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Nachwahl überörtliche Bezirks-SchwbV in Wahlversammlung?

Verfasst: Sonntag 20. August 2017, 21:40
von magdalena.mayer
Hallo zusammen,
ist eine Wahlversammlung zur Nachwahl stellv. Mitglieder der BSBV, wenn der letzte BSBV-Stellvertreter ausgeschieden ist, nur jeweils anlässlich bzw. im Rahmen einer Jahres-Versammlung möglich nach § 97 Absatz 8 SGB IX? Oder ist die überörtliche Nachwahl auch außerhalb einer solchen jährlichen Versammlung aller örtlichen Vertrauenspersonen zulässig in einer Wahlversammlung?

Gruß,
Magdalena Mayer

AW: Nachwahl überörtliche Bezirks-SchwbV in Wahlversammlung?

Verfasst: Mittwoch 23. August 2017, 23:01
von Michael Karpf
Das vereinfachte Wahlverfahren hat zwei Anwendungsalternativen: Entweder in der (jährlichen) Versammlung der Schwerbehindertenvertretungen auf Einladung der Stufenvertretung oder eben (sonst) bei der Wahl der örtlichen SBV (bei weniger als 50 Wahlberechtigten).

Natürlich muss es aber möglich sein, in der Stufe auch außerhalb einer Versammlung nachzuwählen - dann aber zwingend im förmlichen Verfahren und schriftlich (Briefwahl). Eine wahlordnungsrechtliche Legitimation, dass eine Nachwahl in der Stufe in diesem Fall im vereinfachten Verfahren durchgeführt werden darf, gibt es nicht.

➡ § 22 Abs. 3 i.V.m. § 20 SchwbVWO

Nachwahl überörtliche Bezirks-SchwbV in Wahlversammlung?

Verfasst: Donnerstag 24. August 2017, 16:09
von albin.göbel
  • »Chaotisches Wahlrecht«
magdalena.mayer hat geschrieben:Ist überörtliche Nachwahl auch zulässig in Wahlversammlung?
:?: Was sagt die Wahlordnung?
NEIN, Wahlversammlung nicht zulässig
nach dem Wort­laut des § 22 SchwbVWO


Ich habe da gleichfalls Zweifel, dass hier eine Nachwahl der Stellvertretung in einer Wahlversammlung zulässig ist. Denn der § 22 Abs. 3 SchwbVWO verweist ja gerade nicht auf § 21 der Wahlordnung zur ver­ein­fach­ten Nachwahl in Wahlversammlung, sondern nur auf § 20 SchwbVWO.

Demnach allein nur förmliche Nachwahl gemäß § 22 Abs. 1 SchwbVWO, da dieser auf den § 17 SchwbVWO zur förmlichen Nachwahl verweist. Daran hat sich auch nichts geändert durch das BTHG für die Nachwahl, da der § 22 SchwbVWO nur redaktionell angepasst wurde ab 2018. Dieser Wort­laut der Verordnung schließe jedenfalls Wahlversammlung so oder so allgemein aus für derartige Nachwahlen. Vergl. Wiegand/Hohmann, SchwbVWO, Rn. 24 zu § 22, wie folgt:

"Aus der Verweisung auf § 17 SchwbVWO ergibt sich, dass die überörtliche Schwer­be­hin­der­ten­ver­tre­tung unverzüglich einen Wahlvorstand zur Nachwahl eines stell­ver­tre­ten­den Mitglieds oder mehrerer stell­ver­tre­ten­den Mitglieder bestellen muss, wenn das einzige stellvertretende Mitglied aus­ge­schie­den oder noch nicht gewählt ist.

:?: Was sagt das Gesetz?
JA, eine Wahlversammlung ist zulässig
entgegen Wortlaut des § 22 SchwbVWO


Da das SGB IX als gesetzliche Regelung aber selbst abschließend regele, wann das vereinfachte Wahlverfahren anzuwenden sei und wann förmlich zu wählen ist, müsse § 22 SchwbVWO gesetzeskonform aus­ge­legt werden, so das BAG zur überörtlichen Wahl. Dies spricht folglich für vereinfachte Nachwahl bei unter 50 Wahlberechtigten laut § 180 Abs. 7 iVm § 177 Abs. 6 Satz 3 SGB IX "entsprechend"; folgt man dieser Ansicht, dann muss zwingend vereinfacht nachgewählt werden trotz ab­wei­chen­dem Wortlaut der Wahlordnung und entgegen Hohmann bei der Nachwahl einer BSBV mit unter 50 wahlberechtigten Schwer­be­hin­der­ten­ver­tre­tun­gen entgegen ver­brei­te­ter­ Ansicht in Literatur.­ Ob diese Kon­se­quenz vom BMAS beim BTHG bedacht wurde für Nachwahl u.a. ist zweifelhaft.

Nachtrag:
• Was ist der Regelfall?
• Gibt es den Regelfall?

Den im Schrifttum verbreitet an­ge­nom­me­nen "Regelfall" gibt es demnach nicht nach gesetzeskonformer Auslegung des § 22 SchwbVWO. Denn Gesetzgeber hat Wahl­ver­fah­ren selbst ➔zwingend fest­ge­legt. Er hat insbesondere die Bun­des­re­gie­rung nicht ermächtigt in der gesetzlichen Ver­ord­nungs­er­mäch­ti­gung gemäß § 183 SGB IX davon ab­wei­chend irgendwelche be­stimm­te Ausnahmen zu­zu­las­sen. Diese Ermächtigung ist begrenzt lt. Art. 80 GG.

Und daran hat sich auch der VO-Geber zu halten - was er aber wohl of­fen­bar nicht getan hat ... Also nie­mals ➔Aus­wahl­er­mes­sen für niemand, nicht für VO-Geber und auch nicht für SBV-Stufe. In diesem Sinne gibt's eigentlich ➔keinen Re­gel­fall und damit kein Regelwahlverfahren, auch wenn in Wahl­ord­nung so normiert. Der § 22 Abs. 1 Satz 4 SchwbVWO dürfte nichtig sein, weil bei drei oder bei vier Wahlberechtigten förmliche Wahl ausgeschlossen kraft Gesetzes.

ZB Info 1|2018 (Seite 7) hat geschrieben:Noch Fragen? In der Regel werden die Stu­fen­ver­tre­tungen nach dem förmlichen Wahlverfahren ge­wählt.
:idea: Entgegen BIH-Ansicht in ZB info 1 I 2018 (Seite 7) zur Organisation der Wahl werden die Stufenvertretungen nicht „in der Regel nach dem förmlichen Wahlverfahren“ gewählt, da das jeweilige Wahlverfahren kraft Gesetzes zwingend festgelegt ist. Ich teile diese pauschale Ansicht nicht, weil jedenfalls durch BAG bzw. BTHG überholt: Ein solches Regel­wahl­ver­fah­ren gibt es nicht (mehr), da bei unter 50 wahl­be­rech­tig­ten Mandatsträgern ver­ein­facht, und ab 50 Wahl­be­rech­tig­ten förmlich gewählt werden muss von Gesetzes wegen (§ 180 Abs. 7 i.V.m. § 177 Abs. 6 Satz 3 SGB IX). Ein Ermessen besteht insoweit nicht. Soweit § 22 SchwbVWO dem ent­ge­gen­steht mit seinen teils ab­wei­chen­den Tat­be­stän­den (speziell u.a. § 22 Abs. 3 SchwbVWO), geht das Gesetz für Neu- und auch für Nachwahlen wegen des Gesetzes­vor­rangs der Wahlordnung vor. Dieser Umstand wurde offenbar im BTHG 2016 nicht konsequent durchdacht.

Gibt es evtl. weitere Meinungen?
Wer kennt dazu neuere Literatur?

Viele Grüße
Albin Göbel

Hat Stufen-SBV Auswahlermessen zwischen den zwei Wahlverfahren?

Verfasst: Mittwoch 3. Oktober 2018, 14:00
von albin.göbel
  • »unter fünfzig stets einfache Wahl«
Hallo zusammen,
es besteht, wenn man sich an dem klaren eindeutigen Gesetzeswortlaut orientiert, wohl kein Op­tions­­­­recht­­­­­­­­­­­­­­ bzw. kein Ermessensspielraum für die jeweiligen Stufen-SBVen, ein Wahl­ver­­­­fah­ren­­­­ aus­zu­wäh­len­­­­­­­: Nicht bei Re­gel­­­­wahl­­­­­, nicht bei Zwischenwahl und auch nicht bei Nachwahl entgegen § 22 Abs 3 SchwbVWO. Das Wahlverfahren für die überörtliche Vertretung richtet sich nach § 180 Abs. 7 SGB IX iVm § 177 Abs. 6 Satz 3 SGB IX "entsprechend", wonach eine vereinfachte Wahl zwingend bei unter 50 Wahlberechtigten – und förmliche Wahl zwingend bei 50 Wahlberechtigten und mehr kraft Ge­set­zes­ durchzuführen ist nach neuerer Literatur. Ebenso Düwell, LPK-SGB IX, § 180 Rn. 68 am Ende, und in dem Vorwort zur 5. Auflage, wonach bei der Neufassung des SGB IX 2016 "übersehen worden" sei, dass die Wahl­ord­nung mehr­fach­ "mit dem vorrangigen Ge­set­zes­recht nicht übereinstimmt".

:idea: Das SGB IX als Gesetz habe Vor­rang­­ vor der SchwbVWO als bloße Ver­ord­nung­­­ nach LPK-SGB IX, 5. Auflage 2018, so Düwell zum § 177 SGB IX Rn. 17, und Sachadae, § 22 SchwbVWO Rn. 20; eben­so­­­­ Düwell, Wahl der SBV 2018­­, Ka­p. 15.3 zur GSBV, Kap. 15.4 zur KSBV, Kap. 15.5 für HSBV, Kap. 15.6 für Nachwahlen (a.A. wohl BIH-Wahlbroschüre, Seite 83 unten).

Merksatz: Es gibt daher kraft Gesetzes entgegen der Wahlordnung und verbreiteter Meinung im Schrifttum und Web kein förmliches Regelwahlverfahren nach § 22 Abs. 1 SchwbVWO. Ferner kraft Gesetzes auch keinerlei Ermessen nach § 22 Abs. 3 SchwbVWO. Das Maß aller Dinge ist einzig die Anzahl der Wahlberechtigten und sonst nichts. Dies gilt ebenso auch für alle Nach­wah­len. Wurde offenbar vom BMAS (zuletzt) beim BTHG verkannt sowie über­se­hen. Das bedarf dringend der Bereinigung, da teils widersprüchlich und sinnfrei.

BIH-Wahlbroschüre hat geschrieben:Nicht wahlberechtigt für die Wahl der HSBV ist die BSBV.218)
:idea: Hinweis: Laut BIH-Wahlbroschüre, Abschnitt 7.3.2, Stichwort: "Wahl­be­rech­­­ti­gung­­­­" auf Seite 87, soll die BSBV nicht für die Wahl zur HSBV wahlberechtigt sein. Dies folge aus BAG v. 24.05.2006, 7 ABR 40/05. Das alles ist höchst irritierend und wi­der­sprüch­­­­lich­­­­. Hier handelt es sich offenbar um ein redaktionelles Versehen, da das genaue Gegenteil zutrifft laut § 180 Abs 3 SGB IX. Richtig ist: Die GSBV statt BSBV ist nicht wahlberechtigt für die Wahl der HSBV.

:idea: Wahlberechtigt ist ferner nicht nur die örtliche SBV - "für das Ministerium" - sondern ggf. auch die örtl. SBV anderer oberster Bundesbehörden wie etwa der DRV Bund, Bundesagentur, Bundesbank, aber auch des Lands Berlin kraft Gesetzes (über BIH-Broschüre 7.3.2 und über das BIH-Ausschreiben Stufe hinaus, das nur die ört. SBV des Mi­nis­ter­­­iums­­­­­ statt auch anderer ­­­­­­­­­­­oberster ­­­­­­­­­­ Dienst­behörden­­­­­ nennt außerhalb der ­­­ Ministerialstrukturen, bei denen ja teilweise auch Haupt-SBV gewählt wird). Ferner Hauptquartier (headquarters) der Alliierten Stationierungs­streitkräfte als „oberste Dienstbehörde“. Ebenso Düwell, LPK-SGB IX, § 180 Rn. 67/68

Viele Grüße
Albin Göbel