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... und hier dazu die einschlägige
Literatur sowie die
Rechtsprechung zur Unvereinbarkeit (Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 63 m.w.N.) wegen Interessenkollision bei einer
gleichzeitigen Ausübung.
christian.vedder hat geschrieben:hat der Arbeitgeber ihn spätestens zum Zeitpunkt der Einreichung der Wahlvorschläge von seiner Funktion zu entbinden.
Ich halte diese noch heute in der Literatur vertretene (und auch von mir früher erwogene) Ansicht für nicht kompatibel mit dem Wahlrecht nach § 177 Absatz 3 SGB IX, da
keine Rechtsfrage der Wählbarkeit – sondern vielmehr Inkompatibilität, also dem Verbot der gleichzeitigen Ausübung von Auftrag und Mandat. Wer aber noch gar nicht gewählt ist, kann
schon rein logisch von diesem Grundsatz nicht betroffen sein. Von einem solchen Zeitpunkt
steht nichts im Gesetz.
Viel zu weitgehend und verfehlt jedoch, wenn das
VG Aachen gemeint haben sollte mit seinen pauschalen Überlegungen zum beamtenrechtlichen
Weisungsrecht, dass beim Beauftragten ein dauerhaft fehlendes passives Wahlrecht zugrunde zu legen sei. Richtig ist vielmehr: Will ein Beauftragter des Arbeitgebers für die SBV kandidieren und wird als Vertrauensperson gewählt, hat ihn der Arbeitgeber von seiner Funktion als Beauftragter zu entbinden. Ob das nun bei förmlicher Wahl schon zu dem Zeitpunkt der Einreichung eines Wahlvorschlags zu geschehen hat, wie in BIH-Wahlbroschüre ohne nähere Begründung angenommen, erscheint sehr fraglich. Bei förmlicher Wahl wäre das bis zu
sechs Wochen vor der Wahl, und Amtsbeginn wäre dann nochmals bis zu
zwei Monate später – etwa bei einer Wahl am 01.10.2018 und bei Amtsbeginn am 01.12.2018. Was aber sollte diesen Beauftragten hindern, wenigstens bis zum Wahltag seine Funktion als Arbeitgeber-Beauftragter auszuüben
?? Eine Interessenkollision kann ich jedenfalls bis zu dem Wahltag nicht erkennen, wo die Stimmen noch gar nicht ausgezählt sind und ja noch nicht einmal feststeht, ob er gewählt wird, geschweige denn zwei sich kollidierende Tätigkeiten innehat, was Interessenkollision bis dahin schon rein denklogisch ausschließt. Ich teile daher nicht diese m.E. zu weitgehende Auffassung in BIH-Wahlbroschüre, was den Zeitpunkt bei förmlicher Wahl betrifft, da sachlich sowie wahlrechtlich
durch nichts zu rechtfertigen etwa im Vergleich zur vereinfachten Wahl (teils über ¼ Jahr
!) und
daher willkürlich. Vgl. etwa den Rechtsgedanken in § 11 Abs. 2
Buchst. b und d LPVG NW zu „sonstigen Beauftragten“.
Weisung?
Diese Interessenlage gilt gleichermaßen für Arbeitnehmer sowie für
Beamte. Andernfalls würde der Arbeitgeber den Beauftragten in der Ausübung seines passiven Wahlrechts beschränken und verstieße damit gegen
§ 20 Abs. 1 Satz 2 BetrVG,
§ 24 Abs. 1 Satz 2 BPersVG oder die entsprechenden Vorschriften des Landespersonalvertretungsrechts wie
§ 21 Abs. 1 Satz 2 LPVG NRW und
Art. 24 Abs. 1 Satz 2 BayPVG (in die gleiche Richtung Prof. Dr. Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 64). Eine gegenteilige Weisung des Arbeitgebers bzw. Dienstherren wäre nicht nur unbillig nach
§ 106 GewO, sondern rechtswidrig, und wäre ohnehin als solche wahlrechtlich unbeachtlich bzw.
nichtig, da durch
gesetzliche Vorschrift festgelegt (vergl.
BAG, 18.10.2017, 10 AZR 330/16).
Rechtsprechung?
Daran ändert auch nichts der im SGB IX-Fachschrifttum und Foren oft unkritisch zitierte
grobe Fehlbeschluss des
VG Aachen, 25.11.1999, 16 K 371/99.PVL. Da hat der schwankende Wahlvorstand als auch der schwankende
Verwaltungsrichter versagt, die beide zunächst die SBV-Wählbarkeit klar bejahten: Mit Beschluss vom 13. Oktober 1998 stellte die erkennende Kammer in dem einstweiligen Verfügungsverfahren - 16 L 1289/98.PVL - zunächst fest, dass der Antragsteller für die auf den 22. Oktober 1998 ausgeschriebene Wahl „passiv wahlberechtigt“ sei. Der Wahlvorstand hätte diese Wahl schon nicht abbrechen dürfen, weil er dazu nur bei Nichtigkeit befugt wäre laut Rspr. Allein deshalb, weil der Wahlvorstand den einen bereits zugelassenen Bewerber aufgrund
bloßer Wertungsänderung plötzlich als nicht mehr wählbar ansah (vergleiche hierzu entsprechend Wiegand/Hohmann, SchwbVWO, § 13 Rn. 28, zu einer
„einmal getroffenen Sachentscheidung über Gültigkeit von Stimmzetteln“), nachdem dem Wahlvorstand der andere Bewerber abhanden kam, da dieser seine Kandidatur aus persönlichen Gründen
“zurückgezogen“ hatte, durfte die Wahl sieben Tage später am 31.08.1998 „nicht abgesagt“ werden (vgl.
Pahlen in: NPM-SGB IX, § 94 Rn. 19). Vor allem aber hätte dieser Richter niemals auf das
„dienstrechtliche“ Weisungsrecht abstellen dürfen.Das ist nicht absolut sowie klar begrenzt durch das gesetzlich verbürgte passive Wahlrecht - das nicht per Weisung vereitelt werden darf, weil dies sonst auf glatte unzulässige Wahlbehinderung hinausliefe. Dies hat das Verwaltungsgericht verkannt (so
Cramer SchwbG, 5. Auflage, § 28 Rn. 5, wonach die SBV-Wählbarkeit
„durch das Gesetz nicht ausgeschlossen“ ist). Warum der Wahlvorstand als Beteiligter zu 1) am Gerichtsverfahren bis zuletzt beteiligt wurde, obwohl dessen Amt bereits seit neun Monaten längst erloschen war, ist gleichfalls nicht nachvollziehbar. Nach alledem 3-fach-Fehler.
Ich sehe nach alledem keinen stichhaltigen und schon gar keinen zwingenden Grund, eine solche Kandidatur abzulehnen, und rate dringend von der Ablehnung ab, da ein Ausschluss nicht begründbar laut Literatur!
Eine solche Unvereinbarkeit besteht m. E. gleichermaßen zwischen der Funktion (nicht „Amt“, wie aber zuweilen in der Literatur noch immer fälschlich angegeben) des Beauftragten des Arbeitgebers (Inklusionsbeauftragten ab 2018), sowie dem Amt eines Betriebsrats/Personalrats. Siehe auch
Diskussion zur sog. „
Inkompatibilität“.
Viele Grüße
Albin Göbel