albarracin_01 hat geschrieben: ↑Donnerstag 5. November 2020, 14:03
„Es gibt für eine SBV wie auch im BetrVG oder im Personalvertretungsrecht
kein Verbot der Mandatstätigkeit während AU und auch kein zwingendes Nachrücken einer Stellvertretung.
I. Betriebsverfassungsrecht
Das ist so zu pauschal. Jedenfalls bei Vollfreistellung eines BR-Mitgliedes kann dieses sich nicht für „nicht verhindert“ erklären, wenn es zum Beispiel vom Arzt krankgeschrieben wurde. Ob und in welchem Umfang es sich (subjektiv) zur Wahrnehmung von BR-Amtspflichten in der Lage sieht, ist völlig unerheblich. So z.B.
BAG, 28.07.2020 - 1 ABR 5/19:
Leitsatz: „Während der Dauer einer ärztlich attestierten Arbeitsunfähigkeit ist ein nach
§ 38 Absatz 1 BetrVG freigestelltes Betriebsratsmitglied an der Wahrnehmung seines Amts verhindert“ - also wegen Arbeitsunfähigkeit
unzuständig geworden. Es ist bspw. nicht befugt, an BR-Sitzung teilzunehmen. Dieses gilt (sinngemäß) auch für vollfreigestellte SBV.
albarracin_01 hat geschrieben: ↑Donnerstag 5. November 2020, 14:03
Eine tatsächl. vorliegende krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit eines BR-Mitglieds muss nicht zwangsläufig auch zur Amtsunfähigkeit führen (ErfK, Koch, § 25 BetrVG Rn 4)
Das mag schon sein – ist aber nicht unbedingt zwingend:
Dieser Erste Senat des
BAG vom 28.07.2020 ist demnach offenbar u.a. vom Zweiten Senat des BAG
weit abgerückt, soweit Vollfreistellung (BAG, Urteil v. 15.11.1984 – 2 AZR 341/83, und BAG vom 08.09.2011, 2 AZR 388/10,
Rn. 27; dem folgend BAG vom 25.05.2005 - 7 ABR 45/04,
Rn. 16, zur Elternzeit und krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit, sowie wohl auch BGH, 13.02.2014, RiZ (R) 3/13,
Rn. 55). Begründet hat dies der Erste Senat in seinem Beschl. von 2020 vor allem mit „Praktikabilität“ und „Rechtssicherheit“
(Rn. 33) als auch wörtlich mit „
amtsunfähig“
(Rn. 37 am Ende). Das wurde im zit. ErfK (noch) nicht berücksichtigt.
Entscheidungsbesprechung
Selbst wenn der
„vollständig freigestellte“ arbeitsunfähige BR-Vorsitzende als
„Gast“ an Sitzungen teilnehmen sollte, wäre er rechtl.
„stets verhindert“. Er ist während der Dauer seiner Arbeitsunfähigkeit
„amtsunfähig“ und damit rechtlich verhindert im Sinne des § 25 Absatz 1 Satz 1 BetrVG. Der Verhinderungsfall hängt insoweit
nicht von den jeweiligen
„Umständen des Einzelfalls“ sowie insbesondere nicht von Wünschen bzw Vorstellungen einzelner Mandatsträger ab Unerheblich ist insoweit, dass es sich um ein „
Ehrenamt“ handelt. Handlungen, die ein vollständig freigestellter BR-Vorsitzender während seiner Arbeitsunfähigkeit vornimmt, entfalten keine Wirksamkeit, da im ruhendem Mandat und
nicht befugt zu „Amtshandlungen“. Sie sind unwirksam und damit nichtig. Dieser BAG-Beschluss ist mE. auch auf eine vollständig freigestellte SBV entsprechend übertragbar.
albarracin_01 hat geschrieben: ↑Donnerstag 5. November 2020, 14:03
Es gibt im Personalvertretungsrecht
kein Verbot der Mandatstätigkeit während AU und auch kein zwingendes Nachrücken einer Stellvertretung.
II. Personalvertretungsrecht
Dass es hier kein Verbot bei AU gebe ist schlicht falsch:
Der Teilnahme eines erkrankten oder eines beurlaubten Personalrats an den Personalratssitzungen kann jedoch Personalvertretungsrecht sehr wohl zwingend entgegenstehen laut
ständ. Rspr. der Verwaltungsgerichtsbarkeit, nachdem diese insoweit anders „tickt“ als z.B.
BAG vom 15.11.1984 – 2 AZR 341/83, bei Erkrankung und Urlaub
(VG Köln, 28.03.2014 – 33 K 5730/13.PVB,
Rn. 20 - 25, mit
_Verweis auf
VGH Bayern 1988 und
VG Münster) Die Verhinderung eines Personalratsmitglieds bestimmt sich nach
objektiven Kriterien und nicht danach, ob es trotz fehlender Dienstleistungspflicht (z.B. wg. Krankheit oder Urlaub) an Sitzung des Personalrats teilnehmen möchte. Demnach ggf. wohl striktes „Verbot der Mandatstätigkeit während AU“ nach Personalvertretungsrecht – also kein „Wunschkonzert“ nach Lust und Laune. Bei Verhinderung wie
_AU hat das PR-Mitglied das unverzüglich mitzuteilen nach
§ 36 Abs. 2 Satz 4 BPersVG
n.F. – damit auch das Ersatzmitglied stets (rechtzeitig) geladen werden kann.
Einheitliche Rspr. wird wohl erst dann zu erwarten sein, sofern das BVerwG damit befasst werden sollte (vergl.
§ 11 Absatz 3 RsprEinhG) für die nicht vollfreigestellten Mandatsträger – ggf. über den
Gemeinsamen Senat – darüber, ob „Auslegung“ von BAG-Senaten und BGH unzulässige „Rechtsfortbildung“ ist oder nicht.
VGH Bayern, 14.09.1988 – 17 P 88.02465 (Leitsatz)
Ein Personalratsmitglied ist während seines genehmigten Erholungsurlaubs durch das für diese Zeit
kraft Gesetzes entstehende Teilnahmerecht des Ersatzmitglieds von der Teilnahme an Personalratssitzungen
ausgeschlossen.
Vgl. bspw auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. vom 23.08.2018, OVG 60 PV 8.17,
Rn. 36 und
VGH Bayern, Beschluss vom 23.07.2003 - 17 P 03.18, wonach rechtl. Unmöglichkeit bei Arbeits- oder Dienstunfähigkeit: Seit letztem Jahrhundert gibt es also sehr wohl „Verbot der Mandatstätigkeit während AU“ und z.B. Urlaub für PR,
Zum Beispiel auch „
Unzulässigkeit der Teilnahme eines Personalratsmitglieds an Sitzungen / Abstimmungen des Personalrats während der Dauer eines ihm genehmigten Erholungsurlaubes“ (so auch
VG Köln, 29.10.2013 - 33 L 1415/13.PVB).
Beste Grüße
Heidi Stuffer