wvmarc hat geschrieben:... da sie dort ja Einsicht in die Wählerliste mit Stimmvermerken haben könnte
Hallo wvmarc, klar hat diese Kandidatin zwangsläufig Einsicht in die Wählerliste mit Stimmabgabevermerken, wenn sie als Mitglied des Wahlvorstands "Dienst" im Wahllokal macht. Das darf sie aber wegen strikter wahlrechtlicher Neutralitätspflicht des Wahlvorstands
nicht verwerten und
nicht weitergeben an Dritte, besonders nicht für Wahlwerbung für sich und andere.
Rechtlich angreifbar wäre dies dann, wenn sie z.B. nur zeitweilig Dienst im Wahllokal machen würde und dann gegen Ende der Wahl diejenigen Wahlberechtigten gezielt ansprechen bzw. zur Wahl animieren würde, die noch nicht gewählt haben, von denen sie sich noch eine ihr günstige Stimmabgabe verspricht. Denn hierdurch würden die Chancen dieser Bewerberin gegenüber den Chancen der übrigen Wahlbewerber objektiv verbessert.
Das wäre ein schwerer Wahlfehler, würde gegen das Neutralitätsgebot sowie gegen die Chancengleichheit verstoßen. Die Verletzung dieser wesentlichen Grundsätze des Wahlrechts, die der
"Integrität einer demokratischen Wahl dienen", wäre daher geeignet, eine Wahlanfechtung zu rechtfertigen (
BAG vom 06.12.2000, 7 ABR 34/99, Rn. 26/29).
Mitglieder eines Wahlvorstands, die gleichzeitig für die SBV kandidieren, müssen allerdings nach ständiger Rechtsprechung des BVerwG strengstens darauf achten, dass jeder Eindruck einer auch nur theoretischen Manipulationsmöglichkeit seitens des Wahlvorstands zugunsten eines Kandidaten, also bereits der Anschein der Parteilichkeit vermieden wird (
BVerwG vom 12.01.1962, VII P 10.60).
Ein Verstoß gegen diese wahlrechtliche
Geheimhaltungspflicht dürfte ggf. auch Pflichtverletzung aus dem Arbeitsverhältnis darstellen, zu dessen Erfüllung im weiteren Sinne auch die Rechte aus der Wahl der Schwerbehindertenvertretung gehören nach der
Fachliteratur.
... oder ist sie grundsätzlich vom Dienst im Wahllokal auszuschließen?
Nein, kein Ausschluss vom Dienst im Wahllokal. Bei den Sitzungen des Wahlvorstands ist allerdings wegen möglicher Interessenkollision nach der Fachliteratur und Rechtsprechung zu beachten, dass ein Wahlbewerber als Mitglied des Wahlvorstands bei sog. individueller, gerade seine Person betreffende Angelegenheit, an der Beratung und Beschlussfassung des Wahlvorstands gehindert und ausgeschlossen ist, da befangen. Es gilt der allgemeine
verfahrensrechtliche Grundsatz, wonach niemand im Wahlvorstand
"in eigener Angelegenheit" bzw. nicht als
"Richter in eigener Sache" tätig werden darf wegen
individueller Betroffenheit.
Da müsste dann ausnahmsweise das von der SBV bestellte Ersatzmitglied des Wahlvorstands ran, also für diesen und nur für diesen Punkt geladen werden. Danach ginge dann die Sitzung weiter mit dem ordentlichen Mitglied des Wahlvorstands. Vgl. dazu
VG Mainz vom 19.06.2012, 2 K 473/11.MZ, für BR-Wahlen mit Anmerkung von Ilbertz in ZfPR online 5/2013, Seite 16, und folgendem Leitsatz:
"Wahlbewerber können auch Mitglieder des Wahlvorstands sein und sind nur bei individueller, gerade ihre Person betreffenden Entscheidungen verhindert."
Allerdings dürften meines Erachtens solche wahlrechtlich relevante Ausnahmefälle jedenfalls für eine örtliche SBV-Wahl in keiner denkbaren Konstellation eintreten.
Viele Grüße
Albin Göbel