Hallo,
die Praxis meines Arbeitgebers ist es, Bewerber, auch wenn sie schwerbehindert sind, nicht zum Bewerbergespräch einzuladen, wenn er der Meinung ist, dass sie das Anforderungsprofil nicht erfüllen. Ich habe meinen AG nun darauf hingewiesen, dass die SBV auch an der Vorauswahl zu beteiligen ist, sobald schwerbehinderte Bewerber da sind und dass die Gründe für die Nichteinladung mit der SBV erörtert werden müssen. Meine Fragen sind:
1. Ist meine Auffassung richtig?
2. Hat der schwerbehinderte Bewerber bei Nichteinladung ohne Beteiligung der SBV bei einer Klage vor dem Arbeitsgericht eine Chance?
3. Wenn die SBV der Nichteinladung zustimmt, wie sieht dann die Klagechance aus?
4. Gibt es irgendwo einen praxistauglichen Leitfaden (Checkliste) für ein Stellenbesetzungsverfahren?[/quote]
Hallo Herr Rohe,
wie in einer anderen Fragestellungen vor wenigen Tagen von uns beantwortet hier die Antwort zu Ihren Fragen 2 und 3:
In Baden-Württemberg wurde gerade in einem ähnlichen Fall entschieden, dass die SBV vermeintliche Unterlassungen des Arbeitgebers im Sinne des § 81 Absatz 1 SGB IX im Nachhinein nicht heilen kann. Dies ist eben ein Merkmal einer attraktiven Schwerbehindertenvertretung, die ihren Arbeitgeber kompetent berät und vor Schaden bewahrt (AGG!).
Hat ein Arbeitgeber es nach § 81 Abs. 1 S.4 SGB IX unterlassen, die SBV unmittelbar nach Eingang der Bewerbungsunterlagen zu informieren (?gesetzlich auferlegte Handlungspflicht? ), kann der Betroffene (hier: Beamtin - § 6 Abs. 1 Nr.1 AGG i.V.m. § 24 Nr.1 AGG ) einen Entschädigungsanspruch gem. § 15 Abs. 2 AGG in max. Höhe von drei Monatsgehältern geltend machen, auch wenn das Ergebnis des Auswahlverfahrens nicht zu beanstanden ist, da eine Benachteiligung (?auch durch Unterlassen möglich?) nach § 7 Abs. 1 AGG (--> § 1 ? hier: ? Behinderung?) in der Vorenthaltung der Begleitung und Überwachung des Auswahlverfahrens über die SBV zu sehen ist.
§ 15 Abs. 2 S. 1 AGG deckt auch das in Abs. 1 genannte Benachteiligungsverbot ab.
Das Gericht hält die allgemeine Leistungsklage für zulässig; das Entschädigungsbegehren setzt eine vorherige Behördenentscheidung in der Form des Verwaltungsaktes nicht voraus.
Ein Vorverfahren nach § 54 Abs. 2 S. 1 BeamtStG ist danach nicht erforderlich (? da der geltend gemachte Anspruch nicht in dem die besondere Verfahrensanordnung dieser Vorschrift begründenden Dienst-und Treueverhältnis zwischen Beamten und Dienstherrn wurzelt?).
Das Gericht führt aus, dass § 15 Abs. 2 AGG eine Entschädigung bei immateriellen Schäden (nicht Schadensersatz nach Abs. 1) normiert und keine Rechtsverletzung, sondern nur eine Benachteiligung voraussetzt, die in § 3 Abs. 1 AGG als weniger günstige Behandlung definiert wird. Damit können auch die Vorenthaltung von Chancen oder Rechtsreflexe zu einer Benachteiligung zählen.
Eine nachträgliche Heilung durch Einbeziehung der SBV bei der Auswahlentscheidung an sich - auch wenn hier die SBV von einer Heilung ausgegangen ist - ist nach dem Gericht nicht eingetreten, da die Benachteiligung schon vorher bestanden hat.
Ein Kausalzusammenhang wird bejaht.
Nur bei der Höhe der Entschädigung ist das Gericht bei seiner Abwägung unter dem Höchstsatz geblieben.
Weitere Infos zum Urteil finden Sie unter Urteil
hier
Zur Frage 1 muss ich mit NEIN antworten. Es gibt dazu kein gesetzliche Grundlage, es sei denn es greifen die Regelungen des § 81 Absatz 1 Satz 7 SGB IX.
Einen tauglichen Leitfaden kann ich nicht zur Verfügung stellen.
Freundliche Grüße
Christian Vedder