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Weniger als 5 SB: Einführung einer SBV durch BV möglich?

Verfasst: Donnerstag 13. Juni 2019, 18:17
von energiemensch
Hallo zusammen,

ich bin neu in der Runde und freue mich sehr, dass es dieses Forum gibt! Ich habe zwei Fragen:

In unserem Konzern gibt es in nur einem Betrieb eine SBV, die zugleich auch G-SBV ist. Jetzt ist durch Übernahme von 85% Anteilen ein weiterer Betrieb (nennen wir ihn "A") hinzugekommen. In A gibt es nur 4 SB. Eine Zusammenlegung von Betriebsteilen ist nicht möglich, weil a) A nicht zu 100% zu uns gehört, und b) auch kein anderer Betriebsteil in der räumlichen Nähe liegt. Der A-Geschäftsführer bietet nun seinem BR an, eine SBV mittels Betriebsvereinbarung einzusetzen. Ginge das? Ich meine ja, weil eine besserstellende BV auch über einem Gesetz (mind. 5 SB) stehen kann (Günstigkeitsprinzip).
- Wie sehen Sie das?

- Gibt es eine Stelle, von der ich solche und ähnliche, eher juristische Fragen korrekt beantwortet bekommen kann? Oder muss ich auf jeden Fall dann mit einem Rechtsanwalt sprechen? (Davor scheue ich etwas zurück, weil ich durch die Kostenübernahme den AG darauf aufmerksam machen würde.)

Ich bin gespannt auf Ihre Meinungen und bedanke mich sehr herzlich!

Energiemensch

AW: Weniger als 5 SB: Einführung einer SBV durch BV möglich?

Verfasst: Freitag 14. Juni 2019, 14:00
von albin.göbel
Eine Zusammenlegung von Betriebsteilen ist nicht möglich, weil A nicht zu 100 % zu uns gehört ...
Hallo, handelt es sich bei dem Betrieb A um einen sog. Gemeinschaftsbetrieb mehrerer Konzern-Unternehmen? (also mehrerer Gesellschaften wie z.B. GmbH's). Alleine der Umstand, dass ein Betrieb als gemeinsamer Betrieb (Gemeinschaftsbetrieb) mehrerer rechtl. selbstständiger Unternehmen laut § 1 Abs. 2 BetrVG geführt wird, stünde mE einer Zusammenfassung mit anderen Betrieben nicht entgegen. Allerdings wäre eine "Zusammenfassung" für die SBV-Wahl nicht möglich von "Betriebsteilen", sondern grds nur von Betrieben i.S.d. § 170 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 177 Abs. 1 Satz 4 SGB IX. Zu den Begrifflichkeiten vergl. B­IH-Wahlbroschüre, Abschnitt 1.1.
Der A-Geschäftsführer bietet nun seinem BR an, eine SBV mittels Betriebsvereinbarung einzusetzen. Ginge das?

NEiN Eine Schwerbehindertenvertretung ist grds. zu wählen gemäß § 177 SGB IX – nicht "einzusetzen".
Ich meine ja, weil eine bes­ser­stel­len­de BV auch über einem Gesetz (mind. 5 SB) stehen kann (Güns­tig­keits­prin­zip). Wie sehen Sie das?
Würde hier gewählt, wäre diese Wahl m.E. anfechtbar. Damit würde aber auch ggf. Ersatzvertretung und Mandat der GSBV nach § 180 Abs 1 Satz 2 SGB IX entfallen. Würde nur "eingesetzt" (ohne Wahlen laut § 177 Abs. 1 SGB IX), so wäre das ganze "Kon­strukt" wohl nichtig mangels Wahl. Vergleiche auch B­IH-Wahlbroschüre, Abschnitt 1.4, wonach keine Wahl bei unter 5 sbM.

Viele Grüße
Albin Göbel

Re: Weniger als 5 SB: Einführung einer SBV durch BV möglich?

Verfasst: Montag 17. Juni 2019, 09:34
von energiemensch
Guten Tag, Herr Göbel,

und herzlichen Dank für Ihre Einschätzung!

Ich merke, ich habe mich nicht ganz korrekt ausgedrückt. Der Konzern besteht aus einem e.V. und diversen GmbHs. Jetzt ist mit A eine neue, gemeinnützige GmbH hinzugekommen, an der der e.V. "nur" 85% hält. In der räumlichen Umgebung von A gibt es keine weiteren GmbHs oder andere Betriebe des Konzerns.

Der Geschäftsführer von A bietet seinem BR nun an, eine BV abzuschließen, nach der eine Wahl der SBV möglich wäre auch bei nur 4 SB.

Ich hoffe, jetzt habe ich es korrekt beschrieben. An Ihrer Einschätzung wird sich aber vermutlich nichts ändern, oder?

Hätten Sie noch einen Tipp bezüglich meiner zweiten Frage? Ganz viele meiner Fragen konnte ich mir anderweitig beantworten durch Recherche, doch bei diesen sehr speziellen, eher juristischen Fragen stoße ich eindeutig an Grenzen.

Nochmals vielen Dank und einen schönen Tag!

Energiemensch

Re: Weniger als 5 SB: Einführung einer SBV durch BV möglich?

Verfasst: Montag 17. Juni 2019, 09:58
von albarracin_01
Hallo,

ich sehe das wie Herr Göbel. Eine derartige BV wäre das Papier nicht wert, auf dem sie steht und in keinster Weise belastbar. Die zusätzlichen Angaben ändern daran nichts.
Außerdem gäbe es ja aufgrund der Fallschilderung auch eine gesetzliche Vertretung, die GSBV, deren gesetzliche Ersatzzuständigkeit nicht einfach durch eine BV vor Ort ausgehebelt werden kann und darf.

Mir ist aber bei der Schilderung nicht ganz klar, ob die Unterschiede von GSBV und KSBV hier begrifflich sauber verwendet werden.
Sofern es sich tatsächlich, wie die Schilderung nahelegt, nur um einen zweistufigen Konzern einer Mutter mit direkt verbunden Töchtern (jeweils als eigene juristische Personen) handelt, wäre eine GSBV rechtlich gar nicht möglich. Dann gäbe es nur örtliche SBVen und eine KSBV - aber die KSBV nur dann, wenn es mindestens zwei örtliche SBVen gäbe

Und zur zweiten Frage ist es nun mal so, daß man belastbare juristische Auskünfte eben auch nur von juristischem Fachpersonal bekommt, die dann - im Gegensatz zu anderen "Ratgebern" - auch für die Richtigkeit ihrer Angaben haften.

Re: Weniger als 5 SB: Einführung einer SBV durch BV möglich?

Verfasst: Montag 17. Juni 2019, 14:42
von energiemensch
Auch Ihnen, Albarracin, vielen Dank für Ihre Meinung und Tipps!

Freundliche Grüße

Energiemensch

Weniger als 5 SB: Einführung einer SBV?

Verfasst: Montag 17. Juni 2019, 18:30
von albin.göbel
Wie man evtl. doch noch zu einer SBV-Wahl kommen
könnte – vergl. die TIPPS in der Diskussion vom Mai
2019 zu den (eventuell) nicht im Verzeichnis erfassten
wahlberechtigten sbM (ganz am Ende letzter Satz).

:idea: Entgegen zu enger BIH-Ansicht in der ZB info 1 I 2018, Seite 6, zur Organisation der SBV-Wahlen, sind nicht nur schwerbehinderte Leiharbeitnehmer, welche „länger als drei Monate“ im Entleiherbetrieb eingesetzt werden, wahlberechtigt – da es solche Einschränkung nicht gibt für SBV-Wahlen nach § 177 Abs. 2 SGB IX - abweichend von BR-Wahlen nach § 7 Satz 2 BetrVG.
Solche Einschränkungen des SBV-Wahlrechts hat es weder im SGB IX noch sonst gegeben entgegen BIH-Wahlbroschüre 2018.

Viele Grüße
Albin Göbel