§ 95 Abs. 2 SGB IX

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nicolee

§ 95 Abs. 2 SGB IX

Beitrag von nicolee »

Guten Tag,
wir haben folgende Fragen:

1.
Ist es richtig, dass der Arbeitgeber gem. der o. g. Norm die SBV bereits mit Beginn des allerersten Gespräches rechtzeitig und umfassend unterrichten muss?
Sollte dies der Arbeitgeber versäumen, verstößt er bereits dann gegen § 156 SGB IX?

2.
Was versteht der Gesetzgeber unter dem Begriff "Arbeitgeber"?
* Ausschließlich Angehörige der Personalabteilung?
* Führungskräfte / Leitende Führungskräfte / Angehörige des Führungsstabes ohne eigene Führungsfunktion der jeweiligen Fachabteilung?
* Ggf. noch eine andere Personengruppe eines Unternehmens?

Wir wären Ihnen für eine rechtssichere Rückantwort sehr dankbar.
Mit freundlichen Grüßen und vielen Dank im Voraus.
matthias.günther
Beiträge: 282
Registriert: Mittwoch 2. Mai 2012, 14:41

AW: § 95 Abs. 2 SGB IX

Beitrag von matthias.günther »

Hallo,

hier ein Auszug aus unserem "ABC Behinderung und Beruf": Arbeitgeber ist, wer Arbeitnehmer in einem Arbeitsverhältnis mit abhängiger Arbeit beschäftigt.

Eine gesetzliche Definition des Begriffs "Arbeitgeber" existiert nicht.

Wer im konkreten Einzelfall von Arbeitgeberseite der Informationspflicht gegenüber der Schwerbehindertenvertretung nachkommt, regelt das einzelne Unternehmen eigenverantwortlich. In der Regel wird der Informationsfluss über den Beauftragten des Arbeitgebers nach § 98 SGB IX erfolgen.

Unklar ist mir bei Ihrer Fragestellung, was Sie unter "Beginn des allerersten Gespräches" verstehen. Ich gehe davon aus, dass es sich um Gespräche des Arbeitgebers mit einzelnen schwerbehinderten Beschäftigten handelt.

Gemäß § 95 Abs. 2 S. 1 SGB IX hat der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten, die einen einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren, unverzüglich und umfassend zu unterrichten und vor einer Entscheidung anzuhören. "Unverzüglich" bedeutet dabei "ohne schuldhaftes Zögern" (§ 121 Abs. 1 BGB). "Umfassend" heißt, dass der Arbeitgeber der Schwerbehindertenvertretung den gleichen Kenntnisstand verschaffen muss, wie er ihm selbst auch als Grundlage für seine beabsichtigte Entscheidung (damit sind alle einseitigen Maßnahmen im Rahmen des Direktionsrechts gemeint, auch personelle Einzelmaßnahmen) vorliegt. Äußert sich die Schwerbehindertenvertretung zu der Information des Arbeitgebers, muss sich dieser sachlich mit ihren Argumenten auseinandersetzen, eine etwaige Stellungnahme der Schwerbehindertenvertretung muss inhaltlich Gehör finden, ohne dass der Arbeitgeber dazu verpflichtet wäre, ihr zu folgen.
Bei einem Verstoß gegen § 95 Abs. 2 SGB IX durch den Arbeitgeber wäre § 156 Abs. 1 Nr. 9 SGB IX als erfüllt anzusehen.

Wichtig, im Interesse der schwerbehinderten Beschäftigten bitte auf die Verpflichtung zur vertrauensvollen Zusammenarbeit nach § 99 SGB IX im Betrieb achten, diese Vorschrift ist ja keine Einbahnstraße und ehe eine Schwerbehindertenvertretung die Konsequenzen nach § 156 SGB IX zieht, sollte sie zunächst immer das Gespräch mit dem Arbeitgeber suchen, um eine konstruktive Lösung zu finden. Dies setzt natürlich auch voraus, dass der Arbeitgeber die (berechtigten) Anliegen der Schwerbehindertenvertretung ernst nimmt.

Freundliche Grüße aus dem Integrationsamt Chemnitz
Ulrich.Römer
Beiträge: 621
Registriert: Mittwoch 29. September 2010, 12:51

AW: § 95 Abs. 2 SGB IX

Beitrag von Ulrich.Römer »

Hallo nicolee,
1. Ist es richtig, dass der Arbeitgeber gem. der o. g. Norm die SBV bereits mit Beginn des allerersten Gespräches rechtzeitig und umfassend unterrichten muss?
Um welches Gespräch geht es? § 95 Absatz 2 SGB IX setzt kein Gespräch voraus. Die Informationspflicht des AG ist allumfassend.
Sollte dies der Arbeitgeber versäumen, verstößt er bereits dann gegen § 156 SGB IX?
Nur die in § 156 Absatz 1 genannten Paragrafen sind mit Bußgeld belegt. § 95 Absatz 2 SGB IX ist ausdrücklich genannt!

Info: Das Bußgeld bekommt übrigens nicht die SBV sondern das Integrationsamt. Die zukünftige Zusammenarbeit zwischen AG und SBV wird sich dann sehr schwierig gestalten, deshalb vorher gut überlegen, was man tut!
Was versteht der Gesetzgeber unter dem Begriff "Arbeitgeber"?
Entweder der Arbeitgeber selbst, oder sein Beauftragter nach § 98 SGB IX
Ulrich Römer

Moderator der BIH-Foren
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