Aufstocker vs. schwerbehinderte Bewerber

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elschwoabos

Aufstocker vs. schwerbehinderte Bewerber

Beitrag von elschwoabos »

Hallole,

ich hätte da mal ne Frage:

Laut Teilzeitbefristungsgesetz und z. B. AVR (Tarifvertrag) sind bei einer Stellenauschreibung Teilzeitbeschäftigte die aufstocken möchten externen Bewerbern vor zu ziehen. So weit so gut.
Wie verhält sich das, wenn unter den Bewerbern Schwerbehinderte sind? (Qualifikation ist gleich)

Vorab schonmal vielen Dank für Eure HIlfe.

Hardy
matthias.günther
Beiträge: 288
Registriert: Mittwoch 2. Mai 2012, 14:41

AW: Aufstocker vs. schwerbehinderte Bewerber

Beitrag von matthias.günther »

Hallo,
bisher gab es hier keine Antwort - das Thema scheint schwierig zu sein. Aber besser spät als nie.
§ 9 TzBfG lässt eigentlich dem AG keine Wahl. Lt. § 81 Abs. 2 SGB IX i. V. m. AGG muss jedenfalls eine Diskrimierung aufgrund der Behinderung unterbleiben. Darum geht es doch hier wohl nicht.
Die meisten Personaler stellen ja niemanden ein, um ihn wegen der Behinderung zu bevorzugen, sondern weil sie genau die Person auf der entsprechenden Stelle haben wollen. (Bei guten Leuten, wo "es" passt, ist es den meisten AG inzwischen egal, ob behindert oder nicht, da der AG sich vorher eine Meinung dazu bildet, ob der Bewerber zukünftig für das Unternehmen einen Mehrwert bringen wird, der etwaige Aufwendungen z. B. für den Zusatzurlaub übersteigt. So zumindest meine Erfahrungen aus der täglichen Berufspraxis. Ausnahmen bestätigen die Regel.)
Das Risiko einer Klage hat der AG in dieser Konstellation sowieso, es dürfte also darauf ankommen, die fachliche (und persönliche...) Eignung genau festzustellen und ggf. in einem nachvollziehbaren Bewertungs- /Rankingsystem abzubilden.
Warum sollte ich als AG jemanden extern einstellen, wo ich auf Arbeitnehmer aus dem Betrieb zurückgreifen kann, die das Unternehmen und die Abläufe schon kennen? Wobei fachliche Eignung und Qualifikation nicht automatisch gleichzusetzen sind. Da zählt auch Berufserfahrung usw.
Dass die Stelle auch extern ausgeschrieben war deutet doch darauf hin, dass es keine geeigneten Bewerber intern gab?
So nun bin ich gespannt auf andere Meinungen... Vielleicht kommt die Diskussion noch in Gang.
albarracin_01
Beiträge: 572
Registriert: Dienstag 25. Juni 2013, 10:43

AW: Aufstocker vs. schwerbehinderte Bewerber

Beitrag von albarracin_01 »

Hallo,

hier würde ich als SBV den § 122 SGB IX heranziehen,
http://www.gesetze-im-internet.de/sgb_9/__122.html" onclick="window.open(this.href);return false;
der speziell auf das "Konkurrenzverhältnis" von gesetzlichen Vorschriften sowie weiteren AG-Bindungen wie zB Tarifverträge, Richtlinien, Erlasse, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen abhebt.
Diese können alle nicht als alleinige Rechtfertigung der Nichtbeachtung der Rechte schwerbehinderter/gleichgestellter Bewerber herangezogen werden bzw. eine Nachrangigkeit dieser Rechte begründen.

Dies hat auch schon mal das BAG (8 AZR 697/10, 16.2.2012) festgestellt:
http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cg ... =10&anz=14" onclick="window.open(this.href);return false;
In Rn 60 äußert sich das BAG zur Bedeutung des § 122.
&Tschüß
Wolfgang
matthias.günther
Beiträge: 288
Registriert: Mittwoch 2. Mai 2012, 14:41

AW: Aufstocker vs. schwerbehinderte Bewerber

Beitrag von matthias.günther »

Wobei in dem genannten Urteil der AG mit der Nichteinladung zum Vorstellungsgespräch ja ein fast schon "klassisches" Indiz für eine Diskriminierung geliefert hat. Genau deswegen sind AG gut beraten, bei solchen Konstellationen im Zweifelsfall halt zum Vorstellungsgespräch einzuladen, betrifft wegen § 82 SGB IX insbesondere öffentliche AG. Nicht immer muss sich der gute Eindruck einer schriftlichen Bewerbung, egal ob intern oder extern, dann bestätigen. Auch ein Probearbeiten für z. B. 2 Wochen zur abschließenden Feststellung der fachlichen und persönlichen Eignung ist eine gute Möglichkeit und wird auch von vielen AG genutzt.
Abgesehen davon landet über die Hälfte aller schriftlichen oder per Email verschickten Bewerbungen sowieso ungelesen im realen oder virtuellen Papierkorb des Personalers (aktuelle Studie "Recruiting Trends", nur 42,2 % der Bewerbungen werden intensiv gelesen.). (Von den verbliebenen Bewerbungen fallen meistens die raus, wo der Bewerber nur aufzählt, was er für sein bisheriges Unternehmen schon alles getan und erfolgreich umgesetzt hat oder irgendwelche Selbstverständlichkeiten betont. Viel mehr sind Personaler aber daran nteressiert, was der Bewerber zukünftig für das Unternehmen für eine Nutzen haben wird.) Daher sollte die SBV besonders auf ihre Mitwirkungsrechte achten (§ 81 Abs. 1 SGB IX).

Wichtig: Aus § 122 SGB IX folgt kein Einstellungs- oder Beschäftigungsanspruch für sbM! In der Entscheidung vom 16.02.12 lässt das BAG gerade offen, ob § 122 SGB IX eine tatsächliche Vorrangregelung zugunsten sbM darstellt (vgl. Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, S. 1073 f, Rnr. 6 ff zu § 122 SGB IX: "Praktisch folgt aus der Norm, dass die Ablehnung der Einstellung [...] eines schwerbehinderten Bewerbers nicht mit der Begründung erfolgen kann, dass für einen anderen Bewerber eine Pflicht zur bevorzugten Einstellung [...] besteht. Der Arbeitgeber hat in diesen Fällen vielmehr eine transparente und nachvollziehbare Ermessensentscheidung über die Auswahl zu treffen...."). Daher meine erste Antwort in diesem Thread.
elschwoabos

AW: Aufstocker vs. schwerbehinderte Bewerber

Beitrag von elschwoabos »

Vielen Dank für die erhellenden Beiträge.

Hardy
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