jada.wasi hat geschrieben:Bedeutet das, dass ohne Einspruch Wahl nicht angefochten werden kann, obwohl fehlerhafte Wählerliste?
Hallo Jada Wasi,
das wäre wohl eher praxisfremd bzw "überspannt", wenn man bedenkt, dass manche Betriebe oder Dienststellen ja aus teils weit über 50 bundes- oder landesweit verstreuten Filialen bzw.Betriebsstätten bestehen, nur an einzelnen Standorten die Wählerliste ausgelegt wird und daher Wähler u.U. quer durch die Republik (auf eigene Kosten) reisen müssten, um Einsicht zu nehmen, nur um ihr gesetzliches Anfechtungsrecht nicht von vornherein wg. falscher Wählerliste zu verlieren. Ein förmlicher Einspruch ist für eine Anfechtung m.E. so wenig relevant wie Fragen, ob die Isar Hochwasser hat oder nicht. Zu Ihrer Rechtsfrage folgende Literatur- und Rechtsprechungsübersicht aus der Arbeits- sowie Verwaltungsgerichtsbarkeit, wonach Wahlanfechtung wegen falscher Wählerliste keinen Einspruch voraussetzt:
1. SBV-Wahlen:
Das
LAG München hat kürzlich in einem Beschluss vom 28.05.2014, 8 TaBV 34/12, Abschn. II.1.2.4, für SBV-Wahlen jedenfalls im Ergebnis zutreffend entschieden, dass Anfechtungen wg. unvollständiger Wählerliste
auch ohne Einspruch beim Wahlvorstand gegen die Richtigkeit der Liste der Wahlberechtigten zulässig seien und sich damit klar von LAG Nürnberg distanziert:
"Die Anfechtung verstößt auch nicht gegen § 242 BGB; sie ist insbesondere nicht deshalb rechtsmissbräuchlich, weil von den Anfechtenden kein Einspruch gegen die Wählerliste eingelegt wurde..." (a.A.
LAG Nürnberg vom 31.05.2012, 5 TaBV 36/11)
2. PR-Wahlen:
Ebenso im Ergebnis Dr. Arnim
Ramm, Das Wählerverzeichnis, ZfPR 1/2012, Seite 13, 19;
OVG Münster vom 27.09.2012, 20 A 510/12.PVB, als auch
generell BVerwG vom 30.06.1980, 6 P 9.80, für PR-Wahlen:
"Wie das BVerwG bereits im Beschluss vom 15.03.1968, 7 P 3.67 (PersV 1968, 161 = ZBR 1968, 260), ausgesprochen hat, ist der in einer Wahlordnung zum Personalvertretungsgesetz vorgesehene Einspruch gegen die Richtigkeit des Wählerverzeichnisses keine Zulässigkeitsvoraussetzung für die Anfechtung der Personalratswahl. Deshalb kann die Nichteinlegung eines Einspruchs das Anfechtungsrecht nicht ausschließen."
3. BR-Wahlen:
Ebenso LAG Köln vom 04.05.2000, 10 TaBV 56/99, für BR-Wahlen;
Hohmann, SchwbVWO, Einleitung Rn. 61 m.w.N., wonach ein vorheriger (fristgerechter) Einspruch gegen fehlerhafte Wählerliste
keine Zulässigkeitsvoraussetzung für Wahlanfechtungen sei; a.A. Fitting 28. Aufl. 2016 § 19 Rn. 14 und § 4 WO Rn. 5 jeweils mwN; Thüsing in Richardi BetrVG 15. Aufl. 2015 § 19 Rn. 9/10 mwN; offen gelassen
BAG, Beschluss vom 27.01.1993, 7 ABR 37/92, und
BAG vom 14.11 2001, 7 ABR 40/00 , Rn. 13, sowie
BAG, 21.03.2017, 7 ABR 19/15, Rn. 16.
Viele Grüße
Albin Göbel