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SBV "Online-Wahlverfahren" ein oder zwei Stimmzettel?

Verfasst: Dienstag 30. August 2022, 13:42
von WHR
Hallo,

ich bin etwas ratlos:
Im vereinfachten Wahlverfahren sind die Wahl der Vertrauensperson und die Wahl der StellvertreterInnen zwei getrennte Wahlgänge, deswegen natürlich auch zwei Stimmzettel etc.

Wie sieht es jetzt bei einer Online-Wahlversammlung mit anschließender Briefwahl aus?

Die FAQ des der ad-hoc-Arbeitsgruppe sagt dazu "Auch im Nachgang zur Online-Wahlversammlung wird in einem Wahlgang die
Vertrauensperson und in einem zweiten Wahlgang die Stellvertretung gewählt. Aus den Briefwahlunterlagen müssen beide Wahlvorgänge getrennt voneinander eindeutig ersichtlich sein."

In den aktuellen, von der BIH zur Verfügung gestellten Formularen für dieses Wahlverfahren werden auch zwei getrennte Stimmzettel für Vertrauensperson und Stellvertreter vorgegeben. Aber schon bei der in diesem Paket enthaltenen "Persönlichen Erklärung" und dem "Merkblatt schriftliche Stimmabgabe" sieht es anders aus. Hier wird mehrfach von "dem Stimmzettel" und "dem Wahlumschlag" im Singular gesprochen. Das könnte die Wahlberechtigten im besten Fall nur verwirren, evtl. die Wahl aber auch angreifbar machen, wenn nicht eindeutig ist, auf welchen Stimmzettel sich die Selbsterklärung bezieht.

Konsequenterweise müsste man ja zwei Stimmzettel und zwei Wahlumschläge (am besten in zwei unterschiedlichen Farben) zusammen mit einem Freiumschlag verschicken und dann "...den roten Stimmzettel in den roten Wahlumschlag und den blauen Stimmzettel in den blauen Wahlumschlag und dann beide farbigen Umschläge in den weißen Freiumschlag...". Oder eben einen kombinierten Stimmzettel mit zwei getrennten Abschnitten.

Hintergrund könnte sein, dass § 20 Absatz 5 SchwbVWO auf § 11 SchwbVWO verweist und § 11 SchwbVWO spricht von „dem Stimmzettel und dem Wahlumschlag“. Also doch ein Unterschied zu einer Wahlversammlung in Präsenz?

Unabhängig davon, welchen Weg man nun für den richtigen hält, mit den aktuellen Formularen, die sich meiner Meinung nach inhaltlich widersprechen und dazu geeignet sein könnten, die Wahlberechtigten zu verwirren habe ich in dieser Frage kein gutes Gefühl und werde wohl für mich Anpassungen vornehmen müssen.

Falls jemand aus der ad-hoc-Arbeitsgruppe mitliest: Vielen Dank für die FAQ und Formulare, sie sind sehr hilfreich. Ich finde es auch super, dass sie rege gepflegt und verbessert werden. Super wäre es, wenn es eine Art History oder Change-log gäbe. Ich habe z. B. heute gesehen, dass es zur Einladung eine neue Version (23.08.22) gibt, nachdem ich meine bereits auf der vorigen Version (12.08.22) erstellt habe. Jetzt wäre es spannend zu wissen, was genau sich geändert hat, um das evtl. noch anzupassen.

Re: SBV "Online-Wahlverfahren" ein oder zwei Stimmzettel?

Verfasst: Dienstag 30. August 2022, 13:57
von CVedder
Hallo WHR,

wir haben zuletzt geändert statt Wahlvorstand = Wahlleitung und statt Wahlausschreiben = Einladung Online Wahlversammlung.

Mitte August erfolgten Änderungen auf Hinweis von Dr. Karpf https://www.bih.de/integrationsaemter/f ... 6a88c6e511

Die Frage nach einem oder zwei Stimmzetteln wird kontrovers diskutiert. Die BIH legt sich aktuell hier nicht verbindlich fest.


Viele Grüße
Christian Vedder

Re: SBV "Online-Wahlverfahren" ein oder zwei Stimmzettel?

Verfasst: Dienstag 30. August 2022, 14:36
von WHR
Super und Vielen Dank für die schnelle Rückmeldung bezüglich der erfolgten Aktualisierung der Formulare im August.
Der Gesetzgeber hat uns allen mit der doch recht spartanischen Regelung eine ziemlich spannende Zeit verschafft ;)

BIH: SBV "Online-Wahlverfahren" ein oder zwei Stimmzettel oder egal?

Verfasst: Dienstag 30. August 2022, 18:07
von jada.wasi
WHR hat geschrieben: Dienstag 30. August 2022, 13:42 Unabhängig davon, welchen Weg man nun für den richtigen hält, mit den aktuellen Formularen, die sich meiner Meinung nach inhaltlich widersprechen und dazu geeignet sein könnten, die Wahlberechtigten zu verwirren habe ich in dieser Frage kein gutes Gefühl und werde wohl für mich Anpassungen vornehmen müssen.
Hallo,

dieser überflüssige Mehraufwand für nichts ist
abzulehnen laut BMAS und laut LAG München:


Sie haben völlig Recht, mehr geht nicht! Dass bei Briefwahl nur ein Stimmzettel vonnöten ist, sagt u.a. auch das BMAS schon seit dem letzten Jahrhundert. Ich würde aber nichts anpassen, sondern besser diesen einen Stimmzettel für die Briefwahl verwenden (statt zwei Zettel): Bis auf die falsche Abkürzung „SchwVWO“ ist m.E. dort alles richtig! Das sieht auch das LAG München so und BAG. Auch z.B. Wiegand/ Hohmann, SchwbVWO, § 9 Rn. 14 und Rn. 23. So dürften Sie auf der sicheren Seite sein – wenn Sie sich an dieser Rechtsprechung orientieren, ohne Wähler zu „verwirren“. Irreführende bzw. sich widerspreche Formulare können zudem ja durchaus anfechtungsrelevant sein laut BAG:

Widersprüchlich
BIH-Merkblatt („Ihr Stimmzettel“ und 2x „den Stimmzettel“ und „stecken Sie ihn“) sowie Erklärung (“den Stimmzettel“) sind 5x nicht stimmig (verwirrend), weil jeweils auf einen Stimmzettel (in der Einzahl) zugeschnitten, und eben nicht auf mehrere laut Stand: 23.08.2022. Diesen Mehraufwand mit mehr Papier und mind. fünf Mal akribische Korrekturen muss sich eigentlich niemand zwingend antun – weil ja ein Stimmzettel völlig genügt bei Briefwahl nach der Rspr. und Schrifttum und Dr. Cramer (BMAS), und Mehraufwand mit zwei Stimmzetteln bei Briefwahl völlig sinnfrei und nutzlos wäre ohne jeden Mehrwert; eine derart sinnlose Vorgabe kann dem Verordnungsgeber (sowie dem federführenden BMAS) m.E. nicht unterstellt werden. § 9 Absatz 2 Satz 2 SchwbVWO („dem Stimmzettel“) ist eine sog wesentliche Verfahrensvorschrift nach Ansicht des BAG 2017, Rn. 41. Zur Praktikabilität vgl. z.B. auch sinngemäß mehrjährige Diskussion mit Verweis auf Cramer, BMAS und RSpr.

WHR hat geschrieben: Dienstag 30. August 2022, 13:42 Hintergrund könnte sein, dass § 20 Absatz 5 SchwbVWO auf § 11 SchwbVWO verweist und § 11 SchwbVWO spricht von „dem Stimmzettel und dem Wahlumschlag“. Also doch Unterschied zu einer Wahlversammlung in Präsenz?
Korrekt! Sie haben diesen Unterschied richtig erkannt:
Ja, einzig gebotene Auslegung von § 11 SchwbVWO für nachgelagerte Briefwaht wegen der Verweisung in § 20 Absatz 5 Satz 3 SchwbVWO „entsprechend“. Denn die Bestimmung, dass einerseits „hintereinander“ gewählt werden müsse und zudem auf getrennten Schriftstücken (Stimmzetteln), das ist beides nicht übertragbar auf die besondere Form der Briefwahl, da ja entkoppelt von der digitalen Wahlversammlung. Demnach spricht wörtliche (Einzahl) sowie zweck- und praxisorientierte Auslegung gegen die BIH-Variante mit zwei Druckexemplaren, die demnach m.E. klar abzulehnen ist.

Fazit: Wenn man hier zwei statt ein Schriftstück für die Stimmzettel verwendet, verfährt man m.E. gemäß dem Motto: „Warum einfach – wenns auch umständlich geht?“ Wer beim Bäcker eine Semmel und eine Brezel einkauft, bekommt ja auch nicht zwei Kassenbons, sondern einen. Schließlich ist es bei Briefwahlen völlig egal, ob man erst bei_der Vertrauenspersonen ankreuzt und dann bei der Stellvertretung oder umgekehrt von unten nach oben. Es geht also nicht darum, was richtig und falsch ist, sondern vielmehr darum, was einfacher und unkomplizierter ist – also_praktikabler ist und daher den Vorzug verdient - da zwei- gerade nicht vorgeschrieben bei Briefwahlen, und Mehraufwand daher völlig unnütz, da unterschiedliche Interessenlage, weil nicht hintereinander gewählt wird. So_auch Diskussion vom April 2022. So zu Recht z.B. ferner IFB mit stichhaltiger Begründung, wonach nur ein Stimmzettel für die nachgelagerte Briefwahl bei digitaler Wahlversammlung benötigt wird.

CVedder hat geschrieben: Dienstag 30. August 2022, 13:57 Die Frage nach einem oder zwei Stimmzetteln wird kontrovers diskutiert. BIH legt sich aktuell hier nicht verbindlich fest.
BIH hat sich hier festgelegt mit zwei statt einem Stimmzettel. Zur Rechtsfrage, ob ein oder zwei Stimmzettel zu versenden sind, siehe die m.E. fundierte Begründung im ifb-Praxistest 7:

7. Ein oder zwei Stimmzettel bei digit. Wahlversammlung?
„Im Falle einer digitalen Wahlversammlung wird die nach­gelagerte Briefwahl auf einem Stimmzettel durchgeführt, in dem getrennt die Stimmabgabe für die Vertrauensperson und für die Stellvertreter erfolgt. Das ergibt sich aus dem Verweis in § 20 Absatz 5 SchwbVWO auf § 11 SchwbVWO, denn § 11 SchwbVWO spricht von „dem Stimmzettel und dem Wahlumschlag“. Auch hier liegt somit ein Unterschied zu einer Wahlversammlung in Präsenz vor, denn dort werden für die Wahl der Vertrauensperson und anschließend der Stellvertreter zwei getrennte Stimmzettel verwendet.“
:idea: Die Festlegung der BIH für das Online-Wahlverfahren auf zwei Stimmzettel-Formulare anstatt richtig einem Formular ist demnach nicht sachgerecht und folglich klar abzulehnen laut Fachanwalt Marc Feurer im Praxistest 7 (wg. Rechtsverweis auf § 11 SchwbVWO, der genau einen Stimmzettel gebietet nach seinem Wortlaut für beide Wahlgänge seit jeher).

Öffnung fehlt
Unzureichend auch Nr. 1 und Nr. 2 der Niederschrift des Wahlergebnisses – da ja die Öffnung der Freiumschläge fehlt, und nur Auszählung protokolliert bzw. angekündigt werden soll – entgegen BAG, 10.07.2013 - 7 ABR 83/11:
Bei der schriftlichen Stimmabgabe ist Kontrollmöglichkeit nach § 12 Absatz 1 Satz 1 SchwbVWO von besonderer Bedeutung. Die Kontrollmöglichkeit durch die öffentlich vorzunehmende Öffnung der Freiumschläge trägt hier in besond. Maße dazu bei, dass gar nicht erst der Verdacht aufkommen kann, es habe bei der Behandlung der Briefwahlstimmen Unregelmäßigkeiten gegeben. Um dem Erfordernis der Öffentlichkeit der in § 12 Abs. 1 Satz 1 SchwbVWO geregelten Behandlung der schriftlich abgegebenen Stimmen zu genügen, muss Wahlleitung rechtzeitig Ort und Zeit der Öffnung der Freiumschläge bekanntgeben (Quelle: br 04/2014). So auch Sachadae, LPK-SGB IX, § 28 SchwbVWO a.F. Rn. 46, zur Öffnung.

Unzureichend aus denselben Gründen folglich auch die Nr. 6 der Niederschrift über die Wahlversammlung - weil gleichfalls Öffnung der Umschläge fehlt, entsprechend BAG sowie Dr. Karpf vom 15.8.2022, speziell bezogenen (wie hier) auf generelle Briefwahl. Gruß Jada Wasi