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Schwerbehindert bei der Einstellung ankreuzen?
Verfasst: Donnerstag 8. September 2016, 09:47
von tawi
Hallo,
ich hab mal eine Frage bzgl. der Angabe bei dem Arbeitgeber über die Schwerbehinderung bei der Einstellung. Wenn man nach 10 Jahren dem Arbeitgeber mitteilt das man Schwerbehindert ist, wie sieht es rechtlich aus. Kann der Arbeitgeber wegen einer falschen Angabe kündigen. Gibt es Urteile oder Gesetzestexte. Für eine konkrete Antwort wäre ich dankbar
Liebe Grüße
AW: Schwerbehindert bei der Einstellung ankreuzen?
Verfasst: Donnerstag 8. September 2016, 17:19
von valentin
Hallo,
nein sofern die Schwerbehinderung nicht dazu führte, dass man sein Tätigkeit lt. ArbV nicht wahrnehmen konnte. Aber man hat sich selbstverschuldet die 10 Jahre jährlich um 5 Tage Zusatzurlaub, sprich 50 Tage gebracht.
Der AG hätte zwar bei Wissen um die Schwerbehinderung ggf Ausgleichsabgaben sparen können doch dieses wurde noch nie rechtlich behandelt.
AW: Schwerbehindert bei der Einstellung ankreuzen?
Verfasst: Freitag 9. September 2016, 12:11
von Tina99
Hallo,
eine Schwerbehinderung muss nur angegeben werden, wenn sie in Verbindung mit dem Arbeitsplatz steht (die Arbeit wegen der Einschränkung nur langsam oder gar nicht gemacht werden kann).
Es ist also eine Frage des Vertrauens - einige Arbeitgeber geben kurz vor Ablauf der Probezeit einen 2.Personalbogen heraus. In diesem muss dann die Einschränkung angegeben werden, sonst ist das ein Kündigungsgrund.
Ich kenne auch Arbeitgeber, die von einer Behinderung nichts wussten, jahrelang in die Ausgleichsabgabe eingezahlt haben (was sie sonst nicht gebraucht hätten) und dann sauer waren, wenn der Arbeitnehmer wegen einer Kündigung plötzlich den Schwerbehinderten - Ausweis gezückt hat..
Dann ist natürlich das Vertrauen weg, daran sollte man vielleicht auch denken. Aber die Entscheidung trägt letztendlich jeder für sich.
AW: Schwerbehindert bei der Einstellung ankreuzen? (BAG 2011)
Verfasst: Samstag 19. November 2016, 20:45
von albin.göbel
tawi hat geschrieben:Gibt es Urteile zum Fragerecht des Arbeitgebers?
Hallo, hier gibt's die
Rechtsprechung zu dieser schon wiederholt gestellten Rechtsfrage im Forum nach einer tätigkeitsneutralen Schwerbehinderung. Sie gilt jedoch nicht nur für
Anbahnung einer Beschäftigung, sondern u.a. auch grds. während einer Probezeit.
Gegen ein generelles uneingeschränktes Fragerecht im Einstellungsverfahren jetzt auch
Bundesarbeitsgericht 2011 und 2014 wie folgt:
BAG: "Eine Pflicht zur
Offenbarung der Schwerbehinderung schon bei einer Bewerbung besteht grundsätzlich nicht, ebenso wenig wie ein grundsätzliches Fragerecht des Arbeitgebers" (BAG vom 18.09.2014, 8 AZR 759/13 Rn.
40; ferner BAG, 26.06.2014, 8 AZR 547/13,
Rn. 53).
Ebenso schon BAG, 13.10.2011, 8 AZR 608/10, Rn
43 mit weiteren Nachweisen, wonach gerade die Nachfrage nach einer tätigkeitsneutralen Schwerbehinderung ein Indz für eine unmittelbare oder mittelbare Verfahrensdiskriminierung sein könne im Einstellungsverfahren.
Tina hat geschrieben:Einige Arbeitgeber geben kurz vor Ablauf der Probezeit einen 2. Personalbogen heraus.
Gerade auch dann ist natürlich die Frage nach einer Schwerbehinderung diskriminierend und unzulässig!
Praxis-Studie
Siehe dazu auch
Diskussion 2016 zum Feldexperiment mit Arbeitgebern (Studie zu möglicher Diskriminierung in Bewerbungsprozessen).
Viele Grüße
Albin Göbel
AW: Schwerbehindert bei der Einstellung ankreuzen?
Verfasst: Montag 21. November 2016, 08:51
von albarracin_01
Hallo Tina,
eine Schwerbehinderung muss nur angegeben werden, wenn sie in Verbindung mit dem Arbeitsplatz steht (die Arbeit wegen der Einschränkung nur langsam oder gar nicht gemacht werden kann).
Ergänzend zu Herrn Göbel:
Gesundheitliche Einschränkungen, die sich auf das Arbeitsverhältnis auswirken, müssen in ihren Auswirkungen (nicht aber mit Diagnosen) nach dem Grundsatz von "Treu und Glauben" grundsätzlich vom AN angegeben werden - unabhängig davon, ob dafür ein GdB zuerkannt wurde.
AW: Schwerbehindert bei der Einstellung ankreuzen? (ArbG Hamburg 2017)
Verfasst: Freitag 8. Dezember 2017, 15:00
von albin.göbel
tawi hat geschrieben:Gibt es Urteile oder Gesetzestexte?
Hallo, selbst dann, wenn bei Bewerbungen "lediglich" die Erklärung verlangt wird, dass eine Bewerberin "den Bestimmungen des Schwerbehindertengesetzes nicht unterliegt", wäre dies dennoch diskriminierend, obgleich das Schwerbehindertengesetz (SchwbG) schon längst außer Kraft gesetzt worden ist. Denn diese Frage zielt letztlich ab auf eine
unzulässige tätigkeitsneutrale Befragung nach einer Schwerbehinderung,
ArbG Hamburg, 27.06.2017, 20 Ca 22/17. Näheres in
jurisPR-ArbR 49/2017 Anm. 5
Leitsätze:
1. Die in einem vom Arbeitgeber vorformulierten Arbeitsvertrag enthaltene Erklärung des Arbeitnehmers, nicht den Bestimmungen des Schwerbehindertengesetzes zu unterliegen, indizier Benachteiligung wegen einer Behinderung.
2. Die tätigkeitsneutrale Frage nach einer Schwerbehinderung bei einer Einstellung ist unzulässig.
Hier sind BR/PR sowie SBV gemeinsam gefordert,
dass derartige seit über 15 Jahren gemäß der h.M.
diskriminierende Formulare endlich entsorgt bzw.
geschreddert werden. Vgl auch ZB-Archiv 4/2017
Viele Grüße
Albin Göbel
AW: Schwerbehindert bei der Einstellung ankreuzen? (LAG Hamburg 2017)
Verfasst: Montag 12. Februar 2018, 17:00
von albin.göbel
Das
LAG Hamburg hat am 30.11.2017 unter dem AZ.: 7 Sa 90/17 die Berufung der Beklagten zurückgewiesen sowie der Anschlussberufung des Klägers stattgegeben in vollem Umfang. Wäre der Bewerber zuvor arbeitslos gewesen, so wäre nicht nur Entschädigung – sondern vielmehr Schadensersatz in Betracht gekommen:
Leitsatz:
Enthält ein Arbeitsvertragsformular, das dem Bewerber nach einem Einstellungsgespräch zur Unterzeichnung vorgelegt wird, die Formulierung "Der Mitarbeiter erklärt, dass er zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses den Bestimmungen des Schwerbehindertengesetzes nicht unterliegt.", so liegt allein hierin eine Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung nach § 3 Satz 1 AGG. Das gilt jedenfalls in den Fällen, in denen die Schwerbehinderung keinerlei Auswirkungen auf die auszuübende Tätigkeit haben kann.
Anmerkung: Sebastian Busch,
jurisPR-ArbR 11/2018 Anm. 3
Viele Grüße
Albin Göbel