fock hat geschrieben:heißt für mich, dass das Amt Hildesheim widerrechtlich gehandelt hat ...
Hallo Herr Krome,
der
VdK hat letzte Woche im Web auf die Pressemitteilung des 9. BSG-Senats vom 11.08.2015 von weitreichender Bedeutung hingewiesen, wonach das Versorgungsamt u.U. noch
nach Jahrzehnten einen versehentlich zu Unrecht ausgestellten unbefristeten Schwerbehindertenausweis einziehen darf per Bescheid
für die Zukunft.
Denn das Bundessozialgericht hat das umfangreich begründete Berufungsurteil des
LSG Stuttgart vom 30.01.2015, L 8 SB 2523/14, bestätigt. Diese Aufhebung sei grds. zwingend - Ermessen stehe der Behörde nicht zu. Auf teilweisem oder gar vollständigem Vertrauensschutz könne in solch einem Fall der Kläger nicht pochen. Das entgegenstehende
Fehlurteil des Sozialgerichts Ulm vom 28.02.2014 - S 9 SB 2788/12, welches entgegen allgemeinem Sozialrecht und ständiger Rechtsprechung lapidar meinte, schon wegen Zeitablauf habe das Versorgungsamt seinen Aufhebungsanspruch gegenüber dem seit Jahren längst geheilten Kläger unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben
"verwirkt", wurde aufgehoben. Die Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises steht ebenso wie die zugrunde liegende Feststellung der Schwerbehinderung von Anfang an unter dem Vorbehalt der Nachprüfung bei Änderung der Verhältnisse. Kritisch bleibt anzumerken, dass das LSG Stuttgart mehrfach Nachteilsausgleiche als
"Vergünstigungen" bezeichnete entgegen gesetzlicher Sprachregelung.
Terminbericht Nr. 35/15 (13.08.2015)
"3) Der Senat hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Das Versorgungsamt durfte dem Kläger dessen Schwerbehindertenstatus entziehen, obwohl es das schon über zehn Jahre vorher hätte tun können und dem Kläger stattdessen einen unbefristeten Schwerbehindertenausweis ausgestellt hatte. Zehn Jahre nach einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse des Betroffenen ist nur die rückwirkende Aufhebung eines Dauerverwaltungsakts ausgeschlossen, nicht dagegen auch die Aufhebung mit Wirkung für die Zukunft. Die Ausstellung eines unbefristeten Schwerbehindertenausweises begründet kein schützenswertes Vertrauen auf den Fortbestand der zugrunde liegenden Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft.
Vgl. Medieninformation Nr. 18/15"
BSG v. 11.08.2015, B 9 SB 2/15 R
fock hat geschrieben:Wie soll ich mich denn verhalten?
Nachdem daran Rente und Steuer hängen, würde ich unbedingt professionellen Rat einholen und zwar sofort, worauf Christian Vedder ja schon im Juli nachdrücklich hingewiesen hat. Behindertenverbände dürften da regelmäßig "erste Wahl" für ihre Mitglieder sein, da wohl auch auf solche Fälle spezialisiert.
Soweit geschrieben wurde, dass diese Änderung der Befristung im Ausweis ein "nichtiger Verwaltungsakt" sein könne, ist das fraglich, weil eine reine Änderung im Ausweis an sich rechtlich nicht unbedingt als Verwaltungsakt anzusehen sei gemäß
LSG Stuttgart, 30.1.2015, L 8 SB 2523/14, Rn. 62. Das
Verfahren richtet sich gemäß § 69 Abs. 5 Satz
5 SGB IX:
"Der Ausweis wird berichtigt, sobald eine Neufeststellung unanfechtbar geworden ist."
Anwendbarkeit?
Sollte dieses Urteil hier nicht anzuwenden sein zu der "Änderung der sachlichen oder rechtlichen Verhältnisse" nach §
48 Abs. 1 Satz 1 SGB X (
Dau, LPK-SGB IX, §.69 Rn 31), hätte mE. Verwaltung ggf. "nach § 48 Absatz 3 SGB X vorzugehen", falls Rücknahme laut §
45 SGB IX nicht möglich ist (
Dau, LPK-SGB IX, §.69 Rn. 30). Zu den
Fristen nach § 45 Abs. 3 SGB X ist eine sichere Einschätzung nicht möglich, weil
angefragte nähere Angaben fehlen! Zu Ihrem bereits gestellten
"Rentenantrag" vgl. auch
LSG Ba-Wü, Rn. 68 am Ende.
Viele Grüße
Albin Göbel