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Auflösung von mehreren Dienststelle und Zusammenfassung zu einer Einzigen

Verfasst: Montag 1. April 2019, 10:29
von nrtote01
Als großes Unternehmen im öffentlichen Dienst mit nahezu 7000 Beschäftigten und einer bundesweiten Präsenz sah eine seit Jahren geltende Orga-Struktur die Aufgliederung in acht unabhängigen Dienststellen vor, die eigenständig Personalentscheidungen (Einstellungen, Entlassungen, Höhergruppierungen, Umsetzung, Versetzung,…) treffen konnten. Lediglich der Hauptdienstsitz des Unternehmens war zentral in Sachsen. Vor diesem Hintergrund gab es in allen acht Dienststellen örtliche Personalräte und jeweils eine SBV. Insgesamt gab es für das Gesamtunternehmen noch einen Haupt- bzw. Gesamtpersonalrat (GPR) sowie eine GSBV, die jedoch für keinerlei Personalmaßnahmen zuständig waren. Vielmehr fielen in dessen Aufgabenbereich allgemein verbindliche Dienst- und Inklusionsvereinbarungen,… .
Freigestellt für das gesamte Unternehmen waren bis zuletzt im Bereich der regionalen SBV´en 3 Kollegen und der gewählte GSBV-Vorsitzende.

Darüber hinaus noch zahlreiche ÖPR-Vertreter (überschlägig ca. 2 Mitarbeiter je Dienststelle); im GPR gab es auch die ein oder andere Freistellung, wobei in diesem Gremium wiederkehrend Vertreter mit Doppelmandaten aus dem ÖPR waren.

Durch eine umfangreiche Orga-Änderung wurden nun zum 01.09.18 alle bisherigen Dienststellen und deren Aufgabenbereiche aufgelöst und zu einer einzigen Dienststelle mit Sitz in Sachsen zusammengefasst. Auf der Grundlage eines umfangreichen juristischen Gutachtens lässt man die bisherigen örtlichen Personalräte bis zur regulären Wahl im kommenden Jahr zwar bestehen; sie haben aber fortan keinerlei Entscheidungsbefugnisse in Personalangelegenheiten mehr. Diese erfolgen nun im immer schon bestanden GPR - allerdings nach Anhörung (aber nicht entscheidungsgebunden) der ÖPR. Wie erwähnt sind die ÖPR-Äußerungen nicht bindend für den GPR. Zwar wird überlegt, dass sich im kommenden Jahr Teile der bisherigen Dienststellen verselbständigen; an den Rechten ändert dies aber nichts.

Für die SBV war es sogar so, dass im November 2018 – trotz eigentlich neuer Orga-Struktur zum 1.9.18 – auf der Basis der alten Dienststellenregionen in allen betreffenden Bundesländern regionalen Wahlen vorgenommen wurden. Da es sich eigentlich um eine Sozialwahl handelt, sollte die Wahlzeit 4 Jahre umfassen. Der Dienstherr kommt nun aber auf die Idee, dass doch im nächsten Jahr ein neuer GPR gewählt würde und sich die SBV doch der Struktur des Personalrates angleicht, auch eine bundesweite Neuwahl der SBV anstünde. Bislang waren im Rheinland 120 Wahlberechtigte; im Bundesgebiet wären es aber ca. 600. Ziel soll es dann sein, „nur“ noch eine Freistellung einzuräumen; die anderen könnte man ja im Rahmen der ständigen Hinzuziehung konsultieren. Eine Freistellung will man aber hier nicht aussprechen. Wie sieht aus Eurer Sicht die Rechtslage aus bzw. wie würdet Ihr die Rahmenbedingungen bewerten???

Auflösung von Dienststellen und Zusammenfassung zu einer Einzigen

Verfasst: Montag 1. April 2019, 15:20
von albin.göbel
nrtote hat geschrieben:Durch eine umfangreiche Orga-Än­de­rung ­ wurden zum 01.09.2018 alle bisherigen Dienststellen und deren Aufgabenbereiche aufgelöst und zu einer einzigen Dienststelle mit Sitz in Sachsen zusammengefasst.

Verständnisfragen

• Was besagt denn das "Gutachten" zur Rechtsfrage, ob bzw wie lange ein Über­gangs­man­dat ­­ der örtlichen Personalräte ab 01.09.2018 besteht? Im Unterschied zum Personal­ver­tre­tungs­recht fast aller Länder fehlen im derzeitigen BPersVG, dessen ­ Novellierung ansteht, generelle Regelungen zu dem Übergangsmandat (Überblick von Düwell in LPK-SGB IX, § 177 Rn. 114, mit VO-Ermächtigungen).

"Das BPersVG kennt kein Über­gangs­man­dat im Fall einer Verwaltungsreform", sagt zu Recht das Fachschrifttum 2018 (Ilbertz/ Wid­ma­i­er/ ­Sommer, BPersVG, § 26 Rn 12a mwN). Dieses ist "infolge der Untätigkeit des Bun­des­ge­setz­ge­bers nicht gelöst worden". Nun hat die GroKo Gelegenheit, diese Lücke zu schließen. Im Koalitionsvertrag 2018 steht: "Das Bundespersonalvertretungsrecht wird novelliert."

BAG zu Charité-Übergangsmandat 2003
• Wie verhält sich denn dieser oben erwähnte „Gutachter“ zu der Rechtsfrage eines Übergangsmandats der (örtlichen) Schwerbehindertenvertretungen sowie GSBV, oder schweigt er sich dazu aus? Vgl. zur Frage eines Übergangsmandats im ÖD grundl. mit gelungenen Muster­bei­spie­len ­ aus der Praxis bei vo­raus­schau­ender Planung und Normierung Düwell, ­­ LPK-SGB IX, § 177 Rn. 114 / 115, unter Verweis auf BAG von 07.04.2004, 7 ABR 35/03, B II 1, Rn. 17/18 im Fall Charité zu einem eventuellen SBV-Übergangsmandat bei Umstrukturierungen per Vorschaltgesetz, oder z.B. BwKoopG oder PolRG Ba-Wü oder SächsPersVG oder BImAG, wo die­ses rechtl.-praktische Problem ­ er­kannt und teils wunderbar gelöst wurde für die prekäre Phase des Umbaus. Andernorts wurde das gerne mal "verschlafen" bzw. blieb ungeregelt – mit all den möglichen ne­ga­ti­ven Ver­wer­fun­gen fürs Personal in dieser so schwierigen Zeit der Um­struk­tu­rie­rung, sofern Schwer­be­hin­der­ten­ver­tre­tun­gen nicht an den Ge­setz­ge­ber bzw. ihre oberste Dienstbehörde im Vorfeld appellierten.

• Wurde nach November 2018 eine GSBV gewählt, und wer hat denn derzeit nach Ansicht dieser Bundesbehörde (?) die Interessen der sbM denn wahrzunehmen? Zum "Un­ter­gang" eines Wahlbezirks vgl. auch sinn­ge­mäß Diskussion aus 2016, in der diese Rechtsfrage kontrovers andiskutiert wurde sowie zum ­ Untergang der Wählbarkeit für die SBV für (früheren) örtl. Wahlbezirk nach § 177 Absatz 7 Satz 3 SGB IX, weil niemand für eine nicht mehr existierende Dienstete wählbar ist.

:idea: Geht man von einem offenbar ab­ge­schlos­se­nen ­Vollzug des Or­ga­ni­sat­ions­ak­tes aus mit Ablauf des Freitags 31.8.2018, so wären m.E. folglich kraft Gesetzes die SBV-Mandate im Sep. 2018 "vorzeitig" er­lo­schen laut § 177 Abs. 7 Satz 3 SGB IX.

nrtote hat geschrieben:Für die SBV war es sogar so, dass im Nov. 2018 – trotz neuer Struktur zum 1.9.18 - auf Basis der alten Dienststellenregionen in allen betreffenden Bundesländern regionale Wahlen vorgenommen wurden.
Hatte denn die im Sep 2018 neugebildete Dienstelle an all diesen örtl. SBV-Wah­len im Nov. 2018 nichts auszusetzen, ein­fach "durchgewunken" und nicht an­ge­foch­ten, obwohl Wahlbezirke untergegangen sind in Verkennung des Dienststellenbegriffs laut § 170 Abs. 1 Satz 2 SGB IX?? Je­den­falls hätte mE bei offensichtlich ab­ge­schlos­senem ­Vollzug des Or­ga­ni­sat­ions­aktes vor den Regelwahlen nicht (mehr) reg­io­nal gewählt werden ­ dürfen !! Vgl. für den Bereich des BPersVG auch aus­führ­lich die ähnliche Diskussion jeweils vom Feb. 2018 und Diskussion v. Apr. 2018 mit identischer Konstellation. Zur offenbaren Verkennung des Dienst­stel­len­be­griffs vgl Anmerkung eines Fachanwalts für ArbR.

Viele Grüße
Albin Göbel

Re: Auflösung von mehreren Dienststelle und Zusammenfassung zu einer Einzigen

Verfasst: Montag 1. April 2019, 17:32
von Ulrich.Römer
Für die SBV war es sogar so, dass im November 2018 – trotz eigentlich neuer Orga-Struktur zum 1.9.18 – auf der Basis der alten Dienststellenregionen in allen betreffenden Bundesländern regionalen Wahlen vorgenommen wurden.
Diese Wahlen hätten gar nicht mehr stattfinden dürfen, wenn es sich seit September 2018 bundesweit nur um eine Dienststelle handelt. Diese SBVs sind gar nicht gewählt weil kein Teil einer Dienstelle ohne Beschluß zur Verselbstständigung (§ 6 BPErsVG) eigenständig wählen darf.

Re: Auflösung von mehreren Dienststelle und Zusammenfassung zu einer Einzigen

Verfasst: Mittwoch 3. April 2019, 15:09
von nrtote01
Zunächst einmal lieben Dank für die ersten Reaktionen und noch ergänzend aufgeworfene Fragen. Z. B.:
Was besagt das Gutachten zur Rechtsfrage, ob bzw. wie lange ein Übergangsmandat der örtlichen Personalräte besteht?
Hier wird mit blumigen Formulierungen dargestellt, dass insgesamt es verschiedenste Sichtweisen geben könnte. Dem Dienstherrn wird aber vorgeschlagen und geraten, die ÖPR´s bis zu regelhaften Neuwahl des Personalrates in 2020 weiterbestehen zu lassen (unter einer Art Fiktion der Verselbständigung, wobei die Verselbständigung dann sicherlich im kommenden Jahr auch noch einmal in den beteiligten Regionen oder größeren Unternehmensbereichen tatsächlich zur Überlegung anstehen u. mit einer weiteren Wahl verbunden ist). Insbesondere sollten die ÖPR´s auch deshalb weiterbestehen, weil diese zum Zeitpunkt der geänderten Strukturentscheidung mehr als die Hälfte ihrer regelhaften Amtszeit eh schon im Amt wahren. Wohl aber hat man die Mitbestimmung bei Personalmaßnahmen den ÖPR zum 01.09.18 "weggenommen" und in die Verantwortung des GPR nunmehr gelegt. Diese können aber nur unter vorheriger Beteiligung der alten, regionalen ÖPR´s entscheiden. Das bedeutet der GPR muss bis zur Neuwahl im nächsten Jahr immer vor Zustimmung o. Ablehnung den ÖPR anhören. Alle Fristen haben sich dadurch nun verdoppelt.

Wie verhält sich der Gutachter zur Frage eines Übergangsmandates der örtlichen SBV sowie GSBV?
Hier nimmt er explizit keine konkrete Stellung. Vielmehr sagt er lediglich, die Struktur der SBV, GSBV und auch JAV folgt grds. dem des Personalvertretung. Obwohl bekannt war, dass im Herbst Wahlen waren, hat er keine zusätzlichen Aussagen getätigt.

Wurde nach November 2018 eine GSBV gewählt und hatte die Dienststelle an den Wahlen der SBV nichts auszusetzen?
Ja - im Januar 2019 erfolgte unter den gewählten SBV-Vertretern die Wahl der GSBV. Die neu gefasste Dienststelle hatte ganz und gar nichts an den Wahlen - sowohl die der SBV und auch GSBV - auszusetzen. Sie fanden sogar auf Wunsch der Dienststelle statt. Ich habe sogar angefragt, ob wir denn wirklich in Kenntnis der neuen Orga dennoch nach dem bisherigen Regionenmodell wählen sollten. Man bat darum, um nicht noch zusätzlich "Stimmung im System" zu haben und weil das Gutachten hier auch keine definitiven und verpflichtenden Aussagen beinhaltet.

Seit dem erhalte ich durch den neuen Dienststellenverantwortlichen nunmehr seit 09/2018 alle meine regionbetreffenden SBV-Personalmaßnahmen per Mail; noch vor Beteiligung des örtlichen Personalrates, der ausschließlich seine Info zur Anhörung über den GPR erhält.
Abschließend noch die ergänzende Info, dass so wie es derzeit aussieht, sich unsere Region oder zumindest Teile davon in 2020 definitiv verselbständigen werden.

Zusammenlegung von Dienst­stel­len­ zu einer neuen Dienst­stel­le

Verfasst: Mittwoch 3. April 2019, 16:00
von albin.göbel
nrtote hat geschrieben:… mit blumigen Formulierungen dargestellt, ­dass es ver­schie­dens­te Sichtweisen geben könnte.
Hallo nrtote, ­ ich picke mal vier dieser
Punkte heraus, da von allg. Interesse:

• Rechtsvergleich
Hier wird wohl ­ "rumgeeiert" ­ im "irrealen" Konjunktiv. Vielleicht wacht ­ der ­ Ge­setz­geber nach all den Jahren der Un­tä­tig­keit auf bei der nun anstehenden Novelle des BPersVG - und schließt endlich klaffende Lücke ­ zum ­ Übergangsmandat. Da gibts noch nicht einmal eine ­ Er­mäch­ti­gung für Rechtsverordnungen. Die Bundesländer sind da vielfach schon viel weiter! Im­mer­hin hat es ­ schon vor Jahren der gleiche Bundesgesetzgeber geschafft, für Ihre ge­wähl­ten ­ Gleichstellungsbeauftragten ein Übergangsmandat für die “Zusammenlegung von ­ Dienststellen zu einer neuen Dienst­stel­le“ in § 23 Absatz 1 BGleiG zu regeln, einfach, rechtssicher, praktikabel, so wie das halt der Nationale Normenkontrollrat (NKR) von zeitgemäßer Gesetzgebung auch zu Recht erwartet in seinem Jahresbericht von 2018: "Gesetzesqualität verbessern. Da stehen wir noch ganz am_Anfang."

• Musterbeispiel
Die ­­ Länder haben zum Teil das Prob­lem erkannt und bei der Umstrukturierung von Behörden auch Übergangsmandate für die SBV vorgesehen. Ein gutes Musterbeispiel hat Baden-Württemberg vorgegeben, etwa in dem Gesetz zur Umsetzung der Polizei­strukturreform­ ­ in ­ Art. 4 PolRG 2013, und Art. 2 § 4 PolSG von 2019 (Vergl. Düwell, LPK-SGB IX, 5. Aufl. 2019, § 177 Rn 115)

nrtote hat geschrieben:Wohl aber ­ hat ­­ man die Mit­be­stim­mung bei Personalmaßnahmen den ÖPR zum 01.09.18 'weggenommen' und in die Verantwortung des GPR nunmehr gelegt.
Einem gewählten örtlich. Personalrat kann man m.E. nichts wegnehmen: Entweder er ist noch im Mandat mit allen Rechten und Pflichten – oder er ist es eben nicht durch vorzeitiges ­ Erlöschen wegen Untergang seines Wahlbezirks mangels Über­gangs­man­dat. In letzterem Fall würde sich m.E. sofort die ­ Rechtsfrage ­ stellen nach dem Datenschutz i.S.d. § 26 BDSG neu i.V.m. EU-DSGVO, ­ weil wohl keine In­te­res­sen­ver­tre­tung i.S.d. § 26 Abs. 6 BDSG.

nrtote hat geschrieben:fanden sogar auf Wunsch der Dienststelle statt.
Und hier würde sich u.a. die Frage stellen, ob die sich ab September 2018 nicht mehr im Amt be­find­li­chen örtlichen Schwer­be­hin­der­ten­ver­tre­tun­gen die ­­ SBV-Re­gel­wah­len 2018 initiiert ha­ben entgegen § 1 Absatz 1 SchwbVWO. ­­ Und das wäre dann jeweils doppelter Fehlgriff: Untergegangene SBV lässt im untergegangen Wahlbezirk wäh­len. Fragen über Fragen ... Und zu "häufigen Fehlern" ­ bei Existenz einer über­ört­li­chen SBV siehe hier (am Ende).

nrtote hat geschrieben:Seitdem erhalte ich durch den neu­en Dienststellenverantwortlichen alle meine regionbetreffenden SBV-Personalmaßnahmen per Mail
Hoffentlich werden die personenbezogenen Daten dann per qualifizierter "Verschlüsselung" dieser Mails ­­ laut dem Stand der Technik verschickt, wenn "quer durch die Republik".

:idea: Unverschlüsselt ging selbst nicht per (gesetzwidriger) "Einwilligung" gemäß der EU-DSGVO, heißt es zu Recht in dem Be­scheid der Datenschutzbehörde von Ös­ter­reich v. 16.11.2018 – aufrufbar im RIS-Rechtsinformationssystem des Bundes der Republik Österreich (im Volltext).

Viele Grüße
Albin Göbel