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Änderung Plan stufenweise Wiedereingliederung durch Krankenkasse?

Verfasst: Mittwoch 10. April 2024, 13:35
von jaca
Hallo zusammen,

ich arbeite als BEM-Beauftragte in einem Krankenhaus. Eine Kollegin befindet sich nach Post Covid seit ca. 8 Monaten im BEM und nach Reha und weiteren stationären Therapien nun in der stufenweisen Wiedereingliederung. Leistungsträger ist die Techniker. Laut Plan, den die Kollegin mit ihrer Hausärztin aufgestellt hat, dauert die Wiedereingliederung vier Monate.

Die Techniker hat nun ein Schreiben an die Kollegin versendet, in dem ein völlig abgewandelter und massiv verkürzter Wiedereingliederungsplan (6 Wochen) als "Ihr neuer persönlicher Wiedereingliederungsplan" vorgestellt wird. Die Kollegin hat Widerspruch eingelegt und wir warten ab. Dies ist der dritte Fall in den letzten sechs Monaten, in dem die Techniker so vorgeht. Ist das rechtens? Darf die Techniker einfach so den Plan abändern? Ich meine nein, denn die stufenweise Wiedereingliederung ist doch eine Art Verordnung durch den Arzt, oder?! Alternativ müsste doch zumindest der MDK befragt werden??

Ich freue mich über Erfahrungen und/oder Antworten :).
Viele Grüße

Stufenweise Wiedereingliederung bei der Techniker Krankenkasse (TK)

Verfasst: Mittwoch 10. April 2024, 15:20
von jada.wasi
jaca hat geschrieben: Mittwoch 10. April 2024, 13:35 Die Kollegin hat Widerspruch eingelegt und wir warten ab. Dies ist der dritte Fall in den letzten sechs Monaten, in dem die Techniker so vorgeht. Ist das rechtens? Darf die Techniker einfach so den Plan abändern?
Hallo,

zum „kreativen“ Umgang dieser Techniker Krankenkasse (TK) mit „Widersprüchen“ Versicherter – was kürzlich der Rechtsaufsicht (BAS) übel aufgestoßen ist – siehe bspw. Diskussion v. 2023. Nachfrage: Hatte das TK-Schreiben eine Rechtsbehelfsbelehrung? Und wurden die „weiteren stationären Therapien“ von dieser TK finanziert oder von einem anderen med. Reha-Träger? Mit welchen Gründen und welchen Paragrafen wurde diese Änderung denn von dieser TK genau begründet? Kam eine sog. „Anhörung“?

Es besteht keine Bindung an einem vom medizinischen Dienst der Krankenkasse vorgeschlagenen Plan. In AU-Richtlinie wird dem insoweit Rechnung getragen, als dort ausgeführt wird – wonach eine „standardisierte Betrach­tungsweise nicht möglich“ ist, so schon Gagel 2006 mit Verweis auf Nr. 2 der Anlage der AU-Richtlinie. Diese ist auch für TK verbindlich – und nicht nur unverbindliche Empfehlung ausweislich § 7 Abs. 1 AU-Richtlinie!

jaca hat geschrieben: Mittwoch 10. April 2024, 13:35 Denn die stufenweise Wiedereingliederung ist doch eine Art Verordnung durch den Arzt, oder?
Völlig richtig! Und ohne eine eigene ärztl. Untersuchung (MD?) ist eine „eigenmächtige“ Änderung durch TK m.E. regelhaft ohnehin unzulässig laut § 7 Abs. 1 Satz 2 AU-Richtlinie: Gut, dass es (fachkundige) BEM-Beauftragte gibt,_die solche „Kassenpraxis“ kritisch hinterfragen 👍 Post-Covid und Long-Covid sowie Wiedereingliederung. Womöglich orientiert sich TK an „Durchnittswerten“ statt individuell laut AU-Richtlinie? („Laut einer Mitteilung der Techniker Krankenkasse sind das im Schnitt 105 Tage“)
Drei Prozent sollen vom Post Covid Syndrom betroffen sein_laut ÄrzteZeitung.

Die Kasse ist grundsätzlich an den Plan des Hausarztes gebunden; der Versicherte kann demnach Unterstützung dieses Planes verlangen laut Gagel, Seite 5 unten. Gruß Jada Wasi

Re: Änderung Plan stufenweise Wiedereingliederung durch Krankenkasse?

Verfasst: Donnerstag 11. April 2024, 08:00
von jaca
Guten Morgen jada.wasi,

vielen Dank für die schnelle und hilfreiche Antwort! Diese Infos gebe ich so gerne weiter.
Ja, eine Rechtsbehelfsbelehrung ist im Schreiben und die anderen Therapien sind von allesamt von Ärztin und Patientin initiiert, aber von der TK finanziert.

Eine gute Zeit und
viele Grüße

Änderung Plan stufenweise Wiedereingliederung durch Krankenkasse?

Verfasst: Donnerstag 11. April 2024, 18:39
von Heidi Stuffer
Dr. Gagel 2006 hat geschrieben:Der Versicherte ist nicht verpflichtet, Vor­schlä­gen der Krankenkasse zu folgen. Ferner besteht keine Bindung an einen von dem medizinischen Dienst der Krankenkasse vor­ge­schlagenen Plan. [III. Dispo­sitions­frei­heit des Versicherten]
Hallo zusammen,

zur Rolle der Krankenkassen sowie des Kassenarztes bei stufenweiser Wiedereingliederung (StW) vgl Dr. Alexander Gagel, Fachbeitrag B16-2006, in den Abschnitten III und V.
Zur „Prüfkompetenz“ der Krankenkasse sowie des MD bei StW vergl. SG Dresden, 12.01.2006 - S 18 KR 440/03, mit Anmerkung Daniela Pick, Fachbeitrag B06-2007. Vgl.dazu auch die oben zitierte Feststellung von Gagel, vormaliger Vorsitzender Richter am BSG a.D. und z.B. HKK: „Der Arzt überprüft dabei regelmäßig, wie belastbar Sie sind und legt die zu arbeitende Stundenzahl in Absprache mit Ihnen fest.“

jaca hat geschrieben: Mittwoch 10. April 2024, 13:35 müsste doch zumindest MDK befragt werden??
Ja – m.E. verpflichtend von Rechts wegen:

Wurde denn überhaupt der MD von dieser TK gutachtlich eingeschaltet nach § 6 der AU-Richtlinie bzw. lt. Nr. 2 der Anlage - und ggf. ein „Zweitgutachten“ beantragt gemäß § 6 Abs. 2 AU-Richtlinie – oder nichts dergleichen – und Entscheidung eines TK-Bediensteten nach „Bauchgefühl“ bzw. Schema F entgegen „zwingenden“ Vorgaben in AU-Richtlinie zu deren „Verbindlichkeit“ ?! Daher womöglich insoweit vorsätzliches Dienstvergehen?

Eine gesetzliche „Zeitbegrenzung“ von 6 Wochen gibt es nicht gemäß Betanet-Experten unter Nr. 4 zur „Dauer der stufenweisen Wiedereingliederung“. Manche Rehaträger machen (wie ich mal gelesen habe) das wohl gerne ganz schematisch mit zunächst i. d. R. vier Wochen (allenfalls sechs bis acht Wochen bei besond. medizin. Begründung) mit „bürokratischer“ Verlängerungsoption. Wichtig jedoch, ggf. unbedingt – vor – Ablauf der genehmigten StW einen Arzttermin zu haben zwecks rechtzeitigem Verlänge­rungs­antrag!! Wer hat Erfahrung mit solchen „Rehaträgern“ bei welchen Versicherungen, die offenbar meinen, die Aus­ge­staltung einer StW einfach per Bescheid – diktieren – zu können mit „völlig abgewandeltem“ Stufenplan. Zur DRV-Praxis vergl Diskussion aus 2014 zum „aussagefähigen Befund“ des behandelnden Arztes

Beste Grüße
Heidi Stuffer