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Zusatzurlaub

Verfasst: Mittwoch 5. August 2015, 14:38
von stephie1584
Hallo,

ich bin seit 2007 als schwerbehindert mit 50 % anerkannt. Seit Oktober 2012 bin ich angestellt. Bei meiner Anstellung bzw. die letzten drei Jahre habe ich es nicht für nötig befunden, meinen Chef grundlos über meine Schwerbehinderung zu informieren. Er hat mich auch nicht danach gefragt, obwohl er weiß, dass ich an Multiple Sklerose leide.

Ich habe erst vor Kurzem erfahren, dass man als schwerbehinderte Angestellte einen Anspruch auf Zusatzurlaub hat. Wie kann ich den jetzt geltend machen? Geht das überhaupt noch? Und wenn ja, habe ich Anspruch auf die vollen 5 Tage für dieses Jahr oder wird der anteilig für den Rest des Jahres berechnet?

Oder habe ich die Chance auf den Zusatzurlaub "verspielt", da ich meinem Chef nicht unmittelbar nach den 6 Monaten Probezeit von meiner Schwerbehinderung in Kenntnis gesetzt habe?

Vielen Dank schon einmal im Voraus.
MfG Stephie 1584

AW: Zusatzurlaub

Verfasst: Mittwoch 5. August 2015, 15:09
von matthias.günther
Hallo,

das Anrecht auf Zusatzurlaub nach § 125 SGB IX entsteht zunächst ohne Rücksicht auf die Kenntnis des Arbeitgebers von der Schwerbehinderung. Das Vorliegen der Schwerbehinderung muss der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber jedoch durch Vorlage des Schwerbehindertenausweises nachweisen. Der Anspruch auf Zusatzurlaub entsteht wie der reguläre gesetzliche Urlaubsanspruch grundsätzlich zum Jahresanfang und muss auch wie der restliche Urlaub geltend gemacht bzw. beantragt werden. Somit hier für dieses Jahr noch der volle Anspruch auf Zusatzurlaub, rückwirkend vor 2015 jedoch nicht.

Schau mal hier: https://www.integrationsaemter.de/Fachl ... index.html" onclick="window.open(this.href);return false;

Bei einer offensichtlichen Behinderung können die Rechte als schwerbehinderter Arbeitnehmer auch ohne gesonderten Nachweis geltend gemacht werden. Um Streitigkeiten zu vermeiden, empfiehlt sich aber immer die Vorlage des Schwerbehindertenausweises als Nachweis.

Grüße aus dem Integrationsamt Chemnitz

AW: Zusatzurlaub

Verfasst: Mittwoch 5. August 2015, 16:07
von stephie1584
Hallo Herr Günther,

viele Dank für die schnelle Antwort :)

Dann werde ich mich auf das anstehende Gespräch mit meinem Chef, der sich über die zusätzlichen Urlaubstage nicht sehr freuen wird, vorbereiten. Ich habe ein wenig Bedenken, dass das Arbeitsklima darunter leidet. Aber da muss ich wohl durch.

Gibt es vielleicht eine Möglichkeit, wie er aus dieser Situation auch einen Vorteil erhält?

AW: Zusatzurlaub

Verfasst: Donnerstag 6. August 2015, 09:24
von matthias.günther
Hallo,

natürlich bringt es dem Arbeitgeber einen motivierten Beschäftigten! :)
Außerdem kann der Arbeitgeber vielleicht noch Ausgleichsabgabe sparen (falls er die Pflichtquote nicht erfüllt) und kommt seiner gesetzlichen Beschäftigungspflicht nach.
Erst die eingesparte Ausgleichsabgabe ansprechen, ehe man auf den Zusatzurlaub zu sprechen kommt. Bei Problemen steht auch die Schwerbehindertenvertretung (wenn es diese im Betrieb gibt) mit Rat und Tat zur Seite. Sonst auch der Betriebsrat.

AW: Zusatzurlaub

Verfasst: Donnerstag 6. August 2015, 22:21
von stephie1584
Ich arbeite in einem sehr kleinen Betrieb mit nur 4 Angestellten. Einen Betriebsrat, geschweige denn eine Schwerbehindertenvertretung gibt es bei uns nicht.
Und soweit ich weiß muss er aufgrund der Betriebsgröße auch keine Quote erfüllen, kann also auch keine Ausgleichszahlung einsparen.

Vielen Dank für die ausführlichen Infos und schnellen Antworten.

AW: Zusatzurlaub

Verfasst: Freitag 7. August 2015, 11:33
von albin.göbel
stephie hat geschrieben:Gibt es vielleicht eine Möglichkeit, wie er aus dieser Situation auch einen Vorteil erhält?
Das Integrationsamt kann in bestimmten Fällen Arbeitgebern finanzielle Leistungen gewähren. Das sind regelmäßig Ermessensleistungen. Beim Leistungsumfang, also der Förderhöhe, spielt es bei bestimmten Leistungsarten dann ggf. durchaus eine Rolle, dass ein Kleinstbetrieb wie bei Ihnen ohne Beschäftigungspflicht schwerbehinderte Menschen beschäftigt.


Viele Grüße
Albin Göbel

Zusatzurlaub

Verfasst: Mittwoch 16. September 2015, 09:50
von Profiman
Hallo,

ich habe seit Januar 2015 einen Bescheid auf Schwerbehindertenausweis erhalten und ist somit rückwirkend ab 06.05.2013. Einen Schwerbehindertenausweis mit 60 GdB habe ich erhalten und damit habe ich meinen Arbeitsgeber mitgeteilt. Darauf besteht ein Zusatzurlaub von 5 Tagen und rückwirkend für das Jahr 2014 zusätzlich 5 Tage. Jetzt ist mein Arbeitsgeber nicht damit einverstanden, dass ich für das Jahr 2014 keine 5 Zusatzurlaubstage bekomme. Laut Gesetz habe ich auch rückwirkend Anspruch darauf. Wie gehe ich jetzt vor?

AW: Zusatzurlaub

Verfasst: Donnerstag 17. September 2015, 15:40
von matthias.günther
Hallo,

rückwirkend für 2014 kann der Zusatzurlaub nur geltend gemacht werden, wenn dieser noch im Kalenderjahr 2014 (wegen des laufenden Antrags auf Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft) gegenüber dem Arbeitgeber geltend gemacht wurde. Ist dies nicht erfolgt, darf der Arbeitgeber die rückwirkende Gewährung des Zusatzurlaubs für 2014 zu recht verweigern.
Wurde aber der Zusatzurlaub rechtzeitig geltend gemacht, muss der Arbeitgeber diesen gewähren (evtl. Urlaubsabgeltung). Bei Weigerung des Arbeitgebers Schwerbehindertenvertretung und Betriebsrat einschalten, damit diese sich einsetzen können. Ggf. auch das Integrationsamt einschalten. Bei beharrlicher Weigerung des Arbeitgebers bleibt aber nur, dass der Anspruch auf Zusatzurlaub über das Arbeitsgericht eingeklagt wird.

AW: Zusatzurlaub

Verfasst: Dienstag 22. September 2015, 18:01
von albin.göbel
"Der Arbeitnehmer ist gut beraten, der im laufenden Antragsverfahren seinen Anspruch auf Zusatzurlaub gegenüber dem Arbeitgeber verlangt. Denn hat der Arbeitnehmer den Urlaub erfolglos geltend gemacht und war dem Arbeitgeber der Anspruch noch vor Ablauf des Urlaubsjahres erfüllbar, so muss der Arbeitgeber für die infolge des Erlöschens des Urlaubsanspruchs eingetretene Unmöglichkeit seiner Erfüllung einstehen. An die Stelle des ursprünglichen Urlaubsanspruchs tritt dann ein Ersatzanspruch." (Düwell, Das novellierte Schwerbehindertenrecht, Kapitel 8, Rn. 143; ebenso Cramer NZA 2004, 698, 711: "Zusatzurlaub aus vergangenen Jahren kann nicht beansprucht werden", sowie ständige Rechtsprechung seit BAG vom 22.10.1991, 9 AZR 373/90; BAG vom 21.02.1995, 9 AZR 166/94).

TIPP: Auf diese Rechtslage könnten Antragsteller von der SBV, so wie das vielfach praktiziert wird, vorausschauend
hingewiesen werden, ggf. im Rahmen des § 95 Abs. 1 Satz 3 SGB IX. Dies speziell dann, wenn der GdB-Antrag beim Versorgungsamt erst gegen Jahresende gestellt wird. An dieser Rechtslage hat sich durch die Neufassung des § 125 SGB IX 2004 nach zwischenzeitlich herrschender Meinung nichts geändert! Im Bundesschnitt dauern Feststellungsverfahren bei den Versorgungsämtern etwa drei bis vier Monate.

WICHTIG: Allein ein bloßer beiläufiger Hinweis eines Beschäftigten an seinen Arbeitgeber, er habe einen GdB-Antrag gestellt und mache "vorsorglich" einen Zusatzurlaubsanspruch geltend, reicht jedoch urlaubsrechtlich nicht aus für die "Geltendmachung" laut Fachlexikon, sofern sich der Arbeitgeber nicht "kulant" bzw. verständig zeigen sollte.


Viele Grüße
Albin Göbel