BIH (Seite 15) hat geschrieben:Die Neuregelung, die ausdrücklich Bezug auf die Wahlordnungen nimmt, ist auf die Wahl zur SBV übertragbar.
NEIN – m.E. nicht übertragbar! Denn das wäre ja
glatte Umgehung des § 177 Abs. 1 Satz 1 SGB IX
Man kommt auch da nicht an der
abschließenden abweichenden gesetzlichen Normierung im § 177 Abs. 1
Satz 1 SGB IX vorbei - wonach allein die
„nicht nur vorübergehende“ Beschäftigung maßgeblich ist beim Zählen: Diese allein maßgebliche Norm (zuvor § 94 Abs 1
Satz 1 SGB IX) gilt seit 2001 insoweit unverändert. Zum
wortidentischen Begriff dieser
„nicht nur vorübergehend“ Beschäftigten vgl. zuletzt sinngemäß
BAG, 25.10.2017 - 7 ABR 2/16,
Rn. 18 und
Rn. 23 zu § 94 Abs. 3
Satz 1 SGB IX a.F. Vergl. Prof.
Düwell, LPK-SGB IX, § 177 Rn. 23. Dieser BIH-Auslegung kann daher nicht zugestimmt werden.
nicht nur vorübergehend ≠ in der Regel
Das ist offenbar schon vom Wortlaut her begrifflich nicht identisch mit den sog. betriebsverfassungsrechtlichen Regelbeschäftigten nach § 1
Abs. 1 BetrVG („in der Regel mindestens fünf ständigen wahlberechtigten Arbeitnehmern, von denen drei wählbar sind“ ). FAZIT: „nicht nur vorübergehend“ (SGB IX) ≠ „in der Regel“ (BetrVG). Mit der SchwbVWO hat dieser Schwellenwert nichts zu tun; er
_wird in dieser „Wahlordnung“ nirgends erwähnt. Zum hier geltenden unbestimmten Rechtsbegriff der
nicht nur vorübergehenden Beschäftigung vergl auch
Diskussion von 2018 m.w.N.
BIH (Seite 15) hat geschrieben:Daraus folgt, dass Leiharbeitnehmer zur Bestimmung der Mindestzahl bei der Wahl zur SBV doppelt zählen: bei ihrem Vertragsarbeitgeber (Verleiher ) und auch im Entleiherbetrieb. Sie zählen vom ersten Tag der Beschäftigung an.
NEIN - das ist zu pauschal! Richtig ist vielmehr:
Dürfen sofort wählen – aber zählen nicht sofort.
Sollte da in dieser BIH-Wahlbroschüre auf Seite 15 was anderes gemeint sein für den Entleiher („zählen vom ersten Tag der Beschäftigung an“), so wäre dies für mich nicht nachvollziehbar. Stimme Ulrich Römer voll zu, dass Leiharbeitnehmer
nicht generell vom ersten Tag ihrer Beschäftigung beim Entleiher gezählt werden wegen § 177 Abs. 1 Satz 1 SGB IX. Der § 14 Abs. 2 Satz 6 letzter
HS AÜG ist m.E. weder mittelbar noch unmittelbar für SBV-Wahlen heranzuziehen - er bezieht sich jedenfalls nicht auf
_BR-Wahlen laut dem Bundesgerichtshof. Vgl.
BGH, 25.06.2019, II ZB 21/18, zur (arbeitsplatzbezogen, nicht arbeitnehmerbezogen!) Mindesteinsatzdauer nach § 14 Abs. 2 Satz 6 AÜG; dazu jurisPR-ArbR 41/2019
Anm. 1 und Anm. 2. Dieser BIH-Ansicht kann daher nicht zugestimmt werden.
Magdalena Mayer hat geschrieben:Gilt aber trotzdem für die SBV-Wahl diese sechsmonatige Einschränkung in Satz 6?
NEIN: Der Maßstab = § 177 Absatz 1 Satz 1 SGB IX, der bekanntlich gerade nicht auf § 14 Absatz 2 AÜG verweist. Greift also folglich schon deshalb nicht für die SBV-Wahl. Zudem ist bei der SBV-Schwellenwertregelung eine
„ausschließlich stichtagsbezoge Feststellung der Mindestzahl vorzunehmen“ – im Unterschied zur BR-Wahl (Sachadae, Die Wahl der SBV, Diss. 2013, Seite 190). Der pauschalen BIH-Ansicht kann daher nicht zugestimmt werden.
Letztlich hat sich aber an der Rechtslage durch das Inkrafttreten des § 14 Absatz 2 Satz 4 AÜG
nichts geändert. Leiharbeitnehmer waren auch schon vor dem Inkrafttreten der Neuregelung des § 14 Absatz 2 Satz 4 AÜG z.B. bei den Schwellen in § 38 Absatz 1 Satz 1 BetrVG mitzurechnen - wenn sie zu dem „regelmäßigen“ Personalbestand des Betriebs zählten (
BAG, 02.08.2017 - 7 ABR 51/15).
Auch bereits
vor Neufassung des Gesetzes entsprach es der Rechtsprechung des BAG, dass Leiharbeitnehmer bei der Feststellung des „regelmäßigen“ Personalbestandes mitzuzählen waren, wenn es zum Beispiel um die Anzahl der freizustellenden BR-Mitglieder ging. Insofern hat der Gesetzgeber die (arbeitsplatzbezoge, nicht arbeitnehmerbezogene!) Auffassung des BAG übernommen und nunmehr 2017
lediglich das „
Richterrecht“ entsprechend gesetzlich normiert bzw. übernommen.
Viele Grüße
Albin Göbel