magdalena.mayer hat geschrieben:Ist überörtliche Nachwahl auch zulässig in Wahlversammlung?
Was sagt die Wahlordnung?
NEIN, Wahlversammlung nicht zulässig
nach dem Wortlaut des § 22 SchwbVWO
Ich habe da gleichfalls Zweifel, dass hier eine Nachwahl der Stellvertretung in einer Wahlversammlung zulässig ist. Denn der
§ 22 Abs. 3 SchwbVWO verweist ja
gerade nicht auf
§ 21 der Wahlordnung zur vereinfachten Nachwahl in Wahlversammlung, sondern nur auf § 20 SchwbVWO.
Demnach allein
nur förmliche Nachwahl gemäß § 22 Abs. 1 SchwbVWO, da dieser auf den
§ 17 SchwbVWO zur förmlichen Nachwahl verweist. Daran hat sich auch nichts geändert durch das BTHG für die Nachwahl, da der § 22 SchwbVWO nur
redaktionell angepasst wurde ab 2018. Dieser Wortlaut der Verordnung schließe jedenfalls Wahlversammlung so oder so allgemein aus für derartige Nachwahlen. Vergl. Wiegand/Hohmann, SchwbVWO, Rn. 24 zu § 22, wie folgt:
"Aus der Verweisung auf § 17 SchwbVWO ergibt sich, dass die überörtliche Schwerbehindertenvertretung unverzüglich einen Wahlvorstand zur Nachwahl eines stellvertretenden Mitglieds oder mehrerer stellvertretenden Mitglieder bestellen muss, wenn das einzige stellvertretende Mitglied ausgeschieden oder noch nicht gewählt ist.
Was sagt das Gesetz?
JA, eine Wahlversammlung ist zulässig
entgegen Wortlaut des § 22 SchwbVWO
Da das SGB IX als gesetzliche Regelung aber selbst
abschließend regele, wann das vereinfachte Wahlverfahren anzuwenden sei und wann förmlich zu wählen ist, müsse § 22 SchwbVWO gesetzeskonform ausgelegt werden, so das BAG zur überörtlichen Wahl. Dies spricht folglich für vereinfachte Nachwahl bei unter 50 Wahlberechtigten laut
§ 180 Abs. 7 iVm § 177 Abs. 6 Satz 3 SGB IX
"entsprechend"; folgt man dieser Ansicht, dann muss
zwingend vereinfacht nachgewählt werden trotz abweichendem Wortlaut der Wahlordnung und entgegen
Hohmann bei der Nachwahl einer BSBV mit unter 50 wahlberechtigten Schwerbehindertenvertretungen entgegen verbreiteter Ansicht in Literatur. Ob diese Konsequenz vom BMAS beim BTHG bedacht wurde für Nachwahl u.a. ist zweifelhaft.
Nachtrag:
• Was ist der Regelfall?
• Gibt es den Regelfall?
Den im Schrifttum verbreitet angenommenen "Regelfall" gibt es demnach nicht nach gesetzeskonformer Auslegung des § 22 SchwbVWO. Denn Gesetzgeber hat Wahlverfahren selbst ➔zwingend festgelegt. Er hat insbesondere die Bundesregierung nicht ermächtigt in der gesetzlichen Verordnungsermächtigung gemäß
§ 183 SGB IX davon abweichend irgendwelche bestimmte Ausnahmen zuzulassen. Diese Ermächtigung ist begrenzt lt.
Art. 80 GG.
Und daran hat sich auch der VO-Geber zu halten - was er aber wohl offenbar nicht getan hat ... Also niemals ➔Auswahlermessen für niemand, nicht für VO-Geber und auch nicht für SBV-Stufe. In diesem Sinne gibt's eigentlich ➔keinen Regelfall und damit kein Regelwahlverfahren, auch wenn in Wahlordnung so normiert. Der § 22 Abs. 1 Satz 4 SchwbVWO dürfte nichtig sein, weil bei drei oder bei vier Wahlberechtigten förmliche Wahl ausgeschlossen kraft Gesetzes.
ZB Info 1|2018 (Seite 7) hat geschrieben:Noch Fragen? In der Regel werden die Stufenvertretungen nach dem förmlichen Wahlverfahren gewählt.
Entgegen BIH-Ansicht in
ZB info 1 I 2018 (Seite 7) zur Organisation der Wahl werden die Stufenvertretungen nicht
„in der Regel nach dem förmlichen Wahlverfahren“ gewählt, da das jeweilige Wahlverfahren kraft Gesetzes zwingend festgelegt ist. Ich teile diese pauschale Ansicht nicht, weil jedenfalls durch BAG bzw. BTHG überholt: Ein solches Regelwahlverfahren gibt es nicht (mehr), da bei unter 50 wahlberechtigten Mandatsträgern vereinfacht, und ab 50 Wahlberechtigten förmlich gewählt werden muss von Gesetzes wegen (§ 180 Abs. 7 i.V.m. § 177 Abs. 6 Satz 3 SGB IX). Ein Ermessen besteht insoweit nicht. Soweit § 22 SchwbVWO dem entgegensteht mit seinen teils abweichenden Tatbeständen (speziell u.a. § 22 Abs. 3 SchwbVWO), geht das Gesetz für Neu- und auch für Nachwahlen wegen des Gesetzesvorrangs der Wahlordnung vor. Dieser Umstand wurde offenbar im BTHG 2016 nicht konsequent durchdacht.
Gibt es evtl. weitere Meinungen?
Wer kennt dazu neuere Literatur?
Viele Grüße
Albin Göbel