Matrizentest diskriminierend?

rueffel
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Matrizentest diskriminierend?

Beitrag von rueffel »

Hallo,

ich habe heute erfahren, dass eine "Nachbabehörde" bei Stellen bzgl. Postbearbeitung, Scanstelle einen computerbasierten Test zum allgemeinen Denkvermögen eingeführt hat. Dabei handelt es sich um sog. Matrizentests.

Für mich, uns erschließt sich die Logik nicht, da man bei einem solchen Test vollkommen versagen kann, aber bzgl. der Aufgaben Postbearbeitung, Scannen ... vollkommen geeignet sein kann.

In der Einladung soll auch nur stehen, dass es sich um einen computerbasierten Test zum allgemeinen Denkvermögen handelt. Matrizentest soll nicht erwähnt werden.

Erst, wenn man diesen Test bestanden hat, eine gewisse Punktzahl erreicht hat, wird man zum Vorstellungsgespräch eingeladen.

Auch, wenn man Matrizentests üben kann, muss das nicht zwingend bedeuten, dass man durch das Üben auch wirklich besser wird.

Wir haben hier eine SB mit ADHS, die solche Tests noch so oft üben kann, die bekommt das aber nicht zusammen. Sie arbeitet aber bravourös in der Poststelle inkl. Scannen.

Wäre es dann seitens der Behörde eine Diskrminierung, wenn man z. B. sie nach erfolglosem Test nicht zu einem Vorstellungsgespräch einlädt, obwohl sie in ihren Bewerbungsunterlagen belegen kann, dass die bereits in der Poststelle gearbeitet hat?

Was meint Ihr bitte dazu? Wie ist da evtl. die Rechtslage?

Es scheint fast so, als wenn man sich mit einem solchen Test vor der Einladungspflicht drücken möchte.

Danke Euch.

Viele Grüße
annette.rosenberg
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Re: Matrizentest diskriminierend?

Beitrag von annette.rosenberg »

rueffel hat geschrieben: Freitag 4. April 2025, 17:42 Erst, wenn man diesen Test bestanden hat, eine gewisse Punktzahl erreicht hat, wird man zum Vorstellungsgespräch eingeladen.
Soweit es um sbM geht, wäre ein solches Vorgehen, ein Vorstellungsgespräch von einem solchen Test abhängig zu machen, m.E. klar diskriminierend.

Viele Grüße
Annette
rueffel
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Re: Matrizentest diskriminierend?

Beitrag von rueffel »

annette.rosenberg hat geschrieben: Freitag 4. April 2025, 18:10
rueffel hat geschrieben: Freitag 4. April 2025, 17:42 Erst, wenn man diesen Test bestanden hat, eine gewisse Punktzahl erreicht hat, wird man zum Vorstellungsgespräch eingeladen.
Soweit es um sbM geht, wäre ein solches Vorgehen, ein Vorstellungsgespräch von einem solchen Test abhängig zu machen, m.E. klar diskriminierend.

Viele Grüße
Annette
Hallo Annette,

ja, geht es.

Hatte ich nur vergessen, ob explizit zu erwähnen. :-/

Bis jetzt habe ich noch nichts in der Fachliteratur bzw. in den Kommentierungen gefunden. Ist vielleicht auch sehr speziell?

Viele Grüße
annette.rosenberg
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Matrizentest bei Behörden diskriminierend?

Beitrag von annette.rosenberg »

Gegen einen Matrizentest (häufig Bestandteil von IQ-Tests) bestehen grds. keine Bedenken. Ein Matrizentest prüft z.B. die logische Denkleistung und das strukturierte Denken, die (räumliche) Vorstellungskraft sowie auch die Fähigkeit, aus komplexen Sachverhalten heraus die richtigen Schluss­fol­ge­run­gen ziehen zu können, also zügig zu arbeiten. Aufgrund der fehlenden sprachlichen Barrieren wird der Matrizentest häufig und gerne in internationalen IQ-Tests eingesetzt.

Viele Grüße
Annette
rueffel
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Re: Matrizentest bei Behörden diskriminierend?

Beitrag von rueffel »

annette.rosenberg hat geschrieben: Freitag 4. April 2025, 18:45 Gegen einen Matrizentest (häufig Bestandteil von IQ-Tests) bestehen grds. keine Bedenken. Ein Matrizentest prüft z.B. die logische Denkleistung und das strukturierte Denken, die (räumliche) Vorstellungskraft sowie auch die Fähigkeit, aus komplexen Sachverhalten heraus die richtigen Schluss­fol­ge­run­gen ziehen zu können, also zügig zu arbeiten. Aufgrund der fehlenden sprachlichen Barrieren wird der Matrizentest häufig und gerne in internationalen IQ-Tests eingesetzt.

Viele Grüße
Annette
Soweit d'accord.

Aber bei schwerbehinderten Bewerbern, bei denen man nicht weiß, welche Behinderung(en) vorliegen ...
annette.rosenberg
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Mehrstufiges Auswahlverfahren?

Beitrag von annette.rosenberg »

rueffel hat geschrieben: Freitag 4. April 2025, 18:27 Bis jetzt habe ich noch nichts in der Fachliteratur bzw. in den Kommentierungen gefunden.
IQ-Test ersetzt Vorstellungsgespräch nicht:
Wie bereits geschrieben hängt ein Vorstellungsgespräch nicht von solchen Testergebnissen ab laut § 165 SGB IX bei_derartigen – mehrstufigen – Auswahlverfahren, kraft Gesetzes. In guten „Standardkommentaren“ sollte diese Rechtsfrage eigentlich thematisiert werden, da ja solche mehrstufige Verfahren kein Einzelfall, sondern offenbar vielerorts weit verbreitet schon bereits seit Jahrzehnten Vergleiche dazu schon Diskussion 2015.

Mehrstufiges Auswahlverfahren:
Zu dem Bewerbungsverfahrensanspruch vgl. auch Dr. Manfred Hammel, Behinderung und Recht (br 7/2024) sowie_Düwell, LPK-SGB IX, § 165 Rn. 8 Nr. 6; ferner von_Roetteken, jurisPR-ArbR 3/2021 Anm. 8

Rechtsprechung
LAG SH, 09.09.2015, 3 Sa 36/15
BAG, 27.08.2020 – 8 AZR 45/19

rueffel hat geschrieben: Freitag 4. April 2025, 18:27 Ist vielleicht auch sehr speziell?
Nein! Soweit LAG Kiel ( am Ende ) vor zehn Jahren meinte, dass es sich „ausschließlich um eine Einzelfallentscheidung“ handeln würde, ist das nicht nachvollziehbar, da mehrstufige Auswahlverfahren „massenhafte“ Verwaltungspraxis. Dieses LAG hätte daher Revision zwingend zulassen müssen.

Viele Grüße
Annette
kocki
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Re: Matrizentest diskriminierend?

Beitrag von kocki »

Hallo,

ich war auch bei Annette, nachdem ich aber das hier grad gefunden habe:

https://forum.oeffentlicher-dienst.info ... 922.0.html

bin ich mir nicht mehr sicher bzw. glaube tatsächlich, dass ein sbM nicht zur zweiten Stufe eingeladen werden muss.

VG
annette.rosenberg
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Re: Matrizentest diskriminierend?

Beitrag von annette.rosenberg »

Hallo kocki,

in diesem zitierten Forum wurde viel „fabuliert“, ohne sich mit dem m.E. einschlägigen BAG vom 27.08.2020, 8 AZR 45/19, sowie LAG Kiel, 09.09.2015, 3 Sa 36/15, näher zu befassen. Das „Testergebnis“ war allerdings sehr bescheiden und alles andere als überzeugend, womöglich auch ADHS-bedingt?

Viele Grüße
Annette
matthias.günther
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Re: Matrizentest diskriminierend?

Beitrag von matthias.günther »

Es scheint fast so, als wenn man sich mit einem solchen Test vor der Einladungspflicht drücken möchte.
gewagte Unterstellung
"Nachbabehörde"
also deren "Problem"
Wir haben hier eine SB mit ADHS, die solche Tests noch so oft üben kann
- ist diese Bearbeiterin aktuell von diesem Test betroffen?

Das BAG hat mehrfach festgestellt, dass "bloße Zweifel an der fachlichen Eignung" eine Nichteinladung des sb Bewerbers zum Vorstellungsgespräch nicht rechtfertigen, von einer Einladung abzusehen. Demgegenüber steht gerade für öffentliche AG sogar die Pflicht, für die zu besetzende Stelle ein Anforderungsprofil festzulegen und nachvollziehbar zu dokumentieren. Wie der AG den Abgleich der Anforderungen an die Fähigkeiten des Bewerbers vornimmt, bleibt ihm überlassen, es darf aber keine Willkür gegenüber Bewerbern mit Schwerbehinderung auftreten. Also Gleichbehandlung. Dabei müssen die Anforderungen an den Bewerber nach der im Arbeitsleben herrschenden Verkehrsanschauung durch die Erfordernisse der wahrzunehmenden Aufgaben unter nachvollziehbaren Gesichtspunkten gedeckt sein (BAG vom 07.04.2011 - 8 AZR 679/09, BAG vom 16.02.2012 - 8 AZR 697/10).

Soll der AG bei Eignungstests auf bestimmte behinderungsbedingte Einschränkungen Rücksicht nehmen, ist dies nur möglich, wenn der Bewerber ihn entsprechend in Kenntnis gesetzt hat. Eine fehlende Kenntnis muss sich mMn der AG nicht anrechnen lassen. Gleichwohl ist dem AG im Zweifelsfall aus rein formalen Gründen zu raten, auch bei "schlechten" Testergebnissen zum Vorstellungsgespräch einzuladen, um gegen mögliche Klagen nach dem AGG gewappnet zu sein.
annette.rosenberg
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IQ und allgemeines Denkvermögen

Beitrag von annette.rosenberg »

rueffel hat geschrieben: Freitag 4. April 2025, 17:42 Auch, wenn man Matrizentests üben kann, muss das nicht zwingend bedeuten, dass man durch das Üben auch wirklich besser wird.
Das mag so sein. Denn das „allgemeine Denkvermögen“ hängt (ebenso wie der IQ) bekanntlich nicht von solchen Übungen ab - sondern allenfalls Testergebnisse und das regelmäßig auch nur eher marginal. Es geht z.B. darum, Zusammenhänge schnell zu erkennen: Vielfach ererbt – aber_nur teils erlernbar. Fazit: Den IQ kann man „nicht maßgeblich beeinflussen“ laut Stand der Wissenschaft bezüglich der Zwillingsforschung 2024:
planet-wissen hat geschrieben:Bei Schuleintritt sind es schon etwa 50 Prozent – und im späteren Leben machen Gene sogar bis 70 % aus. Je älter die Zwillinge werden, umso mehr lassen sich Unterschiede, z.B. bei Intel­li­genz­tests, durch genetische Faktoren erklären.
Viele Grüße
Annette
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