di­gungÄn­de­rungs­kün­di­gungTeil­wei­se Er­werbs­min­de­rung oder Er­werbs­min­de­rung auf Zeit
Zustimmung nicht erforderlich
Ein­ver­nehm­li­che Be­en­di­gung (Auf­he­bungs­ver­trag)Frist­ab­lauf bei be­fris­te­tem Ver­tragKün­di­gung durch Ar­beit­neh­mer mit Schwer­be­hin­de­rungBe­en­di­gung in be­son­de­ren Fäl­len des § 173 SGB IX

Ablaufschema der Zustimmung

Weitere Informationen zum Ablauf der Zustimmung, zum Ermessensspielraum des Integrationsamtes sowie zu Ausnahmeregelungen gemäß SGB IX bietet die Arbeitshilfe „Zustimmung“ im Downloadbereich.

Medien und Arbeitshilfen

ZB Ratgeber Der besondere Kündigungsschutz
Downloads und Arbeitshilfen

ZB Ratgeber „Der besondere Kündigungsschutz“

Nach dem SGB IX haben Menschen mit Schwer­behin­derung einen besonderen Kündi­gungs­schutz. Detaillierte In­for­ma­tio­nen dazu entnehmen Sie dem ZB Ratgeber.

Ein Mann hält Dokumente in der Hand und lächelt.
Downloads und Arbeitshilfen

Ablaufschema Zustimmung

Die Arbeitshilfe zeigt im Detail, bei welchen Kündigungsarten eine Zustimmung des Integrationsamtes erforderlich ist oder nicht und nennt weitere Regelungen zum Ermessens­­spielraum sowie Ausnahmeregelungen nach dem SGB IX.

Stand: 30.09.2022

Zum Fachlexikon